Ein Böblinger Backförmchenhändler finanziert Influencer der Neuen Rechten. Unsere Recherchen zeigen: Der Ex-AfD-Funktionär kooperiert mit Rechtsextremisten, dubiosen Unternehmern und christlichen Fundamentalisten. In seinem Onlineshop verkauft er Ware mit teils verfassungsfeindlichen Botschaften.
„Friede, Freude, Mutterkuchen“ – leicht abgewandelt, aber mit der selben unverfänglichen Botschaft wie in der originalen Redewendung, wirbt der Backförmchenhändler „Mutterkuchen“ aus Böblingen. Im Netz amüsieren sich Kunden und Werbepartner über das Wortspiel im Firmennamen und loben die Qualität des Silikonförmchens. Recherchen unserer Zeitung zeigen: „Mutterkuchen“ ist kein gewöhnliches Kleinunternehmen, es verfolgt vielmehr eine politische Strategie – sichtbar durch eine zweifelhafte Produktpalette und Verbindungen zur Neuen Rechten, zu Querdenkern und christlichen Fundamentalisten.
Im August 2024 legten das durch die Veröffentlichungen zum sogenannten Potsdam-Treffen bekannt gewordene Recherchenetzwerk Correctiv und das öffentlich-rechtliche Journalismusformat Y-Kollektiv Verbindungen zwischen Unternehmern und populären Polit-Influencern offen. Einer, der durch Produktplatzierungen und Kooperationen solche Influencer wie Michelle Gollan („Eingollan“), Leonard Jäger („Der Ketzer der Neuzeit“) und Oliver Brendel („Der Medienfuzzi“) fördert, ist Maximilian Evers, Gründer von „Mutterkuchen“ und ehemaliger AfD-Kreisrat.
Fünf Jahre war Evers Kreistagsmitglied
Würden die Influencer nicht durch homofeindliche, ausländerfeindliche, verschwörungstheoretische oder geschichtsrevisionistische Äußerungen oder Beziehungen zur Neuen Rechten auffallen, wären die Finanzierungswege der drei wenig brisant. Wie Evers – der von 2019 bis 2024 AfD-Kreisrat war – auf Anfrage erklärt, hat er die Partei und die Jugendorganisation Junge Alternative nach den Europa- und Kommunalwahlen am 9. Juni verlassen. Die Unterstützung, wie Correctiv und Y-Kollektiv aufdeckten, erfolgte zu Zeiten, als Evers AfD-Mitglied war.
Auch wenn Evers sich von der AfD entfernt hat, seine politische Ausrichtung hat er nicht verändert, wie unsere Recherchen belegen. Mit mehr als 250 000 Followern gehört „Eingollan“, bürgerlich Michelle Gollan, zu den reichweitenstärkeren politischen Influencerinnen. Auch sie wirbt für die Backform. Ihre Lieblingsthemen: Gendern, Minderheitenrechte und die AfD. In ihren Straßenvideos geriert sich die junge Frau gegenüber den meist überrumpelten Gesprächspartnern als Journalistin.
Abgesehen davon, dass Gollan das Handwerk unübersehbar nie gelernt hat, pflegt die Influencerin regelmäßig Kontakte zu Personen der Neuen Rechten. In gemeinsamen Videos tritt Gollan etwa auf mit Beat Zirpel („Beat aus Berlin“). Zirpel ist bekennendes Mitglied der Burschenschaft Gothia, von der ein Video öffentlich wurde, in dem die erste Strophe des Deutschlandliedes gesungen wird. Zirpel arbeitete als Hörbuchsprecher für die Plattform Blitzwissen von Erik Ahrens – einem Medienstrategen der AfD, der mit Rasse- und Faschismusfantasien auffiel.
Erinnerungspolitik von der Täterseite gedacht
Ebenso problematisch: Auf der Bezahlplattform Patreon erklärte Gollan in Bezug auf die deutsche Erinnerungskultur: „Es wird sich blind auf die Seite der Opfer gestellt, ohne die Geschichte mal genauer zu hinterfragen“. Dabei zeigt sie Bilder hoher Nationalsozialisten bei den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen. Auf Anfrage von Correctiv und Y-Kollektiv äußerte sich Gollan nicht näher, wie der geschichtswissenschaftliche Konsens zu Tätern und Opfern im Dritten Reich hinterfragt werden solle. Wissenschaftler verorten eine solche Äußerung nah an der Holocaustleugnung.
In einem anderen Youtube-Video tanzt Gollan zu dem Partysong „L’ Amour Toujours“. Von Zufall kann angesichts der politischen Dimension, die der Technoklassiker durch die teils strafrechtlich relevante Umdichtung der Liedzeilen („Deutschland den Deutschen, Ausländer raus!“) erhalten hat, wohl keine Rede sein. Ihr Bekleidungsprodukte bezog Gollan vom Onlinehändler „Uglyshirts87“. Dahinter verbirgt sich der verurteilte Gewalttäter und Neonazi Dennis Wesemann. Woher die Merchandising-Produkte von „Mutterkuchen“ und „Medienfuzzi“ stammen, ist unbekannt.
