Die Mehrkosten in der Steinenbronner Bäckerei Treiber – hier die Mitarbeiterin Leyla Eskandari in einer der zwei Sillenbucher Filialen – gehen in die Millionen. Foto: Caroline Holowiecki

Aufgrund ihres hohen Energieverbrauchs und der sprunghaft gestiegenen Preise beispielsweise für Butter und Mehl, sind Bäcker von Existenzängsten geplagt. Stimmen von Betroffenen aus Stuttgart und der Region.

Christian Schultheiß wollte alles richtig machen. Ende 2021 fassten er und sein Cousin, die gemeinsam die Bäckerei Schultheiss in Nellingen betreiben, den Entschluss, die Backofenanlage, aus der die Waren für die 21 Filialen kommen, zu erneuern. „Aus Umweltschutzgründen hieß es immer, Gas ist besser“, nun aber explodiert durch den Krieg in der Ukraine und die daraus resultierende Krise der Gaspreis. Die Bäckerei trifft das massiv.

 

Einen Großteil des Gases bezieht sie auf dem Tagesmarkt, und „da wird einem richtig schlecht, wenn man die Rechnung kriegt“, sagt Christian Schultheiß. Ehemals habe das Unternehmen drei Cent pro Kilowattstunde bezahlt, Ende August seien es 31 Cent im Mittel gewesen. „Das ist verheerend“, sagt Christian Schultheiß.

Personalmangel und hohe Rohstoffpreise

Gas teurer, Strom teurer, und „auch der Holzpreis ist massiv gestiegen“, sagt Vincent Bauer aus der Musberger Eselsmühle, die in ihrer Bio-Bäckerei neben gasbetriebenen auch Holzöfen einsetzt. Dabei ist das Handwerk sowieso schon seit geraumer Zeit unter Druck. Die Personalkosten sind durch die Mindestlohnerhöhung gestiegen, die Rohstoffe sind sehr viel teurer geworden. Auch der Fachkräftemangel setzt der Branche zu. Die kleine Bäckerei in Stuttgart-Heumaden am Theodor-Schöpfer-Weg etwa hat zugemacht. „Wegen Personalmangel sind wir gezwungen, unseren Laden zu schließen“, steht an der vergitterten Eingangstür. „Je mehr Handwerk drinsteckt, desto höher ist der Druck“, sagt auch Vincent Bauer. Wegen des Fachkräftemangels habe die Eselsmühle Produkte streichen müssen. „Es rumort schon sehr stark in der Branche“, stellt Christian Schultheiß fest.

Das bestätigt Frank Sautter, der Geschäftsführer der Bäckerinnung Alb-Neckar-Nordschwarzwald. „Die Luft wird für viele Betriebe dünner“, sagt er. Die Energiekrise verschärfe die ohnehin schon angespannte Lage. Im Juli hat der Bund ein milliardenschweres Energiekostendämpfungsprogramm auf den Weg gebracht, mit dem energieintensive Firmen bezuschusst werden können, das Bäckerhandwerk ist jedoch nicht dabei. „Über den Zentralverband laufen Gespräche. Da ist man an die Politik herangetreten“, sagt Sautter. Jüngst hat sich der baden-württembergische Handwerkstag in einem Brandbrief an den Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir gewandt.

Backofen wird bei Blankenhorn mit Öl betrieben

Den einen trifft die Krise mehr, den anderen weniger. Andreas Blankenhorn etwa, der ein kleines Geschäft in Stuttgart-Degerloch betreibt, ist „in der glücklichen Lage, mit dem Personal seit Langem kein Problem zu haben“. Auch die Energiekrise mache sich bei ihm noch wenig bemerkbar. Seinen Backofen betreibt er mit Öl, der Tank ist gut gefüllt. Mit Preissteigerungen rechnet er, „aber ich habe diese Auswirkungen noch nicht“.

Die Bäckerei Treiber wiederum betreibt 41 Filialen, und die 20 Öfen im Stammhaus in Steinenbronn werden mit Gas geheizt. „Wir verbrauchen 220 000 Kilowattstunden pro Monat“, sagt der Prokurist Tom Kiraly. Hinzu kämen Verdoppelungen beim Butter- oder beim Mehlpreis binnen eines Jahres. „Bei unserer Unternehmensgröße reden wir von Millionen“, sagt er über die Mehrkosten. Stellschrauben gebe es kaum. „Die Bäckereien stehen mit dem Rücken zur Wand. Komplett. Definitiv“, sagt Tom Kiraly. Mancherorts machen sich Existenzsorgen breit. „Ich hoffe, dass wir es überleben“, heißt es aus der Klinkermühle, einer kleinen Bio-Manufaktur im Tal zwischen Bernhausen und Sielmingen. Dort werden die Holzöfen mit Strom betrieben, aktuell lägen die Kosten dafür beim Dreifachen im Vergleich zu früher, „und die Aussage unseres Energielieferanten war, das war’s noch nicht“. Natürlich habe man Angst, wie es noch werde, ist am Telefon zu hören. Im schlimmsten Fall müsse man womöglich Produktionstage und Öffnungszeiten kürzen.

Noch hat man Hoffnung, zu überleben

Innungschef Frank Sautter betont: „Die Betriebe sind gezwungen, die Mehrkosten umzulegen.“ Allerdings ist das ein schmaler Grat. In der Klinkermühle etwa hat man schon eine Preiserhöhung hinter sich, und das werde nicht das letzte Mal bleiben, ist zu hören, allerdings habe das auch Kundschaft gekostet. Um etwa 20 Prozent sei der Umsatz bereits eingebrochen. Die Nellinger Bäckerei Schultheiss hat in diesem Jahr schon zweimal die Preise erhöht, in Summe um etwa acht Prozent. „Das ist bereits verpufft“, sagt Christian Schultheiß. Weitere Anpassungen schließt auch er nicht aus. Ein Teufelskreis, denn auch die Kundschaft habe mit der Inflation zu kämpfen. „Die Verbraucher kriegen gerade von allen Seiten die Botschaft: Spar mal!“

Bäckerei-Sterben in der Region

Rückgang
Die Bäckerinnung Alb-Neckar-Nordschwarzwald hat laut ihrem Geschäftsführer Frank Sautter knapp 300 Mitgliedsbetriebe, davon in Stuttgart 23. Die Zahl sinkt. Vor zehn Jahren waren es in der Landeshauptstadt noch 33 Betriebe gewesen. „Wir gehen davon aus, dass wir pro Jahr drei bis vier Prozent Mitgliedsbetriebe weniger haben“, sagt er, oft habe das Altersgründe. Gleichzeitig werden die Betriebe größer. Ein durchschnittlicher Betrieb in Baden-Württemberg beschäftigt laut Frank Sautter etwa 30 Personen.