Über einem Keller sind mächtige Mauern gefunden worden. Foto: Landesamt für Denkmalpflege

Die Denkmalpflege jubelt, denn erstmals konnte die einstige Altenburg in Bad Cannstatt genauer lokalisiert werden. Außerdem fanden sich bei den Grabungen aufschlussreiche Gegenstände wie Waffen und Schmuck. Die Stadt Stuttgart weiß aber noch nicht, wie man damit umgehen könnte.

Stuttgart - Das Landesamt für Denkmalpflege kann die archäologischen Funde gar nicht genug preisen: Bei Grabungen in der Neckarvorstadt sind Gräber entdeckt worden, die die politisch-gesellschaftlichen Verhältnisse an diesem Neckarabschnitt im sechsten und siebten Jahrhundert nach Christus illustrieren könnten. Das archäologische Grabungspersonal legte zudem Reste einer rund zwei Meter dicken Mauer frei, bei denen es sich um Fundamentreste der einstigen mittelalterlichen Burg handeln soll.

Die sogenannte Altenburg geistert somit nicht mehr bloß durch Straßen- und Ortsnamen oder durch stadtgeschichtliche Texte. Spekulationen, dass es sie gar nicht gab oder dass sie an anderer Stelle stand, scheinen ausgeräumt. „Wir können die Burg endlich nachweisen“, sagt Oberkonservator Andreas Thiel. Da am Ort der Funde demnächst aber 20 Eigentumswohnungen anstelle des Evangelischen Steig-Gemeindezentrums gebaut werden, gab Thiel der Stadtverwaltung und den Stadträten auch eine harte Nuss zu knacken: zu klären, wo und wie diese geschichtlichen Zeugnisse präsentiert werden sollen.

Stadtverwaltung wartet noch ab

Die CDU nahm den Ball auf und fragte im Rathaus nach dem möglichen Umgang mit der sensationellen Entdeckung. Die Funde „könnten im Rahmen einer Sonderausstellung im Stadtmuseum Bad Cannstatt gezeigt werden“, schrieb OB Fritz Kuhn (Grüne) danach. Eine Sonderausstellung reiche eigentlich nicht aus, meint Stadtrat Philipp Hill nun, er verstehe die Antwort aber auch nur als Zwischenbescheid. Denn Kuhn notierte auch, die Grabungen gingen weiter, die Funde seien noch nicht komplett. Schon bisher aber sind die Archäologen in unerwartetem Maß fündig geworden, als sie das Gelände sezierten. Ende März 2016 hatten sie losgelegt. In den folgenden Monaten fanden sie Reste eines Kellers aus römischer Zeit. Mit dergleichen hatten sie gerechnet, denn im zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus hatte hier in der späteren Cannstatter Neckarvorstadt eine Römersiedlung existiert, die eingebunden war in überörtliche Handelswege. Bis heute heißt die Nachbarschaft Römerkastell.

Massive Mauerreste aus dem Mittelalter

Unerwartet entdeckten die Archäologen aber auch Gräber aus dem sechsten oder siebten Jahrhundert, der alemannischen Ära, mit 25 Skeletten und Grabbeigaben. So fanden sich Eisenwaffen, Gefäße, Schnallen aus Bronze, Eisen und Silber, Frauenschmuck und Münzen. Möglicherweise, sagt Thiel, habe man es bei den Bestatteten mit Angehörigen der Oberschicht aus dem Raum Aachen oder dem heutigen Belgien zu tun, die der Frankenkönig in die Provinz Cannstatt entsandt hatte. Oder mit Alemannen, die neue Moden übernommen hatten. Genauer soll das noch 2017 eine Isotopenuntersuchung von Zähnen klären. Damit kann man nachverfolgen, in welcher Gegend diese Menschen in jungen Jahren ihr Trinkwasser schöpften. Spurenelemente, die gespeichert wurden, weisen den Weg. „Die größere Sensation“ bei den Funden seien die Reste eines zwei Meter dicken Mauerwerks, das über dem römischen Keller verlaufe, sagt Thiel: „Wir glauben, wir haben die Fundamente der alten Burg, also der Altenburg, gefunden.“ Dabei hat es sich wohl um einen befestigten Wohnturm gehandelt. Von der Burg war im zwölften Jahrhundert die Rede, im 13. Jahrhundert dürfte sie zerstört worden sein. Zeitweilig könnte sie Herzogssitz gewesen sein. „Die Keimzelle der Landeshauptstadt liegt also leider in Bad Cannstatt“, sagt Thiel augenzwinkernd, wissend um traditionelle Neckereien zwischen Cannstattern und Stuttgartern.

Den Fund von Mauerresten, die Aufschluss über den Grundriss der Altenburg geben könnten, und von weiteren Gräbern erwartet sich Thiel auch bei den noch ausstehenden Grabungen in dem Bereich, wo im Moment noch das Gemeindehaus steht, das aber in Kürze fallen wird. Sollten dann in einem Grab gar die Überreste von mehreren gemeuchelten jungen Männern aus der Zeit von 746 nach Christus gefunden werden, wäre der archäologische Glücksfall perfekt: Dann würde auch das Blutgericht zu Cannstatt mehr und mehr zur Gewissheit werden, bei dem der damalige Frankenkönig angeblich die alemannische Oberschicht niedermetzeln ließ. Aber schon jetzt stellt sich die Frage, wie die Funde dauerhaft präsent bleiben. Der Wohnungsbau, der auf den Rückzug der Steig-Gemeinde folgen soll, ist längst genehmigt. Er wird kommen. Was geschieht dann mit den Fundsachen?

Die beweglichen Gegenstände würden von der Qualität her für ein Museum taugen, es mengenmäßig aber nicht füllen, sagt Thiel. Sie seien nach dem Gesetz Eigentum des Landes und für das archäologische Landesmuseum oder dessen Archiv bestimmt. Er könne sich aber vorstellen, dass sie als Leihgaben an die Stadt gelangen könnten.