Vom Aussterben bedroht: das Rebhuhn. Foto: dpa

Das Umweltengagement boomt in Zeiten des Artensterbens: 100 000 Mitglieder zählt der Nabu-Landesverband.

Stuttgart - Wer glaubt Umwelt- und Naturschutz sei eine Erfindung der Achtziger Jahre, irrt. Bereits 1899 hat die schwäbische Industriellengattin Lina Hähnle in der Stuttgarter Liederhalle den Bund für Vogelschutz (BfV) gegründet – aus Empörung darüber, dass es in Mode gekommen war Paradiesvögel und Silberreiher zu töten, um ihre Federn auf Hüte zu stecken. Sie war damit durchaus erfolgreich – die Reichsregierung erließ Einfuhr- und Abschussverbote, die Hutmode verlor an Beliebtheit.

Deutschlands ältester Naturschutzverein, der nach der Wende in „Naturschutzbund Deutschland (Nabu)“ umbenannt wurde, hat längst seinen Fokus geweitet, er will nicht mehr nur Schwalben retten oder Vogelreservate ausbauen, sondern auch die Weidetierhaltung der Schäfer auf die Rückkehr des Wolfes vorbereiten oder die naturverträgliche Energiewende voranbringen.

In Baden-Württemberg, seiner Gründungsheimat, ist er so groß wie nie zuvor. Umweltengagement boomt in Zeiten der schleichenden Katastrophen. 100 000 Mitglieder zählt er seit diesem Sommer und der Landesvorsitzende Johannes Enssle freut sich über den wachsenden Rückhalt in der Gesellschaft. „Das macht mich stolz, dass es so gut läuft“, sagt er. Die Mitglieder sieht Enssle als Rückgrat des Verbandes, sie pflegten Streuobstwiesen, betreuten Krötenzäune oder beringten Störche. Der Nabu im Südwesten ist nach wie vor der bundesweit größte Landesverband, er stellt allein 16 Prozent der bundesweit 615 000 Mitglieder.

Nabu-Chef Enssle und plädiert für eine grundlegende Reform der Agrarförderpolitik

Bei der Präsentation des Jahresberichts 2017 in der Stuttgarter Landesgeschäftsstelle blättert Enssle kursorisch das weite Themenspektrum des Nabu auf. Zentrales Anliegen sei die Intensivierung der Landwirtschaft und ihre Auswirkung auf die Artenvielfalt. Wie könne das Insektensterben beendet, der Dialog mit der Landwirtschaft konstruktiv geführt und eine Wende in der Agrarpolitik europaweit eingeläutet werden? Wie könnten Gewässer und Böden vor Schadstoffen geschützt und wieder mehr Lebensräume für bedrohte Arten wie das Rebhuhn oder die Feldlerche geschaffen werden? „Die Antworten auf diese Fragen liegen nicht nur in einem Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide, sondern auch in einer besseren Förderung einer naturverträglichen Landwirtschaft“, sagt Enssle. Er plädiert für eine grundlegende Reform der Agrarförderpolitik. Nicht nur in Baden-Württemberg, sondern in Deutschland und in der gesamten Europäischen Union müsse gehandelt werden, betont der Nabu-Landesvorsitzende.

Als größten Erfolg für den Naturschutz wertet Enssle die Unterstützung durch die Politik in Baden-Württemberg, allen voran den Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, ein Biologe. Den Erhalt der biologischen Vielfalt lässt sich die grün-schwarz Regierung mittlerweile einiges kosten. Die Mittel für den Naturschutz liegen bei 60 Millionen Euro jährlich und sollen bis Ende der Legislaturperiode 2021 schrittweise auf 90 Millionen angehoben werden.