Windrädern fehlt es oft an Wind. Foto: dpa

In Gaildorf sollen vier Windräder jeweils 40.000 Liter Wasser aufnehmen können.

Gaildorf - Als das Volk gesprochen hatte, meldete sich der Umweltminister persönlich zu Wort: Der positive Ausgang des Gaildorfer Bürgerentscheids am 11. Dezember sei ein Beispiel dafür, dass die Menschen die Energiewende mittragen, erklärte Franz Untersteller am Tag nach der Abstimmung und versicherte, er begrüße das Ergebnis.

Dass der Grünen-Politiker dies so hervorhebt, hängt freilich nicht so sehr mit dem Bau von vier weiteren Windrädern zusammen – immerhin sollen jedes Jahr hundert neue entstehen – als mit deren Doppelnutzung: Die in Gaildorf bei Schwäbisch Hall geplanten Türme dienen nämlich auch als Wasserspeicher und sind somit zugleich Oberbecken von Pumpeicherkraftwerken. Somit können sie auch bei Flaute zur Stromerzeugung beitragen – und daran ist Untersteller besonders interessiert.

Widerstand gegen Bau der Windräder

„Wir können auf die Technologie der Pumpspeicherwerke nicht verzichten, wenn wir die Energiewende schaffen wollen“, sagt der Umweltminister fast gebetsmühlenhaft. Denn das Problem, dass Wind und Sonne als Energiequelle unberechenbar sind, lässt sich bislang nur mit natürlichen Batterien in Form von Stauseen lösen. Das aber bedeutet gewaltige Eingriffe in die Natur, und das wiederum provoziert wütende Proteste, wie das Beispiel Atdorf in Südbaden zeigt.

Auch in Gaildorf gab und gibt es Widerstand. Doch der bezieht sich vor allem auf den Bau der vier fernsehturmhohen Windräder und ist insofern nicht anders als überall dort, wo vergleichbare Anlagen in den Himmel wachsen sollen.

Kaum Kritik an Grundidee der Wasserspeicherung

In dem Städtchen am Kocher werden sie zwar noch etwas massiver ausfallen, denn ihre Turmsäulen sind unter deutlich dicker, damit sie jeweils 40.000 Kubikmeter Wasser aufnehmen können. An der Grundidee der Wasserspeicherung jedoch gab es in der monatelangen Diskussion wenig auszusetzen.

Diese stammt von dem Ingenieur Alexander Schechner, der als leitender Angesteller beim Kraftwerksbauer Voith seine Brötchen verdient. Er hat nicht nur mehrere Firmen, darunter Voith Hydro und den Bauunternehmer Max Bögl für den auf 40 Millionen Euro veranschlagten „Naturstromspeicher“ gewonnen, sondern firmiert auch als Projektentwickler.

Im Jahr 2014 sollen die Bagger rollen

 Im Jahr 2014 sollen die Bagger rollen

„Jetzt beginnen die Planungen in der ganzen Breite“, sagt er nach dem Ja der Gaildorfer Bevölkerung. Wenn alles glatt läuft, sollen die Bagger 2014 rollen. Der Gemeinderat steht zwar mehrheitlich hinter dem Vorhaben , weil er sich unter anderem davon ein Stück Energieautonomie für die Kommune verspricht. Da eine Bürgerinitiative aber gesundheitliche Belastungen fürchtet und auch ökologische Bedenken gegen die gewaltigen Rotoren angemeldet hat, haben die Räte die Entscheidung an die 8840 wahlberechtigten Bürger delegiert.

Mit dem Ergebnis, dass eine Mehrheit von 57 Prozent der gültigen Stimmen den Naturstromspeicher verwirklicht sehen wollen und damit der Stadtverwaltung den Auftrag erteilte, mit den Investoren Verhandlungen über die Nutzung städtischer Grundstücke zu führen.

Noch mehr Kurzzeitspeicher benötigt

Schechner sieht in den Naturstromspeichern keinen Ersatz für große Pumpspeicherwerke, sehr wohl aber eine wichtige Ergänzung: „Wir werden im Zug der Energiewende noch viel mehr Kurzzeitspeicher benötigen als bisher.“ Gaildorf könnte seiner Meinung nach also ein Modell für das ganze Land werden – nach dem Motto: viele kleine Speicher ergeben einen großen.

Fachleute halten das für plausibel. „Prinzipiell ist es sehr wichtig, dass weitere Pumpspeicherwerke gebaut werden“, sagt etwa Nikolaus Bauer vom Institut für hydraulische Strömungsmaschinen der Universität Stuttgart, „die Überlegung, wie eine solche Speicherung möglichst wenig in die Natur eingreift, macht also durchaus Sinn.“ Ob sich dies rechne, sei eine andere Sache.

Energie geht verloren

Immer wieder tauchte in der Diskussion deshalb die Frage auf, ob es denn sinnvoll sei, aus Wind erzeugte Energie dazu zu verwenden, Wasser in den Behälter zu pumpen. Denn bei diesem Vorgang geht Energie verloren, man kann also weniger Geld erlösen, als wenn man den Windstrom direkt ins Netz einspeiste. Projektentwickler Schechner jedoch betont, die Pumpspeicherung verwende nur teilweise den selbst erzeugten Strom, ein anderer Teil stamme aus konventionellen Kraftwerken.

Rendite aber muss die Anlage bringen, das erwartet unter anderem die kürzlich gegründete Bürgergenossenschaft. Wer im Landkreis Schwäbisch Hall oder einem der benachbarten Kreise wohnt, kann Anteile am Naturstromspeicher erwerben.