Eine Pilz-Mitarbeiterin bestückt eine sogenannte SMD-Linie mit neuen Elektronikbauteilen. Foto: Pilz

Elektroautos, digital vernetzte Maschinen und Heizungen, die per App gesteuert werden – in allen modernen Geräten steckt Elektronik. Erste Unternehmen hamstern die begehrten Bauteile.

Stuttgart - Den deutschen Maschinenbauern und den Zulieferern drohen massive Lieferengpässe und höhere Einkaufspreise bei zentralen Zukunftstechnologien. Da Komponenten wie Halbleiter und elektronische Bauelemente fehlen, kommt es bei vereinzelten baden-württembergischen Maschinenbauern zu Lieferverzögerungen von drei bis zu neun Monaten, bestätigte Dietrich Birk, Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbands VDMA in Stuttgart, unserer Zeitung. Beim Sicherheitsspezialisten Pilz in Ostfildern- Nellingen sind die Lieferzeiten für einige Bauteile sogar auf teilweise zwei Jahre gestiegen, sagte der geschäftsführende Gesellschafter Thomas Pilz. Auch Bosch bestätigt, dass es „eine Verknappung auf dem Weltmarkt bei bestimmten elektronischen Bauteilen“ gibt, ohne konkret zu werden.

Verschärft werde die Knappheit, weil elektronische Komponenten „von vielen Abnehmerbranchen stark auf Vorrat gekauft“ werden, sagte Birk. „Damit einher gehen deutliche Preissteigerungen mancher Zulieferer.“ Aber nicht nur bei elektronischen Komponenten droht eine Verknappung, ähnliche Entwicklungen gibt es auch in anderen Bereichen wie etwa den Kunststoffgranulaten, so Pilz. Maschinenbau und Autoindustrie sind Schlüsselindustrien im Südwesten; die exportorientierten Vorzeigebranchen sind wichtig für den Wohlstand des Landes.

Immer neue Smartphone-Modelle

Die Verknappung liegt nicht zuletzt am boomenden Smartphone-Markt, erläutert Robert Bauer, der Chef des Sensorherstellers Sick. Der Wettbewerb unter Herstellern wie Apple und Samsung habe sich verschärft. Die Folge davon sei, dass sie in immer kürzeren Zeitabständen neue Smartphone-Modelle auf den Markt bringen.

Aber auch bei anderen Technologien wie Robotern, digital vernetzten Maschinen, elektrischen und (teil-)autonom fahrenden Autos und Heizungen, die per Smartphone-App gesteuert werden, ist der Bedarf an elektronischen Bauelementen in die Höhe geschossen. Wie enorm der Bedarf ist, macht Reinhard Ploss deutlich. „Rund 90 Prozent der Innovationen im Fahrzeug beruhen mittlerweile auf Elektronik. Das wird nach Einschätzung von Experten auch in den kommenden Jahren so bleiben. Das Auto wird dadurch immer komfortabler, immer sicherer und immer umweltfreundlicher“, sagte der Infineon-Chef vor Kurzem. Elektroautos – sowohl batteriebetriebene als auch Hybride – würden 15-mal mehr Elektronikbauteile benötigen als Autos mit Verbrenner, heißt es bei Infineon. Und in einer Werkzeugmaschine habe sich der Anteil der elektronischen Bauteile, gemessen an den Herstellungskosten, auf bis zu 20 Prozent erhöht; vor 20 bis 30 Jahren habe der Anteil noch bei zehn Prozent gelegen, sagt Patrick Rimlinger, Geschäftsführer der Werkzeugmaschinenfabrik Heller in Nürtingen.

Infineon baut Kapazitäten aus

Eine kurzfristige Lösung des Problems ist nicht absehbar. Bei den Herstellern elektronischer Bauteile weltweit sind die Produktionskapazitäten wegen der hohen Nachfrage derzeit voll ausgelastet. Das bestätigt etwa der Chiphersteller Infineon. Die frühere Siemens-Tochter investiere seit Langem in den Aufbau neuer Kapazitäten, sagt ein Unternehmenssprecher. Seit 2011 würden in Dresden die Kapazitäten ausgebaut. Doch das braucht Zeit. Erst in drei bis fünf Jahren würde die maximale Kapazität zur Verfügung stehen, sagt ein Infineon-Sprecher. Dass es nicht schneller geht, hat wiederum mit dem Maschinenbau zu tun, der – wegen des Bauteilemangels – die benötigten Maschinen nicht schnell genug liefern kann, sagt Sick-Chef Bauer.

Die Unternehmen versuchen die Auswirkungen zu begrenzen. „Der Maschinenbau in Deutschland versucht diese Engpässe über ein diversifiziertes, gutes Lieferantenmanagement sowie ein hohes Maß an Flexibilität und Zusatzarbeit aufzufangen“, sagt Dietrich Birk. Sick hat sich für ein „intelligentes Vorratsmanagement“ entschieden – und das Lager ausgebaut. Der Zulieferer ZF, der Komponenten meist aus Asien bezieht, will Engpässen vorbeugen und setzt „auf mehrere Beschaffungsquellen pro Bauteil“.