Bei den Protesten gegen die Regierung in Venezuela wurden auch Feuer gelegt. Foto: AFP

Die Beamten sollen weniger arbeiten, angeblich um Strom zu sparen. Doch es steckt wohl mehr dahinter.

Caracas - In Venezuela hat der öffentliche Dienst seine Tätigkeit weitgehend eingestellt. Die Büros öffnen, von ein paar Ausnahmen abgesehen, vorerst nur noch montags und dienstags von 7 bis 13 Uhr. Kann man damit wirksam der Krise der Stromversorgung entgegentreten, fragen sich viele Venezolaner – oder verfolgt die Regierung damit in Wahrheit einen Plan, um sich länger an der Macht zu halten? Die Strom-Krise, deren Ausgangspunkt die anhaltende Dürre und der niedrige Pegelstand in den Stauseen ist, greift tief ins Alltagsleben des ganzen Landes ein. Mindestens vier Stunden täglich gibt es kein Licht.

In der Millionenstadt Maracaíbo kam es gerade zu einer explosiven Mischung aus Protesten und Plünderungen, nachdem der Strom volle 30 Stunden weg war. Auch wenn die Hauptstadt Caracas theoretisch von den Sparmaßnahmen ausgenommen ist, fällt dort ebenfalls häufig die Versorgung aus. „Spinnt diese Regierung denn?“, lässt die einflussreiche Website Aporrea einen namentlich nicht genannten öffentlichen Bediensteten zu Wort kommen. Wie sein ganzes Team arbeite er nicht in einem Büro, sondern im Außendienst, verbrauche also kaum Strom während der Arbeit. „Und was machen unsere Leute am Mittwoch, Donnerstag und Freitag? Sitzen die etwa herum und schwitzen wie die Hunde, weil sie die Klimaanlage zuhause nicht anmachen? Machen die nicht den Eisschrank auf und zu?“, schreibt der Mann erbost.

Ob die Maßnahme überhaupt Strom spart, ist ungewiss

Ob die Entscheidung von Präsident Nicolás Maduro, die rund 2,8 Millionen öffentlichen Bediensteten bei vollen Bezügen nur 12 Stunden pro Woche arbeiten zu lassen,   Strom spart, ist umstritten. 40 bis 60 Prozent des Stromverbrauchs entfällt in Venezuela auf den häuslichen Bereich. Da dürfte es kontraproduktiv sein, wenn die Beamten zuhause bleiben. Unklar ist auch, was die Maßnahme überhaupt bedeutet. Wichtige Dienste sollen Maduro zufolge arbeiten – aber was ist wichtig? Hospitäler sicherlich, aber alle Abteilungen? Und unklar ist auch der Schaden für die Volkswirtschaft. Denn in einem extrem bürokratisierten Staatswesen wie dem venezolanischen gerät die Privatindustrie aus dem Tritt, wenn die Bürokraten nur zweimal die Woche ihre Stempel schwingen.

Die Opposition verdächtigt Maduro, mit der Verkündung der drei freien Tage pro Woche einen Plan zur Erhaltung der Macht zu verfolgen. Denn die Maduro-Gegner sammeln gerade Unterschriften, um ein Referendum zur Amtsenthebung Maduros einzuleiten. Das ist ein in der Verfassung vorgesehener, recht aufwendiger Prozess, den die Opposition sicher einleiten und durchsetzen kann. Die Wahlbehörde muss jedoch die Unterschriften prüfen – zum Beispiel in der ersten Phase innerhalb von fünf Werktagen, die sich nun fast über drei Wochen erstrecken. Ähnliche Verzögerungen würden sich bei späteren Schritten ergeben. So könnte der Tag des Referendums bis Anfang 2017 verzögert werden.

Die Sozialisten versuchen, sich an der Macht zu halten

Das ist politisch folgenreich: Verliert Maduro sein Amt durch Referendum erst 2017, folgt ihm sein Vizepräsident. Gehen die Venezolaner früher zur Urne, um Maduro abzuwählen, dann gäbe es nicht diese sozialistische Kontinuität, sondern Neuwahlen. Ausgangspunkt der Krise ist zweifellos die El-Niño-Dürre, die die gesamte Region heimsucht. 70 Prozent des venezolanischen Stromverbrauchs wird normalerweise vom Guri-Wasserkraftwerk im Südosten des Landes gedeckt, das etwa so viel Strom erzeugt wie acht deutsche Atomkraftwerke. Aber der Guri-Wasserstand liegt nur noch gut anderthalb Meter über dem, an dem die Energieerzeugung praktisch ausfiele. Die Opposition wirft der Regierung freilich auch vor, nicht rechtzeitig für Alternativen gesorgt zu haben.