Den Beatles in Liverpool auf der Spur. Foto: Steffen Schmid

Vor 50 Jahren haben sich die Beatles gegründet, vor 40 aufgelöst. Eine Reise an den Ursprung.

Vor 50 Jahren haben sich die Beatles gegründet, vor 40 Jahren aufgelöst. Es ist an der Zeit dahin zu reisen, wo alles begann: nach Liverpool.

George grinst, klatscht in die feisten Hände und hebt sein trübes Pint in die Höhe. Zum 60. bekommt er ein Ständchen. Er hat uns nicht eingeladen. Wir singen trotzdem mit. Mädchen in sehr kurzen Kleidchen tanzen zu "Twist And Shout", klatschen bei "Eight Days A Week" taktgenau in die Hände. Die Tische kleben vom Bier. Von der Toilette weht der Duft vom Desinfektionsmittel herüber. Das ist er also: der berühmte Cavern Club in Liverpool. 292-mal sollen die Beatles hier aufgetreten sein. Sie hatten die Mittagsslots. Zum Trinken gingen sie in den Pub Grapes nebenan, weil Anfang der Sechziger im Cavern Club kein Alkohol ausgeschenkt wurde. Es ist Beatles-Tag. Überall gibt es Konzerte. Dicke Engländer kaufen sich schwarze Plastikperücken. Ganz nach dem Motto: Heute ein Pilz! Die Stadt scheint eine einzige Karaokeparty zu sein. Auf einmal wird man eins mit der polymorphen Masse. Man reißt die Arme in die Höhe und singt lauthals mit.

FERRY, CROSS THE MERSEY

Es ist die Hymne der Liverpooler. Der Song für den trüben Fluss, geschrieben von Gerry and The Pacemakers. Es ist ein Song für die Menschen hier, die dickköpfig und etwas ruppig sind – und einen eigentümlichen Dialekt sprechen: "Scouse", ein irisch geprägtes Englisch. Manche Wörter haben ganz eigene Bedeutungen: "La" (wie etwa in "Ob-la-di-ob-la-da") ist die Kurzform von Freund.

Liverpool ist eine Pop- und Studentenstadt. Die gefragteste Schule ist Paul McCartneys Liverpool Institute for Performing Arts– kurz LIPA. Liverpool ist ein bisschen wie Little London. Der Bahnhof Lime Street ist eine kleine Ausgabe der Liverpool Street Station in London. Die imposanten Museumsgebäude mit den steinernen Löwen erinnern an den Londoner Trafalgar Square, das Echo Wheel ist eine kleinere Ausgabe des Riesenrads Millenium Wheel. Und doch ist Liverpool anders. Es ist ein Gegenpol zu London. Nicht so großstädtisch, nicht so kosmopolitisch – und ein bisschen verrückt. Verrückt nach den Beatles.

Liverpool ist klein. Alles ist zu Fuß zu erreichen. Es gibt kein langes Warten auf den Bus. Kein Gedränge in der Bahn. "Es gibt keine Stadt in England, London vielleicht noch, die so schöne Straßen und so elegante Häuser hat", hat der Schriftsteller Daniel Defoe gesagt. Liverpool ist eine Hafenmetropole, keine Industriestadt, wie es sie sonst im Nordwesten Englands gibt. Es ist ein Multikulti Melting Pot: Nicht nur Iren, Waliser, Griechen, Dänen und Schweden sind hier gestrandet. "Liverpool hat tolle schwarze Künstler", sagt Mike Brocken, der an der Liverpool Hope University einen Beatles-Master-Studiengang ins Leben gerufen hat. Dennoch: "Jede Band, die nicht aus vier weißen Typen besteht, hat es schwer." Aus Liverpool kommen Künstler wie The Coral oder Ladytron. Weltberühmt aber wurden die Beatles.

SHE LOVES YOU, YEAH YEAH YEAH

Es besteht eine Hassliebe zwischen den Bewohnern und der berühmten Band. Nicht alle Liverpudlians sind stolz auf ihre fantastischen vier, die ihre Heimat schon früh in Richtung London verlassen haben. "Was hätten sie sonst im Jahr 1962 machen sollen?", sagt dagegen Mike Brocken und lacht. Die Beatles sind ein Mythos, von dem eine Stadt wie Liverpool immer noch zehren kann. Die Touristen fotografieren sich neben der John-Lennon-Statue in der Mathew Street. Sie lassen sich von Julia Baird, John Lennons Schwester, ihr Buch "Imagine this – Growing Up With John Lennon" signieren. Baird weiß, wie wichtig die Beatles für die Stadt waren und sind. "They took Liverpool by storm", sagt sie. Einen Satz, den man nicht Wort für Wort übersetzen kann. "Es ist gut, dass es die Beatles und den Fußball gibt, die die Touristen hierher bringen." Dann könne man zeigen, dass Liverpool mehr zu bieten habe: Kultur, Museen, ein tolles Nachtleben.

