Rund 17 000 Mitarbeiter zählen zur Konzernzentrale von Daimler. Foto: dpa

Die Betriebsratswahl in der Zentrale von Daimler ist vom Stuttgarter Arbeitsgericht für unwirksam erklärt worden. Beschäftigte in Gernsbach und Berlin, die organisatorisch zur Zentrale zählen, können von Stuttgarter Betriebsräten nicht ausreichend betreut werden, entschied das Gericht.

Stuttgart - Die Betriebsratswahl in der Zentralevon Daimler in Stuttgart ist vom Arbeitsgericht für unwirksam erklärt worden. Bei der Wahl im März vorigen Jahres wurde gegen wesentliche Vorschriften des Betriebsverfassungsgesetzes verstoßen, entschied das Gericht. Für die Betriebsteile in Gernsbach und in Berlin hätte danach jeweils ein eigener Betriebsrat gewählt werden müssen, weil sie räumlich zu weit von Stuttgart entfernt seien. Eine effektive Betreuung der dort beschäftigten Mitarbeiter sei durch die mehr als 100 Kilometer beziehungsweise 600 Kilometer entfernten Arbeitnehmervertreter der Zentrale in Stuttgart nicht möglich.

Dafür spricht nach Ansicht der Kammer auch die Tatsache, dass sich in Gernsbach und Berlin kein Mitarbeiter zur Wahl gestellt hatte und auch die Wahlbeteiligung mit nur sechs abgegebenen Stimmen sehr gering ausgefallen sei. In Gernsbach hat das Unternehmen ein Bildungszentrum, wo laut Gericht zehn wahlberechtigte Arbeitnehmer beschäftigt sind, in Berlin sind es in der Konzernrepräsentanz 26 wahlberechtigte Arbeitnehmer.

Der Rechtsstreit könnte beim Landesarbeitsgericht landen

Daimler und der Betriebsrat hatten argumentiert, die Mitarbeiter an diesen beiden Standorten hätten vor rund 20 Jahren beschlossen, an der Wahl im Hauptbetrieb teilzunehmen. Dies konnte jedoch nicht ausreichend belegt werden. Auch habe es diese rechtliche Möglichkeit damals noch gar nicht gegeben. Sie sei erst durch eine spätere Gesetzesreform geschaffen worden. Die Kammer griff auch den Einwand des Arbeitgebers und des Betriebsrats nicht auf, dass das Wahlergebnis der Zentrale wegen der geringen Zahl der Beschäftigten an den beiden Standorten letztendlich nicht beeinflusst worden sei. An der Wahl hatten nach früheren Angaben rund 6600 Mitarbeiter teilgenommen. Insgesamt arbeiten in der Zentrale rund 17 000 Beschäftigte. Die Entscheidung des Arbeitsgerichtsist noch nicht rechtskräftig. Unternehmen und Betriebsrat können Beschwerde beim Landesarbeitsgericht einlegen. Bis dort eine Entscheidung fällt, ändert sich dann zunächst einmal nichts. Würde das Landesarbeitsgericht die Entscheidung jedoch bestätigen, wäre eine Neuwahl fällig.

Betriebsratschef Spies nennt die Entscheidung „sehr unglücklich“

Daimler will nach Angaben eines Sprechers die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann entscheiden, wie es weitergeht. Jörg Spies, der Vorsitzende des Betriebsrats der Zentrale, will die neue Lage zunächst einmal mit seinen Kollegen diskutieren. Spies nannte die Entscheidung des Arbeitsgerichts „sehr unglücklich“. Bei allen vorangegangenen Wahlen sei diese rechtliche Frage nie aufgeworfen worden, auch nicht bei der Anfechtung einer früheren Wahl. Spies gab auch zu bedenken, ob es verhältnismäßig sei, wenn die ganze Wahl als ungültig eingestuft werden könnte, obwohl nur ein sehr geringer Prozentsatz aller Wahlberechtigten betroffen sei. Sehr zufrieden zeigte sich Spies jedoch damit, dass das Gericht keine Mängel beim Ablauf der Wahl festgestellt habe. Sämtliche ursprünglichen Kritikpunkte der Anfechter seien entkräftet worden. Die Entscheidung sei zustande gekommen, nachdem das Gericht in eigener Initiative die rechtliche Lage untersucht habe.

Fünf Daimler-Mitarbeiter hatten die Wahl im vergangenen Jahr angefochten. Sie behaupteten unter anderem, dass die Beschäftigten durch kurz vor der Wahl versandte E-Mails zugunsten der IG Metall manipuliert werden sollten. Die IG Metall hat mit 22 von 41 Sitzen die absolute Mehrheit im Betriebsrat.

Die Kritiker hatten auch infrage gestellt, ob es sich bei der Zentrale, in der Mitarbeiter aus ganz unterschiedlichen Bereichen des Konzerns arbeiten, überhaupt um einen einzigen Betrieb im Sinne des Gesetzes handle. Damit hatten sie jedoch keinen Erfolg (AZ: 21 BV 62/18).