Deutschland und weitere Länder wollen die Nordsee durch den Bau von Windparks zum grünen Kraftwerk Europas machen. Foto: dpa/Christian Charisius

Auf einem Gipfel in Ostende beschließen neun Länder den schnellen Ausbau der Offshore-Windkraftanlagen.

Die Sicht in Ostende aufs Meer ist an diesem Montag nicht ganz ungetrübt. Doch wenn die Staats- und Regierungschefs ihre Augen etwas zusammenkneifen, können sie am Horizont vor der belgischen Küste den Offshore-Windpark Thorntonbank erkennen. 54 mächtige Windmühlen produzieren dort seit vielen Jahren zuverlässig Strom. Belgien gehöre zu den Weltmarktführern in Sachen Windkraft, unterstreicht Regierungschef Alexander de Croo nicht ohne Stolz. Seit über zwei Jahrzehnten investiere das Land massiv in den Ausbau der Anlagen.

Die Nordsee wird zum Energielieferanten

Am Montag trafen sich Staats- und Regierungschefs aus neun Staaten in Ostende zum Nordsee-Gipfel. Ziel des Treffens war es, den Ausbau der Windenergie auf See vorantreiben und die Nordsee bis 2050 zum größten Energielieferanten Europas zu machen. Die beteiligten Länder – neben Deutschland und Belgien auch die Niederlande, Frankreich, Norwegen, Dänemark, Irland, Luxemburg und Großbritannien – haben zusammen mehr als 175 000 Kilometer Küste.

Die Teilnehmerländer sind beimAusbau der Offshore-Windenergie aber noch sehr weit voneinander entfernt. Die größte Leistung kann Großbritannien mit rund 14 Gigawatt vorweisen, darauf folgen Deutschland mit acht Gigawatt und die deutlich kleineren Staaten Niederlande, Dänemark und Belgien mit zwischen zwei und drei Gigawatt. Schlusslicht im Verbund ist die Atomnation Frankreich, die zwar eine lange Küste hat, doch nur 0,5 Gigawatt Strom aus Offshore-Anlagen produziert. Belgiens Regierungschef De Croo erklärte vor dem Gipfel, dass diese Länder bis 2030 gemeinsam 134 Gigawatt Offshore-Leistung erzielen wollen. Bis 2050 sollten es mehr als 300 Gigawatt sein.

Der Ausbau geht eher schleppend voran

Das sind ehrgeizige Ziele, denn der Ausbau der Offshore-Windanlagen kam zuletzt eher schleppend voran. 2021 ging etwa vor der deutschen Küste keine einzige neue Anlage ans Netz. Das will die Ampelkoalition ändern. Vorgesehen ist nun eine installierte Leistung vor mindestens 30 Gigawatt bis 2030 und mindestens 70 Gigawatt bis 2045.

Alexander de Croo erklärte, dass der Krieg in der Ukraine ein „Weckruf“ sein müsse, unabhängiger von fossilen Energieträgern wie Erdgas oder Öl zu werden. Gleichzeitig warb er dafür, in Zukunft bei der Planung der Anlagen auch grenzüberschreitend besser zusammenzuarbeiten, Verfahren zu standardisieren und so den Bau von Windparks zu beschleunigen. „Je schneller wir diese Parks bauen, desto schneller können wir den Ausstoß von Treibhausgas reduzieren“, sagte er.

Wichtig ist die Vernetzung der Windanlagen

Alexander de Croo betonte aber auch, dass in diesem Fall die produzierte Leistung nicht alles sei. Zentral sei es, die verschiedenen Windparks entlang der Küste besser miteinander zu vernetzen. Entscheidend für die Energiewende sind die sogenannten Interkonnektoren, mit denen mehr Windenergie in Europas Stromnetze eingespeist werden kann. Und noch ein Tagespunkt machte deutlich, dass die Welt in eine neue Phase getreten ist. Bei dem Gipfel ging es auch um den Schutz der Offshore-Anlagen etwa gegen mögliche Sabotageakte.

Angesichts dieser Pläne, stehen natürlich die Hersteller von Windparks Schlange, um ihr Stück vom Kuchen zu ergattern – und sie hoffen auf milliardenschwere Finanzhilfen der öffentlichen Hand. Für den Ausbau von Offshore-Anlagen auf hoher See würden „bisher nicht ausreichende Mittel mobilisiert“, kritisierte der leitende Politikreferent des Verbands WindEurope, Pierre Tardieu, vor dem Gipfel in Ostende. Die EU-Kommission hatte die nötigen Finanzmittel für das Ziel 300 Gigawatt zuletzt auf 800 Milliarden Euro beziffert. Das lasse sich nur mit öffentlicher Förderung stemmen, betonte Tardieu.

Eine Mehrfachsteckdose in der Nordsee

Um die konkrete Finanzierung der Ziele ging es in Ostende allerdings nicht. Stattdessen schwelgte der belgische Premier in der Beschreibung eines Leuchtturmprojektes seiner Regierung in Sachen Windenergie. 50 Kilometer vor Ostende soll sich in spätestens drei Jahren eine fünf Hektar große künstliche Insel aus dem Meer erheben. Der belgische Netzwerkbetreiber Elia will so Strom von mehreren Offshore-Windparks bündeln und das heimische Netz mit dem anderer Länder verbinden. Die Kosten belaufen sich auf stolze zwei Milliarden Euro. Die Technik sei eigentlich ganz einfach, erklären Experten, das funktioniere wie eine gigantische Mehrfachsteckdose mitten in der Nordsee.