Die EnBW spielt eine Schlüsselrolle beim Umbau der Energieerzeugung. Die Landeshauptstadt will durch die Übernahme von Netzen selbst freier agieren können. Foto: dpa

Seit Jahren ringen die Kommune und Baden-Württembergs größter Energiekonzern um Netze und Grundstücke. Die Stadtspitze um OB Fritz Kuhn zeigt sich verhalten optimistisch.

Stuttgart - Können sich die Stuttgarter Gerichte bald über eine Entlastung vom Dauerstreit freuen, die Landeshauptstadt und Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) seit Jahren führen? Das Landgericht hatte den Kombattanten um den Kauf des Trinkwassernetzes Anfang Mai erneut zur Einigung geraten und einen Vergleich vorgeschlagen. 348 Millionen Euro solle die Stadt für den Rückkauf der Versorgungsanlagen aufbieten. Der Marktwert liege höher, fand die EnBW. „480 Millionen Euro wäre ein fairer Preis“, hatte Christoph Müller, Geschäftsführer der Netze BW, den Ball aufgenommen. Die Auseinandersetzung hatte auch den Aufsichtsrat des Konzerns beschäftigt.

Trotz der happigen Diskrepanz unterbrachen Stadt und EnBW ihre Fehde und traten in die nächste Verhandlungsrunde ein. In der geht es aber nicht nur um den Wassernetzkauf, mit dem der Gemeinderat ein vor Jahren akzeptiertes Bürgerbegehren umsetzen will. 110 Millionen Euro hat die Stadt dafür zurückgelegt. Es geht nicht um eine Teil-, sondern um eine Komplettlösung. Den nicht nur beim Thema Wasser, auch bei der Übertragung von Teilen des Strom- und Gasnetzes, beim Kauf des Fernwärmenetzes und bei diversen Grundstücksentwicklungen liegen die Stadt und Baden-Württembergs größter Energieversorger im Clinch.

Gespräche nicht nur zum Thema Wasser

Die EnBW bestätigt, dass „nach wie vor Gespräche laufen, naturgemäß nicht nur über das Thema Wassernetz“. Zum Stand aber will man sich nicht äußern, und zum Hochspannungs- und Gas-Hockdrucknetz warte man auf einen Termin vor dem Bundesgerichtshof, „von dem ja beide Seiten abschließende Klarheit erwarten“.

Die Stadtspitze zeigt sich verhalten optimistisch. OB Fritz Kuhn (Grüne), der mit der Klage zur Herausgabe des Fernwärmenetz den Streit aus Sicht der EnBW unnötig verschärft hatte, hält eine Einigung für grundsätzlich möglich – ohne eine zeitlich scharfe Definition abzugeben, wann aus der Möglichkeit Realität werden könnte.

Der ausgeuferte Streit blockiert wichtige Entwicklungen. Die SPD im Gemeinderat sieht dadurch die Energiewende verschleppt, der Haus- und Grundeigentümerverein den Bau von 600 Wohnungen auf dem EnBW-Gelände an der Hackstraße im Stuttgarter Osten auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben. Die Stadt will sich die Fläche durch ein Vorkaufsrecht sichern und hat sie daher zum Stadterneuerungsvorranggebiet erklärt. Für eine Wohnungsbauoffensive hat der Gemeinderat 150 Millionen Euro gebunkert. Das Vorkaufsrecht sei ein unfreundlicher Akt, die Stadt begehe „ein Foulspiel und stellt sich selbst ein Bein“, sagt Haus- und Grund-Vorsitzender Klaus Lang. Angesichts der Wohnungsknappheit müsse eine gemeinsame Lösung her. Auch die EnBW-Fläche an der B 10 am Neckar hat die Stadt im Blick.

Aufsichtsrat tagt am 5. Dezember

Eine politische Lösung fordert auch die Sozialdemokratische Gemeinschaft für Kommunalpolitik (SGK). Rechtsfragen seien beantwortet, die Blockade der vom Land beherrschten EnBW hemme die Energiewende, die Grünen hätten wirtschaftlich sinnvolle, einvernehmliche Lösungen versäumt, so SGK-Vorsitzender Manfred Kanzleiter. Ob angesichts der Appelle die Adventszeit auch für EnBW und Stadt eine Zeit der Besinnung wird? Der EnBW-Aufsichtsrat tagt am 5. Dezember wieder und könnte ein Signal senden.