EnBW-Vorstand Georg Stamatopoulos (rechts) und Tim Holt, Mitglied des Vorstands der Siemens Energy AG, zeigen ein Bild der neuen Turbine am neuen Standort im Kraftwerk Münster. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Rund 200 Millionen Euro investiert die EnBW in das Kraftwerk Stuttgart-Münster für den Umstieg von Kohle auf Erdgas – nur eine Zwischenlösung. Mittelfristig setzt der Energieversorger auf „grünen“ Wasserstoff und will so klimaneutral werden. Weitere Standorte sollen folgen.

Die EnBW treibt die Entwicklung voran, in Zukunft auf klimafreundlichen Brennstoff umsteigen zu können. Bis 2025 werden die drei Kohlekessel im Kraftwerk Münster durch zwei Gasturbinen von Siemens Energy ersetzt. Das Versorgungsunternehmen investiert rund 200 Millionen Euro in den Wechsel von Kohle auf Erdgas. Die neue Anlage ist von Anfang an so konzipiert, dass ein Umstieg auf Wasserstoff zeitnah möglich ist. EnBW-Vorstand Georg Stamatopoulos sieht in dem deutschlandweit einzigartigen Pilotprojekt „einen wichtigen Meilenstein“ hin zu einer umweltverträglichen Energiegewinnung.

EnBW sieht Erdgas derzeit als einzige Alternative

Die Bagger sind bereits im Einsatz. In einem ersten Schritt wird ein neues Werkstattgebäude errichtet, das alte muss Platz machen für den Neubau auf dem Areal am Cannstatter Aquädukt. Mit dem eigentlichen Bau soll dann im kommenden Jahr begonnen werden. Im zweiten Quartal 2025 soll die neue Anlage schließlich in Betrieb gehen – der Umstieg von Kohle auf Erdgas vollzogen sein.

Doch das ist für den Energieversorger nur der erste Schritt. Denn die EnBW verbindet mit dem Neubau bereits den Blick in die Zukunft. „Es ist keine Sackgassentechnologie“, betont Stamatopoulos im Hinblick auf mögliche Kritik hinsichtlich der Umstellung auf Erdgas. Die durch den Ukraine-Krieg hervorgerufene Energiekrise hat zu enormen Preissteigerungen geführt. „Es ist ein steiniger Weg, aber Erdgas ist die Grundvoraussetzung, um den weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien sicher zu flankieren“, sagt Stamatopoulos.

Noch keine verlässliche Versorgung mit grünem Wasserstoff

Derzeit sei es noch zu unsicher, komplett auf Wasserstoff aus erneuerbaren Energien zu setzen. Zu schwankend seien noch die Lieferungen, die Windkraft und Sonnenergie zu wetterabhängig. Noch könne nicht genau terminiert werden, wann eine sichere und bezahlbare Versorgung mit grünem Wasserstoff steht – damit rechnet die EnBW in zehn bis zwölf Jahren –, dennoch soll mittelfristig der Umstieg erfolgen. Die Anlage schafft dafür bereits jetzt die Voraussetzungen.

Zudem erfüllt die EnBW auch die eigenen Klimaziele. Ab dem geplanten Start im Jahr 2025 soll der Ausstoß von CO2 um rund 60 Prozent reduziert werden. Für Stamatopoulos ein wichtiger Schritt hin zum Ziel, bis 2035 klimaneutral zu werden. Sollten die Turbinen auf reinen Wasserstoff umgestellt werden, würden laut EnBW überhaupt keine Treibhausgase mehr entstehen.

Weltweit erste Turbinen ihrer Art

Herzstück sind zwei hochmoderne Gasturbinen vom Typ SGT-800 (Siemens Gasturbinen). Die zwei rund fünf Meter hohen, fünf Meter breiten und 15 Meter langen „Kraftwerke“ haben jeweils eine elektrische Leistung von rund 62 Megawatt. „Es werden die weltweit ersten Gasturbinen mit der Möglichkeit der kompletten Umstellung auf Wasserstoff sein, die wir ausliefern“, sagt Tim Holt, Mitglied des Vorstands der Siemens Energy AG. Er sieht eine bahnbrechende Wirkung des Projekts und einen Symbolcharakter für die Energiewende. Denn bereits bei der Auslieferung im Jahr 2024 kann diese zu 75 Prozent auch Wasserstoff verarbeiten. Eine Umstellung auf zukünftige 100 Prozent sei ohne größeren Aufwand möglich. „Das ist dann wie bei einem Reifenwechsel am Auto“, stellt Holt einen bildlichen Vergleich an.

Positive Wirkung auf das Stadtklima

Und auch auf das Stadtklima in Stuttgart hat der Switch von Kohle auf Erdgas eine positive Auswirkung. So wird der Ausstoß von Feinstaubpartikeln am Kraftwerk Münster um bis zu 87 Prozent verringert, Stickoxide um 60 Prozent reduziert. „Zum Einsatz kommt dabei die neueste Katalysatortechnik“, ergänzt EnBW-Ingenieurin Diana van den Bergh. Zusätzlich wird eine neue Großwärmepumpe eingerichtet. Gespeist wird diese durch die Restwärme der Turbinen sowie durch die nach wie vor als Hauptakteur fungierende Heizmüllverbrennungsanlage. In den drei Kesseln werden jährlich rund 450 000 Tonnen Abfall verwertet und in Strom und Wärme umgemünzt. Die neue luftgekühlte Großwärmepumpe soll 24 Megawatt genieren und ins Fernwärmenetz einspeisen, die ansonsten über das Kühlwasser in den Neckar abgegeben worden wären.

Umstieg auch an anderen Standorten

Die EnBW plant eine komplette Umwandlung von Kohle auf Gas auch an weiteren Standorten. Auch im Schwesterkraftwerk in Esslingen-Altbach sowie in Heilbronn sollen die neuen Anlagen nur ein Jahr später als in Münster 2026 in Betrieb gehen. Nach der bereits vor vier Jahren vollzogenen Umwandlung von Kohle auf Gas in Gaisburg soll es dann keine Energiegewinnung aus Kohle mehr in der Region Stuttgart geben.