In dem Brief benennt die Stadt Stuttgart die Kriterien, die bei der Erstellung der Angebote und der Vergabe gelten sollen: Wer am meisten Gewähr für einen sicheren und soliden, preisgünstigen, effizienten und verbraucherfreundlichen Netzbetrieb bietet, erhält die in diesem Bereich maximal erzielbaren 150 Punkte, die anderen bekommen entsprechend weniger. Foto: dapd

Ob Stuttgart sich die Netze für Strom, Gas und Fernwärme zurückholen kann, ist aber noch offen.

Stuttgart - OB Wolfgang Schuster machte in den letzten Tagen Bekanntschaft mit vielen Kartellexperten: am Dienstag mit der Landeskartellbehörde, vergangene Woche mit dem Bundeskartellamt. Der Fragenkomplex: Wie kann die Stadt die Konzessionen für Strom, Gas und Fernwärme neu vergeben? Wie kann sie sich in einem komplizierten Vergabeverfahren mit juristischen Fallstricken größten Einfluss auf den Netzbetrieb sichern? Wie könnte sie die Konzessionen für die Nutzung öffentlicher Wege und Straßen gar an die neuen Stadtwerke oder einen Eigenbetrieb vergeben?

Das Ergebnis schlägt sich in dem ersten „Verfahrensbrief“ nieder, mit dem die Stadt alle Interessenten auf das einstimmen will, was bis zur Konzessionsvergabe im Frühjahr 2013 ablaufen soll. Wie viele Interessenten sich bis Samstag melden, wenn die Frist abläuft, wird mit Spannung erwartet. Auf die frühere Ausschreibung hatten sechs reagiert. Die Genossenschaft „Energie in Bürgerhand“ zog aber wieder zurück.

In dem Brief benennt die Stadt die Kriterien, die bei der Erstellung der Angebote und der Vergabe gelten sollen: Wer am meisten Gewähr für einen sicheren und soliden, preisgünstigen, effizienten und verbraucherfreundlichen Netzbetrieb bietet, erhält die in diesem Bereich maximal erzielbaren 150 Punkte, die anderen bekommen entsprechend weniger. Wer der Stadt bei der Ausgestaltung der Verträge am günstigsten erscheint, erhält die 120 Punkte, die hier maximal vergeben werden. Die Interessen der Stadt sind klar: Sie will eine möglichst hohe Konzessionsabgabe einstreichen, die auf 20 Jahre angelegten Verträge nach zehn und nach 15 Jahren einseitig kündigen können – und jederzeit auch dann, wenn es einen Eigentümerwechsel gibt. Im Fall der Insolvenz will man Zugriff auf das Netzeigentum.

Die Landeskartellbehörde, räumte der OB ein, habe „einen anderen Kopf“

Am Mittwoch legte Schuster dem Verwaltungsausschuss den Entwurf vor. Am 19. Juli soll der Gemeinderat ihn genehmigen – auf der Grundlage dessen, was mit dem Bundeskartellamt besprochen ist. Die Landeskartellbehörde, räumte der OB ein, habe „einen anderen Kopf“. Ihr erscheinen die 120 möglichen Punkte für die Ausgestaltung der Verträge überzogen. Dieses Gespräch sei abgebrochen worden, sagte Schuster. Beide Seiten listen noch einmal ihre Argumente auf. „Dass dieser Komplex nur ein Viertel zählen soll, das geht gar nicht“, sagt Schuster.

Er will viel Einfluss für die Stadt, sieht aber durchaus den Zwang, sich um ein gerichtsfestes Verfahren zu bemühen: „Das Schlimmste wäre, wir fallen auf die Nase, das Verfahren wird aufgehoben, und der bisherige Konzessionär marschiert weiter.“ Darum warnte der OB auch Hannes Rockenbauch (SÖS), der kräftige Worte gewählt hatte: Die Kartellbehörden „pfuschen“ seiner Meinung nach der Stadt beim Vorhaben, die kommunale Daseinsvorsorge wieder unter ihre Herrschaft zu bringen, ins Konzept. Die anderen Fraktionen würdigten den Entwurf, der durch massiven Einsatz von Rechtsanwälten zustande gekommen war.

Die Stadtwerke mischen auf jeden Fall mit

„Egal, wer die Konzessionen bekommt – die Stadt wird sehr viel Einfluss haben“, sagte Peter Pätzold (Grüne). Alexander Kotz (CDU) meinte, das Ziel sollte sein, dass die Kommune im Rennen auf Platz 1 komme – ob nun durch die Stadtwerke oder durch ein Kooperationsunternehmen mit einem privaten Versorger. In diesem Fall hätte die Stadt die Wahl: Sie könnte die kommunale Karte spielen oder sich doch noch mit einem anderen arrangieren. Gewinnt aber ein Privatunternehmen, muss es zum Zuge kommen.

Die Stadtwerke mischen auf jeden Fall mit. Ums Fernwärmenetz, sagte Erster Bürgermeister Michael Föll, bewerben sie sich auch. Bernd Klingler (FDP) zweifelt freilich am Erfolg: Wie das neu gegründete Unternehmen seine Eignung beweisen und die EnBW Regional AG als Mehrfachkonzessionär ablösen wolle, obwohl es praktisch noch kein Personal habe, sei ihm schleierhaft. Und OB Schuster weiß auch: „Wenn wir in Stuttgart die Versorgungssicherheit nicht garantieren können, wird es ungemütlich.“

Die Stadtwerke stehen auch sonst vor einer Bewährungsprobe. Sie müssen nach Fölls Worten Eigenkapital aufbauen und an die Stadt eine Rendite von vier bis sechs Prozent auf das eingesetzte Kapital abführen. Damit will man das Defizit der Stuttgarter Straßenbahnen AG auffangen. Föll: „2012 und 2013 werden die Stadtwerke aber sicher Anfangsverluste machen.“