Bundestrainer Christian Prokop (li.), Vizepräsident Bob Hanning: Läuft ihre Zeit beim Deutschen Handballbund ab? Foto: dpa

Die Anzeichen verdichten sich: Wenn nicht noch ein kleines Wunder passiert, wird der Deutsche Handballbund an diesem Montag die Trennung von Bundestrainer Christian Prokop verkünden. Gut möglich, dass dann auch DHB-Vize Bob Hanning geht und Alfred Gislason Prokop ablöst.

Stuttgart - Für 16 Uhr hat der Deutsche Handballbund (DHB) an diesem Montag eine Pressekonferenz angekündigt. Davor steckt das zehnköpfige DHB-Präsidium in einer Sondersitzung im „Maritim Airport Hotel“ in Hannover abschließend die Köpfe zusammen. Die Tendenz vor dem Handball-Gipfel ist aber schon jetzt eindeutig: Alles andere als eine Trennung von Bundestrainer Christian Prokop wäre inzwischen eine große Überraschung. „Christian Prokop zu halten – das ist überaus schwierig“, sagt Uwe Schwenker, der Präsident der Handball-Bundesliga (HBL). Der mächtige und einflussreiche Funktionär hat nach der desolaten EM in den vergangenen Wochen mit Prokop, den Nationalspielern, Trainern und Managern der Bundesligisten gesprochen. „Ich habe mir ein umfassendes Meinungsbild verschafft“, erklärt Schwenker. Das Ergebnis ist nicht nur für ihn eindeutig: Nach Informationen unserer Zeitung stimmten sieben der acht HBL-Präsidiumsmitglieder für eine Trennung von Prokop.

Gräben zwischen Trainer und Team zu tief

Dieses klare Votum aus der Liga dürfte ganz entscheidend dafür sein, dass die DHB-Granden an diesem Montag endgültig den Daumen in Sachen Prokop senken werden. Dem Vernehmen nach würden wohl einige Nationalspieler nicht weitermachen, wenn der 39-Jährige im Amt bleiben würde. Schwenker spricht von „atmosphären Störungen“ zwischen Mannschaft und Bundestrainer, die während der EM in Kroatien fatalerweise von keinem Bindeglied im DHB-Tross moderiert wurden. Inzwischen sind die Gräben offenbar so tief, dass sie mit Blick auf die Heim-WM 2019 nicht zu überwinden sind.

Vor allem wirbt dennoch weiter hartnäckig für ein Festhalten an Prokop: Bob Hanning. „Christian hat alle Fehler eingeräumt, analysiert, ist zu den Spielern gefahren. Er hat alles getan“, sagt der streitbare DHB-Vizepräsident. Hanning hatte Prokop vor einem Jahr gegen etliche Widerstände für die Rekordablösesumme von 500 000 Euro vom SC DHfK Leipzig losgeeist und mit einem Vertrag bis 2022 ausgestattet. Gut möglich, dass Hanning Prokops Schicksal mit seinem eigenen verknüpft. Folgt das DHB-Präsidium der für ihn „unverhandelbaren“ olympischen Gold-Mission 2020 mit Prokop nicht mehr, dürfte auch Hanning seinen Posten räumen. Die EM und die in den folgenden Wochen „bewusst geschürten Anschuldigungen“, dass er Prokop zum Rücktritt bewegen wolle, haben ihm zugesetzt. „Das ist alles haltlos, das wird Politik gemacht“, sagte Hanning.

Alfred Gislason heißester Kandidat

Die entscheidende Frage ist aber, wer auf Prokop folgen könnte? Der heißeste Kandidat ist Alfred Gislason (58). Er ist nicht nur enger Vertrauter und Trauzeuge von Ligachef Schwenker, dem Isländer wird allenthalben zugetraut, den deutschen Handball wieder in die Erfolgsspur zu führen. Zwar hat er beim THW Kiel noch einen Vertrag bis 2019, doch da ließe sich eine Lösung finden. Bis zum Sommer könnte Gislason eine Doppelfunktion ausüben, beim THW möglicherweise unterstützt von Ex-Spieler Filip Jicha. Dass ihn das Amt reizen würde, daraus hat Gislason nie einen Hehl gemacht: „Ich habe immer gesagt, dass ich eines Tages ein Nationalteam trainieren möchte. Und da ist die interessanteste der Welt die deutsche“, sagte er schon vor Jahren. Sein Landsmann Dagur Sigurdsson wird ihm das bestätigen. Der Vater des deutschen EM-Triumphes von 2016 hat mit Japan die Qualifikation für die WM 2019 verpasst, bereitet das Team auf Olympia 2020 in Tokio vor und wird nun aber auch ab Sommer als Nachfolger von Gislason beim THW gehandelt.