Staatssekretär Andrej Holm und die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Katrin Lompscher (beide Die Linke). (Archivfoto) Foto: dpa

Nach wochenlangem Zögern will Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller Staatssekretär Holm entlassen. Eine längst überfällige Reaktion, meint unsere Korrespondentin Katja Bauer.

Berlin - Es ist ein Machtwort in letzter Sekunde, das der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, am Samstagnachmittag aussprach. Nach wochenlangen Debatten machte er nun klar: jemand, der so mit seiner Vergangenheit bei der Staatssicherheit der DDR umgeht wie der umstrittene Baustaatssekretär Andrej Holm, der kann in der einstmals geteilten Stadt Berlin kein hohes Staatsamt ausfüllen. Müller forderte die zuständige Senatorin Katrin Lompscher von der Linkspartei auf, den von ihr berufenen Wissenschaftler zu entlassen.

Michael Müller hat sehr lange - zu lange - gezögert mit dieser Entscheidung. In der einstmals geteilten Stadt Berlin leben sehr viele Menschen, die ihre bittere Leidensgeschichte mit dem Unterdrückungsapparat der DDR haben. Dazu gehören zuallererst die vielen Opfer der Staatssicherheit, die bis heute leiden. Dazu gehören aber auch Menschen, die als sehr kleine Rädchen im Getriebe des Unrechtsstaates funktionierten – und die im Zuge der Aufarbeitung ihre Arbeit verloren, weil der Staat es bei ihnen genau nahm. Der Mauerfall mag 27 Jahre her sein – in Berlin klafft die Vergangenheit noch als tiefe Wunde in vielen Familien.

Dass der Regierungschef sich so schwer tat mit seiner Entscheidung, ist politisch erklärbar, wenn auch ein Fehler: Ein schnelles Machtwort hätte die gerade entstandene rot-rot-grüne Koalition, die doch auf Augenhöhe miteinander umgehen und keine Basta-Politik machen will, belastet. Zudem wurden die Berufung Holms erst nach und nach zur Affäre, als – erst nach seiner Ernennung – Details ans Licht kamen:

Zur Debatte stand nie, dass der Wissenschaftler als 18-jähriger eine Offizierskarriere bei der Staatssicherheit mit dem Wehrdienst begann. Das wussten seit Jahren alle. Erst jetzt aber wurde bekannt, dass Holm vor zehn Jahren falsche Angaben zu seiner Stasitätigkeit bei seinem Arbeitgeber, der Humboldt-Universität gemacht hatte – der Mann war hauptamtlicher Mitarbeiter des unterdrückerischen Geheimdienstes. Das hat er verschwiegen, es war ihm angeblich nicht bewusst.

Als das bekannt wurde, hätte Müller sofort seine Richtlinienkompetenz, die Macht der Regierungschefs benutzen sollen, um dem Spuk ein Ende zu machen. Denn wie er jetzt zu Recht sagt: Gerade in Berlin darf es keinen Zweifel am aufrichtigen Umgang mit der eigenen Geschichte geben.

Und noch ist die Affäre nicht ausgestanden: Für die Koalition könnte Müllers Machtwort zur Zerreißprobe werden. Denn die Linke machte am Abend klar, dass sie von der Ansage des Regierenden überrascht worden sei. Die Äußerung sei nicht abgesprochen und „liege außerhalb des vereinbarten Verfahrens“ twitterte die Parteiführung. Auf deutsch: es gibt Krach – Ausgang ungewiss. Müller kann rechtlich den Staatssekretär nicht selbst entlassen, das kann nur die Senatorin. Weigert sie sich, dann wird sie ebenfalls gehen müssen. Die Linkspartei Die rot-rot-grüne Koalition in Berlin hätte nicht schlechter starten können.