Nachdem sich Christian Lindner (FDP) (li.) und Robert Habeck (Grüne) zuletzt beharkt haben, soll es nun eine „Gesamtlösung“ geben. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Gasumlage steht vor dem Aus. Finanzminister Lindner arbeitet an einem Finanzierungsplan außerhalb der Schuldenbremse, um die Energiepreise staatlich zu begrenzen – dafür sollen die Grünen in der Atomfrage nachgeben.

Für die Opposition ist das energiepolitische Hin und Her innerhalb der Regierung „ein Stück aus dem Tollhaus“, wie es Andreas Jung ausdrückt, der zuständige Experte der Unionsfraktion im Bundestag: „Robert Habeck beschimpfte uns am Mittwoch im Bundestag, als wir die Aufhebung der Gasumlage forderten – nur wenige Tage später hat er sich nun mit der ganzen Ampel unserer Auffassung angeschlossen.“

Tatsächlich hat die Bundesregierung in kürzester Zeit eine Kehrtwende vollzogen. So ist die Umlage von 2,4 Cent pro Kilowattstunde, mit der alle Kunden vom 1. Oktober an die in arge Bedrängnis geratene Gasimportbranche stabilisieren helfen sollten, de facto vom Tisch. Diese sei zwar „kein Fehler“ und noch im August „ein der Lage angemessener Beschluss der Bundesregierung“ gewesen, so Vizeregierungssprecher Wolfgang Büchner am Montag. Da sich die Situation angesichts inzwischen ganz ausgebliebener russischer Gaslieferungen verändert habe, werde man nun „eine Alternative zu den bisherigen Themen finden“. Man arbeite an einer „geordneten Gesamtlösung“, ergänzte eine Sprecherin von Habecks Wirtschaftsministerium: „Wir können nicht auf der einen Seite über eine Deckelung und auf der anderen Seite über eine Umlage reden.“

Grüne und Liberale geben sich für Gasumlage gegenseitig Schuld

Von Liberalen und Grünen gibt es unterschiedliche Geschichten dazu, wie es überhaupt zu der Umlage kommen konnte, die Gas in der ohnehin kostspieligen Lage noch teurer macht. In der Version der Umweltpartei beharrte Finanzminister Christian Lindner von der FDP anfangs darauf, keine Rettung von Importfirmen wie Uniper aus dem Staatshaushalt finanzieren zu wollen, weshalb der Markt über die unpopuläre Umlage habe geschützt werden müssen. Das bestreiten die Liberalen, die wiederum dem grün geführten Ministerium vorwerfen, kein anderes Instrument ersonnen zu haben.

Nun hat sich auch FDP-Chef Lindner, von dem die Grünen sagen, er habe sie dazu gezwungen, von der Umlage abgewandt: „Es stellt sich die Frage nach der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit.“ Stattdessen hat er eine Gaspreisbremse ins Spiel gebracht, um Haushalte wie Unternehmen „vor extremen Belastungsspitzen zu schützen“. Ausgangspunkt dafür war der Koalitionsbeschluss zum dritten Entlastungspaket, eine entsprechende Expertenkommission einzusetzen.

„Das Problem bei der Wurzel packen“

Hinter dem neuen Instrument, das FDP-Fraktionschef Christian Dürr zufolge nicht Symptome zu hoher Energiepreise bekämpfen, sondern „das Problem bei der Wurzel packen“ soll, steht auch ein gewisses Zugeständnis der Liberalen. War dort bisher davon die Rede, teure Krisenmaßnahmen seien nicht finanzierbar, wird nun eine staatliche Preisdeckelung unterstützt – freilich nicht ohne ein Entgegenkommen vom Koalitionspartner zu verlangen. „Wir sind bereit, die Gaspreisbremse als Mittel einzusetzen“, so Dürr, „anders herum erwarten wir dafür von den Grünen, dass sie den Weg für den längeren Betrieb der Kernkraftwerke frei machen.“

Die Forderung, in dieser Lage nicht nur zwei deutsche Atommeiler in einer Notreserve zu halten, sondern die Laufzeit aller drei verbliebenen AKW bis 2024 zu verlängern, erheben die Liberalen schon länger. Die Grünen dagegen wehren sich gegen eine Verknüpfung beider Themen. Die bestätigte Arbeit an einer „Gesamtlösung“ freilich deutet in eine andere Richtung – zumal diese dem Regierungssprecher Büchner zufolge auch „sehr schnell“ kommen soll.

Die Finanzierungsfrage soll „in Kürze“ beantwortet sein

Völlig unklar bleibt indes die Finanzierungsfrage, die Lindner noch nicht beantwortet hat. Eine große staatliche Preissenkungsinitiative kostet Geld. Für Grünen-Chefin Ricarda Lang ist klar, dass für die Alternative zur bisherigen Energiekrisenpolitik der Koalition nur „eine Finanzierung aus Haushaltsmitteln“ in Betracht kommt. Doch der Finanzminister besteht weiter darauf, im nächsten Jahr nicht erneut die Schuldenbremse auszusetzen: „Volkswirtschaftlich dürfen wir uns nicht strangulieren.“

Also wird intern über Lösungen außerhalb der Schuldenbremse diskutiert. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich erinnerte etwa an das Sondervermögen für die Bundeswehr. Lindner wiederum denkt offenbar eher an bestimmte Instrumente aus der Coronazeit, etwa ein Eingreifen der Kreditanstalt für Wiederaufbau oder den Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Details, so Dürr, werde sein Parteichef nach Gesprächen mit den Koalitionspartnern „in Kürze“ nennen.