Die Chefs der Ampelparteien: Lars Klingbeil (SPD), Christian Lindner (FDP) und Ricarda Lang (Grüne, v.l.) Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Die hohen Energiepreise überfordern viele Verbraucher. Nun bringt die Berliner Koalition ein weiteres Entlastungspaket auf den Weg. Erwerbstätige sollen auch eine Pauschale als Einmalzahlung erhalten. Zahlreiche Rentner dürften dabei aber leer ausgehen.

Die Ampelkoalition im Bund mobilisiert noch einmal viel Geld, um die Bürger im Land angesichts stark gestiegener Energiekosten finanziell zu entlasten. Am Donnerstagmorgen einigten sich die Spitzen von SPD, Grünen und FDP nach einer langen Nachtsitzung auf ein gemeinsames Vorgehen. Es handelt sich bereits um das zweite Entlastungspaket: Das erste hatten die Partner erst vor einem Monat auf den Weg gebracht. Durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine nahm der Handlungsdruck aber noch einmal zu. Wir erläutern, was die Koalition nun plant und welche Fragen vorerst offengeblieben sind.

Gibt es Direktzahlungen zugunsten der Verbraucher? Ja, und zwar in Form der „Energiepreispauschale“: Allen einkommensteuerpflichtigen Erwerbstätigen aus den Steuerklassen 1 bis 5 soll einmalig 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt ausgezahlt werden. „Die Auszahlung erfolgt über die Lohnabrechnung des Arbeitgebers beziehungsweise des Dienstherrn. Die Pauschale unterliegt der Einkommensteuer“, heißt es in dem Beschlusspapier der Ampel. Der Arbeitgeber sollen den Betrag von der abzuführenden Lohnsteuer abziehen. Selbstständige sollen einen Vorschuss über eine einmalige Senkung ihrer Einkommensteuer-Vorauszahlung erhalten.

Wann fließt das Geld – und was ist mit Rentnern, Studenten, Arbeitslosen? Noch ist unklar, wann Arbeitnehmer das Geld bekommen. Dafür sei noch gesetzgeberische Arbeit notwendig, hieß es am Donnerstag in Koalitionskreisen. Das solle aber rasch in Angriff genommen werden. Auf Rentner, Studenten oder andere Gruppen geht das Koalitionspapier nicht explizit ein. Die Lesart ist aber, dass sie dann von der Pauschale profitieren, wenn sie einem Nebenjob nachgehen und den Steuerklassen 1 bis 5 zugeordnet sind. Wer nicht erwerbstätig ist, geht also leer aus. Empfänger von Transferleistungen wie etwa Arbeitslosengeld II sollen jetzt 100 Euro pro Person zusätzlich erhalten – und zwar über die im vergangenen Monat bereits beschlossene Einmalzahlung von 100 Euro hinaus. Familien sollen „schnellstmöglich“ ergänzend zum Kindergeld einen Familienbonus in Höhe von 100 Euro je Kind bekommen.

Wird das Tanken billiger? Ja. Die Ampel will befristet für drei Monate die Energiesteuer auf Kraftstoffe auf das europäische Mindestmaß senken. Das führt nach Angaben von FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner dazu, dass der Liter Superbenzin um 30 Cent und der Liter Diesel um 14 Cent billiger wird. „Wir stellen sicher, dass die Absenkung an die Verbraucherinnen und Verbraucher weitergeben wird“, heißt es im Beschlusspapier. Zu welchem Datum diese Entlastung greift, ist noch unklar.

Was ist mit Leuten, die mit dem öffentlichen Nahverkehr unterwegs sind? Unter dem Schlagwort „9 für 90“ sollen sie 90 Tage lang für neun Euro pro Monat ein verbilligtes Abo für den ÖPNV erhalten. Auch hier stehen die Details noch nicht fest – etwa, ob das nur für Neukunden gilt oder auch für solche, die bereits über ein Abo verfügen. Verantwortlich für die Organisation werden die Länder sein, die höhere Regionalisierungsmittel vom Bund erhalten.

Was kostet das ganze Paket? Finanzminister Lindner sagte, dass die Kosten in etwa denen des Februar-Paketes entsprechen dürften. Für dieses veranschlagt er 13 Milliarden Euro. Im Februar hatten sich die Koalitionsspitzen auf die Abschaffung der EEG-Umlage bereits zur Jahresmitte verständigt, um Strom billiger zu machen. Geplant ist unter anderem auch eine Anhebung der Pendlerpauschale und ein Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger.

Was tut die Koalition jetzt in Sachen Energiesparen? Vor allem den Grünen war wichtig, dass es hier Bewegung gibt. Die Krise soll den Abschied von fossilen Energieträgern beschleunigen, insbesondere im Wärmemarkt. Ab Anfang 2023 soll bei Neubauten der Effizienzstandard 55 verbindlich gelten. Ab Anfang 2024 soll möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Das wäre dann – sofern keine Ausnahmen zum Tragen kommen – das Aus für Öl- und Erdgasheizungen. Hauseigentümer sollen eine bessere Förderung als bisher erhalten, wenn sie ihre mehr als 20 Jahre alte Heizungsanlage austauschen. Sie sollen möglichst auf Wärmepumpen setzen. Zudem will die Ampel darauf hinwirken, dass der besonders ineffiziente Gebäudebestand vorrangig saniert wird.

Was sagen Opposition, Wirtschaft und Gewerkschaften? CSU-Chef Markus Söder kritisierte, das Entlastungspaket sei unzureichend, zu kompliziert, decke nur eine kurze Zeitspanne ab und bringe keine echte Entlastung der Wirtschaft. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) monierte, das Paket könne die großen Sorgen der Wirtschaft nicht wirklich mindern. „Die Senkung der Energiesteuer für drei Monate ist aus Sicht vieler Betriebe nur ein Tropfen auf den heißen Stein – der besonders stark betroffenen Industrie kann sie ohnehin nicht helfen“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian. Reiner Hoffmann, Chef des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB), begrüßte das Paket, verlangte jedoch Ergänzungen: So müsse die Koalition etwa noch mehr tun zur Jobsicherung in den energieintensiven Industrien.