In Baden-Württemberg haben Kinder seit 2003 von der ersten Klasse an Fremdsprachenunterricht. Das Konzept ist bisher nicht aufgegangen. (Symbolfoto) Foto: dpa

Nach den schlechten Ergebnisse der jüngsten Bildungsstudien steht nach der Rechtschreibung in der Grundschule nun auch die Effizienz des Englischunterrichts ab Klasse eins auf dem Prüfstand.

Stuttgart - Verbände im Südwesten wollen in der Debatte um den Fremdsprachenunterricht ab Klasse eins Englisch nicht ganz aus der Grundschule verbannen. Sie könnten aber damit leben, wenn der Unterricht wie in vielen anderen Bundesländern erst in Klasse drei starte - sofern die bisher in den ersten beiden Jahren verwendeten Stunden nicht entfielen, hieß es beim Landeselternbeirat, beim Philologenverband und beim Lehrerverband VBE.

Die Landesregierung stellt die seit 2003 bestehende Regelung des frühen Fremdsprachenunterrichts derzeit in Frage. „Wir prüfen tatsächlich, inwiefern Englisch und entlang der Rheinschiene Französisch für alle Grundschüler sinnvoll sind“, sagte die baden-württembergische Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) dem „Mannheimer Morgen“ und der „Heilbronner Stimme“ (Mittwoch).

Beginn erst in der dritten Klasse?

Grundschulen sollen aus Sicht des Lehrerverbandes VBE den unbefangenen Umgang von jungen Schülern mit Fremdsprachen nutzen. „Das Sprachenlernen macht ihnen in diesem Alter mehr Spaß als den Fünftklässlern“, sagte der VBE-Sprecher Michael Gomolzig am Mittwoch in Stuttgart. Er könne sich höchstens vorstellen, dass mit der Fremdsprache nicht mehr in der ersten, sondern erst in der dritten Klasse begonnen wird - aber nur, wenn insgesamt keine Stunden gestrichen würden.

Auch der Landeselternbeirat äußerte sich skeptisch zu einem kompletten Verzicht auf Fremdsprachen in der Grundschule, weil zu befürchten sei, dass die Stunden dann endgültig wegfielen. „Denn Baden-Württemberg ist eines der Länder, das am wenigsten für Grundschulen ausgibt“, sagte Landeschef Carsten Rees. Es gehe in der Frage nicht um „ganz oder gar nicht“. Er könne sich mit dem Start in der dritten Klasse abfinden. Anders als in der bisherigen Praxis, in diesem Fach allein auf das Sprachbad zu setzen, müssten dann aber wenigstens Vokabeln gelernt werden. „Beim Sprachenlernen ist auch Mühe dabei.“

Bislang werden im Englischunterricht in Grundschulen keine Noten vergeben, keine Klassenarbeiten geschrieben und keine Vokabeln gepaukt. Das Ministerium versicherte, dass die Stunden im Fall einer Änderung der bisherigen Praxis den Grundschulen erhalten blieben.

Baden-Württemberg führte als erstes Bundesland Englisch ab Klasse eins ein

Aus Sicht des Philologenverbandes wäre es besser, den Sprachunterricht in der dritten Klasse zu beginnen, dann aber fundierter und intensiver. Der Nutzen gehöre über zehn Jahre nach dem Start des frühen Fremdsprachenunterrichts in einer Evaluation durchleuchtet, forderte Landeschef Bernd Saur. Aus Sicht des Gymnasiums sei es misslich, dass die Kinder mit völlig unterschiedlichen Wissensständen in die fünfte Klasse kämen und der Lehrer erstmal alle auf ein Niveau bringen müsse. Er begrüße die Initiative der Ministerin, sagte Saur.

Baden-Württemberg hatte 2003 als erstes Bundesland für alle Erstklässler den Englischunterricht und nahe der Grenze zu Frankreich den Französischunterricht eingeführt. Nach Angaben des Goethe-Instituts wird Englisch ab Klasse eins in Rheinland-Pfalz seit 2005/2006 und in Nordrhein-Westfalen seit 2008/2009 unterrichtet. In den anderen Ländern gibt es regionale Initiativen für den Beginn ab Klasse eins oder Schulversuche in einzelnen Grundschulen.

Entscheidungen zu dem Thema solle es aber erst im Frühjahr nach Gesprächen mit Experten und Praktikern geben, betonte das Kultusministerium. Die ergebnisoffene Analyse werde auf Anregung und in Abstimmung mit Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vorgenommen.

Effekt verpufft in der 5. Klasse

Die Ministerin erläuterte ihre Motivation: „Nach den Ergebnissen in den Vergleichsstudien IQB und Vera 8 haben wir begonnen darüber nachzudenken, wie der Deutsch- beziehungsweise der Mathematikunterricht weiter gestärkt werden kann.“ Die Studien bescheinigten den Schülern Defizite im Fach Deutsch. Dabei müsse geklärt werden, ob die Mittel für den frühen Fremdsprachenerwerb nicht für eine bessere Grundbildung in den Fächern Deutsch und Rechnen eingesetzt werden könnten. „Die Analyse ist also auch eine Abwägung von Aufwand und Ertrag“, sagte Eisenmann.

Außerdem werde ihr aus den weiterführenden Schulen rückgemeldet, dass der Effekt des Fremdsprachenunterrichts in den Grundschulen - im Vergleich zu Kindern, die ihn nicht genossen haben - bereits nach wenigen Wochen aufgebraucht sei. „Der Nutzen scheint nicht sehr groß zu sein“, betonte auch Saur, der am Gymnasium Englisch unterrichtet.