Für die Autofahrer unsichtbar, wird in den Abluft- und Medienkanälen unter der Tunnelfahrbahn bereits seit Monaten gearbeitet. Fotos: Foto: SDMG

Im Frühjahr beginnen Bauarbeiten im Engelbergtunnel. Bis 2024 wird die Verkehrsführung geändert.

Leonberg - Der Engelbergtunnel soll nicht für fünf Jahre wegen Bauarbeiten zu einem Nadelöhr werden und damit Autofahrer veranlassen, ihren Weg durch Leonberg, Ditzingen und Gerlingen zu nehmen. Schließlich rollen täglich 110 000 Fahrzeuge, davon sind 15 Prozent Lastwagen, durch die Röhren. Die Kommunen stünden vor dem Kollaps.

„Die Arbeiten sind aber so geplant, dass tagsüber während der gesamten Bauzeit bis zum Mai 2024 kein Fahrstreifen gesperrt wird.“ Das hat Reinhold Frenzl am Freitag bei einem Treffen mit dem Leonberger Oberbürgermeister Martin Georg Cohn und dem Gerlinger Bürgermeister Georg Brenner bekräftigt – Ditzingens Oberbürgermeister Michael Makurath hatte kurzfristig absagen müssen. Reinhold Frenzl ist der Leiter des vor vier Jahren gegründeten Baureferats Großprojekte im Stuttgarter Regierungspräsidium. „Bis zum Bauende im Mai 2024 werden am Tag alle sechs vorhandenen Fahrstreifen bestehen bleiben“, sagte er weiter. Lediglich die Fahrstreifenbreiten würden eingeschränkt. Gesperrt würden allenfalls einzelne Fahrstreifen, und dies ausschließlich in der verkehrsärmeren Zeit von 20 bis 5 Uhr.

Das Problem heißt Anhydrit

Der Grund für die Arbeiten: Auf 175 Metern des 2,5 Kilometer langen Engelbergtunnels gibts ein Problem: das Anhydrit. Dieses Gestein, aus dem Gips gewonnen wird, hat die Eigenschaft, sich bei Kontakt mit Wasser schnell und stark auszudehnen – und damit das Bauwerk anzuheben. Das wusste man auch, als 1995 mit dem Bau der Röhren begonnen wurde. Sie sind nicht rund, sondern haben eher eine ovale Form. So wurden die Tunnelwände seinerzeit im Anhydrit-Bereich an der Sohle aus drei Meter dickem Beton gegossen, und selbst an der Decke sind die Röhren noch einen Meter dick. Doch der Druck auf die Wände des Tunnels ist immens, die 50 Zentimeter dicke Fahrbahn verformte sich.

Das Modell zeigt: Die Tunnelwände und die Fahrbahn werden verstärkt und eine stählerne Zwischendecke wird eingebaut. Foto: SDMG/Dettenmeyer
Während der Sanierung wird auch die komplette Betriebs- und Sicherheitstechnik der beiden Tunnelröhren auf den neuesten Stand gebracht. Außerdem werden alterstypische Schäden im Tunnel beseitigt. Eine Arbeitsgemeinschaft aus den drei Firmen Baresel, Leonhard Weiß und PKE Verkehrstechnik aus Österreich ist mit den Arbeiten betraut. Die erste Bauphase ist in vollen Gange, verläuft aber unsichtbar für die Autofahrer, denn es wird unter der Fahrbahn gearbeitet. Somit sind keine Eingriffe notwendig, obwohl rund um die Uhr in Tag- und Nachtarbeit an sieben Tagen in der Woche gearbeitet wird. Die erste Bauphase hat im September begonnen, bisher ohne große Auswirkungen auf den Verkehr. Die Kosten für die Arbeiten belaufen sich auf rund 130 Millionen Euro, sie werden vom Bund getragen.

Im Frühjahr wird zunächst in der Weströhre mit den Bauarbeiten begonnen. Wie das organisatorisch, technisch und verkehrlich funktionieren soll, hat Enrico Hinz, der Projektleiter, erläutert. Um die Bauzeit geringer zu halten, wird rund um die Uhr gearbeitet. Parallel zu den Sanierungsarbeiten wird auch die Betriebstechnik erneuert. „Die alte wird nur abgeschaltet, wenn gewährleistet ist, dass die neue hundertprozentig funktioniert und alles im Tunnelsimulator in der Autobahnmeisterei in Ludwigsburg getestet ist“, sagt der Projektleiter Hinz. „Bei der Bauzeitüberschreitung sind hohe Vertragsstrafen fällig – das gab es in Baden-Württemberg noch nie“, ergänzte Reinhold Frenzl.

Für die Arbeiten muss in den Verkehr eingegriffen werden. Die Baustelle wird eingehaust, damit die Autofahrer nicht abgelenkt werden und die Bauarbeiter eine höhere Sicherheit haben. Das führt dazu, dass eine Spur in der Weströhre nicht mehr von den Autos genutzt werden kann. Um trotzdem die versprochenen sechs Fahrspuren zu erhalten, blieben zwei Spuren in dieser Röhre. Eine Fahrbahn in Richtung München wird in die Oströhre verlegt. Deren eigentliche Fahrspuren bleiben erhalten, allerdings sind sie dann etwas schmaler.

Verkehr soll auf der Autobahn bleiben

Oberste Priorität habe es, den Verkehr auf der Autobahn zu halten und ihn nicht über das Straßennetz des Umlands abzuleiten, sagten sowohl der Projektleiter Hinz als auch der Leiter des Baureferats Großprojekte, Frenzl. Dazu sollen die Autofahrer sowohl über die überregionalen als auch die regionalen Anzeigen für die Beeinflussung des Verkehrs ab den Autobahnkreuzen Walldorf und Weinsberg und den Autobahndreiecks Leonberg und Karlsruhe informiert werden.

„Die Erfahrung hat gezeigt, dass es selbst bei Staus auf der Autobahn zügiger vorangeht, als über das Umland“, sagt Frenzl. Deshalb werden zusätzlich an allen wichtigen Anschlussstellen LED-Tafeln aufgestellt, die anzeigen, wie viel Zeit es in Anspruch nimmt, sich durch Leonberg, Ditzingen oder Gerlingen hindurchzuquälen. Hierbei handelt es sich um ein Pilotprojekt des Landes Baden-Württemberg. „Die Autofahrer werden aktuell und genau informiert. Das Ziel ist es, dass sie auf der Autobahn bleiben und nicht in die umliegenden Kommunen ausweichen“, sagt Hinz.