Wenn Frauen Mordlust unterstellt wird
Noch reichweitenstärker in Social Media ist Leonard Jäger, der als „Der Ketzer der Neuzeit“ mehr als 700 000 Menschen erreicht. Auch Jäger zeigt sich mit der orangefarbenen Backform. Jäger arbeitete – wie ein Mitarbeiter gegenüber Correctiv und Y-Kollektiv bestätigte – mit Ahrens zusammen. Jäger polemisiert regelmäßig gegen Homosexuelle und andere Minderheiten. Ausgerechnet in dem Video, in dem Jäger mit der „Mutterkuchen“-Form einen Kuchen backt, verlinkt er zu einem Video mit dem Titel „10 Gründe warum Abtreibung kein Menschenrecht ist“.
Wer dem Pfad folgt, landet beim christlich-fundamentalistischen Freikirchenprediger Tobias Riemenschneider. In besagtem Beitrag unterstellt Riemenschneider Frauen, die eine Schwangerschaftsabtreibung vornehmen lassen, die Lust am Morden: „Ich will und darf mein Kind töten. Ich weiß, dass es Mord ist, die Auslöschung konkreter Individuen. Und ich will sie auslöschen.“ Wie der „Mutterkuchen“-Inhaber zu Jägers Verbindungen zu Riemenschneider steht, bleibt unbeantwortet.
Verfassungsfeindliches im Shop
Besonders enge Beziehungen pflegt „Mutterkuchen“ mit dem ehemaligen Journalisten Oliver Brendel alias „Medienfuzzi“. Online folgen gut 120 000 Menschen den ehemaligen Russia-Today-Deutschland-Mitarbeiter, der auf Youtube Videos zu aktuellen politischen Geschehnissen darbietet. Besonders im Fokus Brendels: die Grünen. Im gemeinsamen Shop („Quersender“) sind Merchandising-Artikel erhältlich, die die Grünen oder ihre Politiker diffamieren oder die Stadt Berlin als „Shithole“ und „Berlin-Kalkutta an der Spree“ bezeichnet.
Besonders pikant ist ein Pullover mit der Aufschrift „Doc Democracy“. Dieser wird beworben mit: „Wir beim Patient Deutschland machen uns für eine Demokratie stark, die den Namen verdient. Parteiendemokratie lehnen wir ab und uns dagegen auf.“ Wie die Aussage, die als Säule der freiheitlich-demokratischen Grundordnung geltende Parteiendemokratie abschaffen zu wollen, zu verstehen ist, beantwortete Evers nicht. Nach einer Anfrage unserer Zeitung wurde der Pullover aus dem Sortiment genommen.
Ebenfalls deutlich zu sehen sind Tassen und Bekleidung mit der Aufschrift „DÖP“, dem – angelehnt an die Anfangsmelodie – Code für die Version von „L’ Amour Toujours“ mit den volksverhetzerischen Liedzeilen. Besonders zynisch: Model für die „DÖP“-T-Shirts stehen ausgerechnet schwarze Menschen.
Verkaufsmodelle, die Gerichte beschäftigen
Weniger rechtsradikal bis rechtsextrem, dafür aber im verschwörerischen Milieu zu verorten, geht es bei einem weiteren Produkt des „Quersender“-Shops von Evers und Brendel zu. Geworben wird dort unter anderem auf Tassen für die Internet-Seite Beitragsblocker.de – einer Plattform des Unternehmers Markus Bönig. Wer 55,08 Euro an Bönig bezahlt, erhält mehrere Schreiben, mit dem man vom GEZ-Beitrag befreit sein soll. Juristen halten das Angebot für unseriös und wirkungslos. Bönig wird von „Mutterkuchen“ und dem „Medienfuzzi“ prominent beworben.
Bönig verkaufte über seine Firma auch Impfunfähigkeitsbescheinigungen. Außerdem vertrieb er Zertifikate, die Käufer fälschlicherweise als Schwerhörige auszeichnen und damit von der Maskenpflicht befreien sollten. Mehrere gerichtliche Verfahren laufen gegen den 50-Jährigen, der mit seinem Stiftungskonstrukt mittlerweile in die Niederlande geflüchtet ist.
Vom Backförmchenunternehmer kein Kommentar
Evers lehnte eine Stellungnahme zu allen erwähnten Beispielen pauschal ab: „Ich möchte betonen, dass ich mich zu meinen unternehmerischen Tätigkeiten nicht äußern werde. Als Kreisrat habe ich Presseanfragen beantwortet, jedoch mache ich einen klaren Unterschied zwischen meiner damaligen öffentlichen Rolle und meinen privaten und beruflichen Angelegenheiten.“ Die Antwort, weshalb seine Firma neben einer Backform Waren mit rechtsextremen Codes verkauft, bleibt er damit schuldig.