Endet die Groko, steht auch die Amtszeit von Kanzlerin Merkel vor dem Aus. Foto: dpa

Bis Mitte Oktober zieht die Regierungskoalition eine Halbzeitbilanz ihrer Arbeit. Doch spannend wird es danach, die SPD will auf dem Parteitag im Dezember über das Bündnis abstimmen. Mitentscheidend für den Fortbestand sind Einigungen zum Klimaschutz und zur Grundrente.

Berlin - Für die Regierungskoalition sind entscheidende Wochen angebrochen. Union und SPD arbeiten an einem umfassenden Klimaschutzgesetz, das die Weichen für die kommenden Jahre stellen soll. Zudem bemühen sich beide Seiten um eine Lösung in dem Streit um die Grundrente. Wie erfolgreich sie dabei sind, ist angesichts der nahenden Halbzeitbilanz mitentscheidend für den Fortbestand des Bündnisses.

Wie will die Koalition die Zusammenarbeit bewerten?

Die Bundesregierung will bis spätestens Mitte Oktober gemeinsam eine Bilanz ihrer bisherigen Arbeit ziehen und anhand des Koalitionsvertrags überprüfen, was erledigt wurde, welche Vorhaben auf dem Weg sind und welche Punkte noch offen sind. Spannend wird es aber danach, denn die SPD will auf ihrem Parteitag Anfang Dezember über die Fortführung der Koalition abstimmen – Ausgang derzeit offen. Ein Stimmungsmesser wird der Mitgliederentscheid über den Parteivorsitz sein, der am 25. Oktober endet. Mehrere Bewerber sprechen sich dafür aus, die Koalition zu verlassen. Bis zum Parteitag sind also lebhafte Diskussionen über die bei vielen Sozialdemokraten ungeliebte Groko zu erwarten.

Der Interimsvorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel sagte am Montag nach einer SPD-Vorstandssitzung: „Es wird am Ende eine Gesamtbewertung, die wird nicht schwarz oder weiß sein, sondern bunt, möglicherweise in Teilen auch ziemlich grau.“ Eine aktuelle Studie bescheinigt der Koalition, bereits mehr als 60 Prozent ihrer Versprechen entweder erfüllt oder zumindest angepackt zu haben. Prozentzahlen seien nicht entscheidend, wenn die Koalition beim Klimaschutz oder der Grundrente nicht liefere, hob Schäfer-Gümbel hervor. Das war eine Botschaft an den Koalitionspartner: Kommt ihr uns bei diesen Streitthemen nicht entgegen, wird es eng für die Koalition.

Wie geht es mit dem Klimakonzept voran?

Die Spitzen von Union und SPD vereinbarten beim Koalitionsausschuss am Sonntagabend, zwei weitere Gespräche am 2. und am 13. September, damit das Klimakonzept am 20. September beschlossen werden kann. Mit dem Klimaschutzgesetz müssten die „wichtigsten Fragen der heutigen Zeit“ in Angriff genommen und bewältigt werden, forderte SPD-Übergangschefin Malu Dreyer. Hauptstreitpunkt ist die Frage einer CO2 -Besteuerung: Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) wirbt dafür, bestehende Energiesteuern auf Diesel, Benzin, Heizöl und Erdgas zu erhöhen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) lehnt dies ab und spricht sich dafür aus, den Ausstoß von Treibhausgasen über den Handel mit Emissionszertifikaten zu steuern.

Ist eine Lösung im Streit um die Grundrente in Sicht?

Noch nicht. Im Koalitionsvertrag vereinbart ist eine Grundrente geknüpft an eine Bedürftigkeitsprüfung, sodass etwa 100 000 Menschen profitieren dürften. Das Konzept von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht diese Einschränkung nicht vor, dadurch könnte die Zahl der Empfänger auf mehr als zwei Millionen steigen. Dies werde besonders den Menschen in Ostdeutschland zugutekommen, wo es nach der Wiedervereinigung „soziale Verwerfungen“ gegeben habe, sagte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig, am Montag nach der SPD-Vorstandssitzung. Die Union besteht jedoch aus Kostengründen auf einer Bedürftigkeitsprüfung. Heil und Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) sollen in den kommenden zwei bis drei Wochen verschiedene Modelle durchrechnen und Lösungsvorschläge machen. Damit dürfte der Konflikt nicht gelöst werden vor den Landtagswahlen am 1. September in Sachsen und Brandenburg, bei denen CDU und SPD große Verluste drohen. „Die Grundrente ist kein Wahlgeschenk für die Wahlen in den neuen Bundesländern“, stellte CSU-Chef Markus Söder klar.

Ist die Koalition denn noch zu Einigungen in der Lage?

Ja, das zeigt beispielsweise die Einigung zum Soli-Abbau. Der Koalitionsausschuss verständigte sich trotz Bedenken der Union darauf, das Konzept von Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) umzusetzen. Demnach wird die Abgabe für 90 Prozent der Steuerzahler komplett gestrichen, weitere 6,5 Prozent zahlen den Soli ab 2021 nur noch teilweise. Die restlichen 3,5 Prozent führen ihn in bisheriger Höhe weiter ab. Die Union will den Soli eigentlich komplett abschaffen. Union und SPD verständigten sich zudem darauf, die Mietpreisbremse um fünf Jahre bis 2025 zu verlängern. Ist bei einem Immobiliengeschäft ein Makler im Spiel, soll künftig derjenige, der ihn beauftragt hat, mindestens 50 Prozent der Maklergebühren zahlen.