Das Logo der EnBW spiegelt sich in einer Scheibe am Unternehmenssitz in Karlsruhe – hinter den Kulissen fürchten Mitarbeiter, dass das Sparprogramm des Konzerns zu ihren Lasten gehen könnte. Foto: dapd

Der Energieversorger geht daran, sein Geflecht an Beteiligungen umzubauen. Die Gewerkschaft Verdi sieht darin eine Gefahr für die Tarifbindung.

Stuttgart/Karlsruhe - Stuttgart/Karlsruhe - Wer sich derzeit unter den Belegschaften der zahlreichen EnBW-Konzerntöchter umhört, erfährt nicht viel, und wenn, dann nur unter vorgehaltener Hand. Verunsicherung allerorten.

Bei Yello zum Beispiel, mit 1,1 Millionen Stromkunden immerhin eine der größten Energievertriebsfirmen der Republik, will sich der Betriebsrat zur aktuellen Lage im Unternehmen ohne Rücksprache nicht äußern. Auch später bleiben Anfragen unbeantwortet. Bei der Watt Deutschland GmbH, einer EnBW-Gesellschaft, die sich auf Großkunden spezialisiert hat, sind die Arbeitnehmervertreter „gerade auf Betriebsausflug“ und auch am Handy nicht erreichbar. Bei wieder anderen geht bei Anrufen nur die Mailbox an. Seit der Energieversorger EnBW im Jahr 2011 sein umfassendes Sparprogramm Fokus verschärft hat, geht in der Belegschaft der EnBW die Angst um. 750 Millionen Euro will der Konzern jährlich sparen, 250 Millionen allein beim Personal. Ab 2014 sollen die Planzahlen in voller Höhe erreicht werden.

Einen ersten Beitrag haben die Arbeitnehmer schon geleistet. Sie verzichten derzeit auf eine tariflich vereinbarte Lohnerhöhung von 1,8 Prozent. Zwar sind nach Verhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi betriebsbedingte Kündigungen bei der EnBW bis mindestens 2016 kein Thema mehr. Dass die Mannschaft schrumpfen soll, ist aber ausgemachte Sache. Bis zu 1600 der aktuell insgesamt 20.200 Jobs sollen abgebaut werden, sozialverträglich, wie es heißt.

In den Töchtern sollen nach Verdi-Informationen Mitarbeiter dazu gedrängt worden sein, Änderungskündigungen zuzustimmen

Besonders in der Konzern-Holding, die mit ihren etwa 600 Mitarbeitern unter Fachleuten als aufgebläht gilt, macht man sich dem Vernehmen nach dennoch Sorgen. Immer mehr rückt aber auch ein weiterer Grundpfeiler des Konzerns in den Fokus der geplanten Einschnitte – der Vertrieb. Nach Verdi-Informationen stehen hier massive Veränderungen an.

Unter dem Projektnamen Trans4Mission sollen Konzerngesellschaften umgebaut, eventuell sogar aufgelöst werden. Die betroffenen Mitarbeiter sollen in „tariffreie Bereiche“ wechseln, wie es in einer schriftlichen Tarifinformation der Gewerkschaft heißt, die unserer Zeitung vorliegt. Im Mittelpunkt stehen zunächst vier Konzerngesellschaften – die in Stuttgart angesiedelten EnBW Energy Solutions (ESG) mit rund 200 Mitarbeitern beziehungsweise die Energie Vertrieb GmbH (EVG) sowie die EnBW-Firmentöchter Watt mit Sitz in Frankfurt und die Kölner Yello. In den Töchtern sollen nach Verdi-Informationen Mitarbeiter dazu gedrängt worden sein, Änderungskündigungen zuzustimmen. „Unglaublich“, kommentiert Verdi die Vorgänge. Ziel sei es gewesen, die Tarifbindung im Konzern aufzuweichen. Um gegen die „Planungen zur Tarifflucht“ (Verdi) vorzugehen, haben nach Informationen unserer Zeitung bereits Ende Juli Betriebsversammlungen an den Stuttgarter Standorten stattgefunden.

Für die EnBW, die gerade ihren bisherigen Konzernchef Hans-Peter Villis verabschiedet hat und die sich in einer Übergangsphase befindet, kommt die aufflammende Diskussion über einen drohenden Konzernumbau zur Unzeit. Ein EnBW-Sprecher bestätigte unserer Zeitung die Existenz von Trans4Mission. Frank Mastiaux, der seinen Job als EnBW-Konzernchef an diesem Montag antritt, sei in die Planungen zu dem Programm noch nicht eingebunden gewesen. Vielmehr sei das Projekt Teil des von Ex-EnBW-Chef Hans-Peter Villis eingeleiteten Fokus-Programms. Vor dem Hintergrund eines steigenden „finanziellen Drucks“, sei es das Ziel der EnBW, den Vertrieb „zukunftsgerichtet aufzustellen“. Dazu gehöre auch, die Kostenstrukturen bei den entsprechenden Konzerngesellschaften in den Blick zu nehmen. Dabei seien auch „gesellschaftsrechtliche Änderungen nicht ausgeschlossen“, sagte der Sprecher. Ein Ansatz dabei sei es, die gewachsene Komplexität innerhalb des EnBW-Konzerns zu reduzieren.

Verdi fordert ein Lohnplus von 6,5 Prozent sowie die Übernahme aller Auszubildenden nach Abschluss der Lehrzeit

Auf Deutsch: Das in 15 Jahren EnBW gewachsene Gestrüpp aus Beteiligungen und Tochtergesellschaften soll entrümpelt werden. Schon früher hatte es von informierter Seite geheißen, die aktuellen Sparanstrengungen zielten auf die Abschaffung von Doppelfunktionen im Gesamtkonzern – ein Phänomen, das bei verschachtelten Unternehmensstrukturen stark ins Gewicht fällt.

Um die Veränderungen durchzusetzen, werde allerdings kein Druck auf Mitarbeiter ausgeübt, sagte der EnBW-Sprecher. Die Gespräche mit Verdi dauerten an. Änderungskündigungen seien kein Thema.

In der privaten Energiewirtschaft wird derzeit über die Tarifverträge für 2012 und 2013 verhandelt. Dabei fordert Verdi ein Lohnplus von 6,5 Prozent sowie die Übernahme aller Auszubildenden nach Abschluss der Lehrzeit. Erst am vergangenen Freitag wurde wieder verhandelt.

Mitte September hatte Verdi die Öffentlichkeit mit einer breit angelegten Aktion auf die kommende Lohnrunde eingestimmt und auch die Einschnitte im Personalbereich thematisiert. Nach umfangreichen Arbeitsplatzabbau im letzten Jahrzehnt befürchtet Verdi für die kommenden Jahre den Wegfall von 20.000 weiteren Stellen bei den deutschen Energieversorgern. Auch die Tarifverträge kämen zunehmend unter Druck. „Der Angriff der Arbeitgeber auf die bestehenden Konzerntarifverträge wird schärfer“, heißt es in einer Verdi-Veröffentlichung. Mittel seien „Ausgründungen, Bildung neuer Gesellschaften und Verkäufe“. Es drohe die Ausgrenzung Tausender Arbeitnehmer aus den bestehenden Tarifverträgen.