Liverpool feiert gerne. Im Wagamama stärken sich Twentysomethings mit Nudelsuppen für die Nacht. Vom niegelnagelneuen Einkaufsmonstrum Liverpool One dauert es zu Fuß nur zwei Beatles-Lieder bis zum Cavern Quarter, dem Beatles-Viertel. Um die Ecke ist das Hard Days Night Hotel. Von dessen über 100 Jahre alter Fassade grüßen die Beatles, wer sonst, überlebensgroß. Auf der Karte stehen Cocktails wie etwa Strawberry Fields With Pepper. Aus den Boxen kommt "While My Guitar Gently Weeps".

Im Pilzkopf-Museum, "The Beatles Story", am schnieken Albert Dock kann man die Geschichte der Beatles noch einmal erleben. Jennifer ist mit ihrer Mutter zum Beatles-Day gekommen. Und gibt sich das Vollprogramm: Sie nächtigt im Hard Days Night Hotel und hat die Magical Mystery Tour gebucht.

I’VE GOT A TICKET TO RIDE

In einem leicht verratzten, knallbunten Bus geht es los. Adrian unterhält die 50 Mitreisenden aus Reading und den Niederlanden, aus Mexiko und Los Angeles. "You want some music?" – "Yeah" – "Rolling Stones?" – "No!"– Und jetzt alle: "Magical Mystery Tour". Entlang der Penny Lane mit dem Frisörgeschäft, das John Lennon aufsuchte, der Kirche, in der Paul McCartney als kleiner Bub sang. Im Vorort Woolton Village sind auch die "Strawberry Fields". Hinter dem verschnörkelten, roten Tor befand sich ein Waisenhaus, in dessen Garten John Lennon als Kind Verstecken gespielt hat. Leere Chipstüten liegen im Laub. Die Zukunft des Anwesens mit viktorianischem Herrenhaus ist ungewiss, ein Investor ist noch nicht gefunden. Die Geburtshäuser von John Lennon und Paul McCartney gehören inzwischen zum Glück dem National Trust. Der Beatles-Tourismus begann erst mit dem Tod von Lennon, erzählt unser Guide Adrian, da wurde Liverpool wachgerüttelt. Der Cavern Club wurde ein paar Meter weiter wieder aufgebaut, originalgetreu, aus 15000 Backsteinen. Drum herum in der kurzen Gasse Mathew Street folgt Bar auf Bar.

Das Nachtleben in Liverpool ist etwas verrückt. Man feiert ausgelassener als anderswo. Aus den Bars dröhnt 90er-Jahre-House, wie man es schon lange nicht mehr gehört hat. "Scousehouse" wird es genannt. Die Frauenlider sind papageienbunt bemalt. Viele Junggesellinnenabschiede werden im Cavern-Viertel gefeiert. Ein paar Engländerinnen in neonpinkfarbenen Tutus singen mit dem Straßenmusikanten, tanzen kreiselnd auf den Pflastersteinen in so hohen Schuhen, wie man sie nur aus Model-Casting-Shows kennt. Sie singen "Wonderwall". Von Oasis. 

Auf den Spuren der Beatles in Liverpool

Anreise/ Information
Lufthansa fliegt bis Manchester, mit dem Zug nach Liverpool (einfach 7 Pfund). www.visitengland.de 

Unterkunft
Parr Street Studios, 33–45 Parr Street, Liverpool, www.parrstreet.co.uk. Bar, Restaurant, Studio und Hotel, DZ ab 80 Euro. Hard Days Night Hotel, North John Street, Liverpool, DZ ab 140 Euro. Beatles-Hotel, www.harddaysnighthotel.com

Preise
Essen im Pub (für zwei)20 Euro
Bier3 Euro

Was man tun und lassen sollte
Auf jeden Fall ein Pint im Philharmonic Pub (36 Hope Street) mit der schönsten Herrentoilette Englands trinken. Das wilde Partytreiben in der Mathew Street bestaunen. Die Tate Liverpool besuchen. Eine Fährfahrt über den Mersey machen. Auf keinen Fall drängeln. Und kein Bier auf der Straße konsumieren. Das kostet 500 Pfund Strafe.

Auf Beatles-Tour:
Vom 25. bis 31 August ist Beatles Week in Liverpool. Die Magical Mystery Tour kann man bei der Tourist Information buchen. The Cavern Club (10 Mathew Street, Liverpool, www.cavernclub.org), berühmtester Club der Welt. The Beatles Story, Museum im Albert Dock am Hafen, www.beatlesstory.com

Buchtipps
City Trip Liverpool (Reise-Know-how); Mit John Lennon durch Liverpool (Ein Reise-Geister-Buch, traveldiary.de, 12,80 Euro); Liverpool – Auf den Spuren der Beatles (Goldfinch Verlag, 8,90 Euro)