Das Deutsche Rote Kreuz im Einsatz Foto: picture alliance / Bernd Weißbro/d

Die Ortsvereine des Roten Kreuzes im Kreis Ludwigsburg haben es nicht leicht. Sie kommen bei der Anzahl der Sanitätsdienste nicht mehr hinterher. So werden etwa bei den Kornwestheimer BMX-Meisterschaften Helfer aus Hessen im Einsatz sein.

Was Karin Gebauer-Pavokovic da zu berichten hatte, hörte sich fast absurd an. Die BMX-Abteilungsleiterin der Skizunft Kornwestheim telefonierte sich in den vergangenen Wochen und Monaten die Finger wund. Sie war auf der Suche nach einem Sanitätsdienst für die süddeutschen BMX-Meisterschaften, die an diesem Wochenende auf der Kornwestheimer Bahn über die Bühne gegangen sind. Aber keiner hatte das Personal oder die Zeit dafür, weder der Kornwestheimer Ortsverband des Deutschen Roten Kreuzes, noch der Kreisverband Ludwigsburg oder private Anbieter wie der ASB – nirgends waren acht Sanitäter plus Arzt und die dazugehörigen Fahrzeuge für die beiden Wettkampftage aufzutreiben. Hilfe kam schließlich aus dem hessischen Ahnatal. Dort gibt es ebenfalls eine BMX-Strecke und einen Verein, der den Kontakt zu den dortigen Helfern herstellte. Sie verrichteten am Wochenende an der BMX-Piste ihren Dienst.

Es mangelt an Freiwilligen

„Solche Probleme zeigen sich landesweit“, sagt Karl-Hermann Roesch, Vorsitzender des Kornwestheimer DRK-Ortsvereins. Die Schwierigkeiten der Helfer, Personal zu aktivieren, sei eine unmittelbare Nachwirkung von Corona. „Viele, vor allem Jüngere, haben sich zurückgezogen und gemerkt, dass das so ganz schön ist“, sagt er. Das beeinträchtige zwar nicht die Einsatzfähigkeit im Katastrophenfall. „Wenn der Melder geht, kommen sie.“ Nur bei freiwilligen Aufgaben, da hapere es, so Karl Hermann Roesch. Und unter „freiwillige Aufgaben“ fällt eben auch die Betreuung von Veranstaltungen.

Ist eine solche Situation also in Zukunft die Regel? Als „absoluten Sonderfall“, entstanden durch eine Verquickung von allen möglichen Umständen, beschreibt Steffen Schassberger, Bereichsleiter der Rotkreuzdienste im Kreis Ludwigsburg, das Skizunft-Dilemma. Dass der Ortsverein Kornwestheim an diesem Tag bereits gebunden war und die Anfrage ablehnen musste, sei an sich nichts Außergewöhnliches. Dass aber auch alle befreundeten Ortsvereine sowie der Kreisverband an diesem Wochenende ebenfalls komplett ausgebucht waren, schon. „Wir haben dann frühzeitig versucht, die Skizunft zu unterstützen und auf einen Privatanbieter wie ASB, Malteser oder Johanniter auszuweichen. Aber auch bei diesen hatten wir schlichtweg keine Chance“, so Schassberger. Dies sei eine spezielle Situation, die man so sonst nicht erlebe.

Zahl der Veranstaltungen steigt stark

Neben dem von Roesch ins Spiel gebrachten Freiwilligenmangel beobachtet DRK-Bereichsleiter Schassberger derzeit noch ein weiteres Phänomen: einen massiven Anstieg der Sanitätsdienste für Veranstaltungen. Und zwar im Vergleich zu Vor-Corona-Zeiten. „Man hat das Gefühl, dass sich aktuell alle Veranstaltungen, die sonst von April bis Oktober stattgefunden haben, noch vor den Sommerferien ballen. So nach dem Motto: Jetzt noch schnell, bevor die Welle wieder zuschlägt“, sagt Schassberger. Aus diesem Grund seien die Ortsvereine sowie der Kreisverband aktuell extrem ausgelastet. Anstelle von einer einzigen Veranstaltung am Wochenende hätte ein Ortsverband jetzt oftmals zwei oder drei zu besetzen. „Wir bekommen in der Regel aber alles hin. Wir haben ja auch ein gutes Netzwerk und arbeiten gut mit anderen Kreisverbänden zusammen“, erklärt er. Allerdings berichtet Karl-Hermann Roesch auch von anderen Beobachtungen. Beim Ludwigsburger Citylauf am vergangenen Wochenende hatte er als Arzt einen Dienst übernommen. „Da waren Helfer aus vier Ortsvereinen dabei, weil es anders nicht geklappt hätte“, sagt er.

Beim Blick nach Marbach etwa bestätigt sich Karl-Hermann Roeschs Eindruck: „Bislang konnten wir alle Veranstaltungen absichern“, sagt der dortige DRK-Bereitschaftsleiter Thomas Holzwarth, „aber ich habe auch schon beim Kreisverband und zusätzlich bei drei Ortsvereinen im Rems-Murr-Kreis Unterstützung anfragen müssen.“ Eigentlich habe man viel zu wenig Leute in den Reihen.

So sind es zwei Hauptfaktoren, die zusammenkommen: Freiwilligen-Mangel und Veranstaltungsschwemme. „Einer davon hätte wahrscheinlich nicht so große Auswirkungen“, sagt Karl-Hermann Roesch, aber alle auf einmal machen uns wirklich das Leben schwer.“

Wie sieht die Zukunft aus?

Mit Blick auf die kommenden Jahre, in denen die Veranstaltungen vielleicht ähnlich geballt sein könnten, arbeitet man im Kreis aktuell an einem Konzept, um die Unterstützungsanfragen der Ortsvereine besser zu kanalisieren. „Bislang läuft so etwas eher nebenher. Nun wollen wir das Thema mehr in den Fokus rücken und den Ehrenamtlichen in den Ortsvereinen bei der Organisation mehr den Rücken freihalten“, sagt Schassberger. Darüber dürften sich die Ortsvereine in ihrer Personalnot freuen.

Wie könnte eine Lösung aussehen?

„Andere Ortsvereine bezahlen ihre Helfer aus“, sagt Karl-Hermann Roesch. Über diese Möglichkeit spreche man zurzeit auch im Vorstand der Kornwestheimer. Denkbar sei zum Beispiel eine Einsatzpauschale ähnlich wie bei der Feuerwehr. Das würde wiederum bedeuten, dass die Kosten für die Veranstalter steigen, die den Sanitätsdienst bezahlen müssen. Ob dies künftig ein gangbarer Weg ist, wird sich zeigen müssen. Und ob er ein weiteres Problem löst, das Roesch festgestellt hat, ebenfalls: „Es kommt natürlich auch immer darauf an, um welche Art der Veranstaltung es sich handelt. Es gibt selbstverständlich auch Präferenzen bei den Helfern.“ Und bei manchen Events seien die Listen erfahrungsgemäß nicht so gut gefüllt wie bei anderen.