Auch Ministerpräsident Kretschmann hat sich bei Dietrich Wagner (links) entschuldigt. Foto: dpa

Dass die Polizei bereit ist, dem fast erblindeten Rentner Dietrich Wagner 120.000 Euro Schmerzensgeld zu bezahlen, ist ein wichtiger Schritt zu einer Versöhnung. Ein Kommentar von Lokalchef Holger Gayer.

Stuttgart - Noch haben die Opfer die Entschädigung nicht akzeptiert. Dennoch zeichnet sich ab, dass die Aufarbeitung des Schwarzen Donnerstags sechs Jahre nach dem für die Stadt Stuttgart tief einschneidenden Ereignis allmählich zu einem Ende kommt. Das Angebot der Polizei, dem fast erblindeten Stuttgart-21-Gegner Dietrich Wagner 120 000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen, zeugt jedenfalls von der Einsicht, dass es in Sachen Wiedergutmachung nicht nur bei Worten bleiben darf, sondern auch Taten folgen müssen – die in Fällen wie diesen korrekterweise in Euro abgerechnet werden.

Was die Höhe der Summen betrifft, hat die Polizei den Kurs fortgesetzt, den der Ministerpräsident eingeschlagen hat, nachdem das Verwaltungsgericht vor knapp einem Jahr unmissverständlich geurteilt hatte, dass der Polizeieinsatz im Schlossgarten rechtswidrig war. Winfried Kretschmann entschuldigte sich danach aufrichtig bei den Opfern, die von den Wasserwerfern zum Teil schwer verletzt worden waren. Wichtiger Randaspekt dabei: Ähnlich wie zuvor auch die Verwaltungsrichter wies der Regierungschef den S-21-Gegnern keinerlei Mitschuld am Ausarten des Polizeieinsatzes zu. Damit hat der Ministerpräsident einen gewichtigen Teil zur Versöhnung beigetragen.

Keine Mitschuld der Opfer einklagen

Daher sollte die Polizei nun aufhören, durch die Hintertür doch wieder eine Mitschuld der Opfer ins Spiel zu bringen. Das zu tun ist nicht nur kontraproduktiv, sondern auch der hervorragenden Arbeit der Beamten nicht angemessen. Denn nach dem unsäglichen Einsatz vom 30. September 2010 sind die Polizisten längst zu ihrer Taktik der Deeskalation zurückgekehrt. Bei den meisten Bürgern haben sie damit das Vertrauen zurückgewonnen, das sie verdienen.

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