Aufbau einer Windkraftanlage in Dornstadt Foto: dpa

Bei der Sicherung der Energieversorgung setzt Baden-Württemberg auf Windenergie. Rudolf Kastner, Chef des Südwest-Energieverbands VfEW, zu den Ausbauplänen.

Stuttgart – Bei der Sicherung der Energieversorgung setzt Baden-Württemberg in den kommenden Jahren in hohem Maß auf Windenergie. Rudolf Kastner, Chef des Südwest-Energieverbands VfEW, zu den Ausbauplänen. -
Herr Kastner, die Reform der deutschen Ökoförderung steht. Was bedeuten die Beschlüsse für Baden-Württemberg?
Ein zentraler Punkt für das Land ist der Ausbau der Windenergie, und ich denke, dass es da tatsächlich positive Signale gibt. Strom aus Windanlagen soll nun mit knapp neun Cent je Kilowattstunde vergütet werden. Das ist ausreichend. Außerdem konnten sich Länder wie Baden-Württemberg mit ihrer Forderung durchsetzen, bei den sogenannten Referenzerträgen nachzusteuern. Vereinfacht heißt das, dass es nun wirtschaftlicher wird, Anlagen auch an Standorten zu betreiben, die nicht zu den windreichsten in der Republik gehören. Davon gibt es in Baden-Württemberg sehr viele. Ohne den jetzt gefundenen Kompromiss wäre es schwer, die Windkraft in Baden-Württemberg erfolgreich auszubauen. Auf dem Großteil der Flächen müsste Windkraft nun aber möglich und auch wirtschaftlich sein.
Die Landesregierung sieht die Lage aber nicht so positiv und hat Nachbesserungen bei der Förderung gefordert . . .
Natürlich würden höhere Vergütungen die Anlagen rentabler machen. Aber man muss die Kosten im Auge behalten. Außerdem wird über einen Effekt im Moment gar nicht geredet. Im Windanlagenbau gibt es gerade einen erheblichen Angebotsüberhang. Es gibt eine ganze Reihe von Herstellern, die nicht ausgelastet sind. Die Überkapazitäten sind zwar nicht mit denen im Fotovoltaikbereich vergleichbar, aber einen Druck auf die Preise gibt es schon. Ich gehe davon aus, dass Windräder in Zukunft günstiger werden. Dann kann man wieder anders kalkulieren. Außerdem werden die Anlagen immer effizienter. Sie holen also aus weniger Wind mehr Ertrag heraus. Auch das ist positiv für die Wirtschaftlichkeit.
Stadtwerke klagen im Moment gerade noch über ein anderes Problem – steigende Pachten für die Flächen, auf denen die Anlagen errichtet werden . . .
Man muss in der Tat aufpassen, dass nicht einige wenige hier ein Geschäft machen, ohne ein unternehmerisches Risiko zu tragen. Die Konkurrenz um die verfügbaren Flächen wird auch nach meiner Kenntnis immer größer. Das kann dazu führen, dass eher große Anbieter und Projektentwickler beim Bau zum Zug kommen.
Die Bürgerenergiegenossenschaften, die jeden Cent zusammenkratzen müssen, werden also abgehängt?
Zunächst muss man sagen, dass die Bürger bislang eher im Fotovoltaikgeschäft engagiert sind. Es ist sehr positiv, dass sich viele Bürger für die Energiewende engagieren. Allerdings sind die Zeiten, in denen Bürgerinitiativen allein Windkraftprojekte realisieren konnten, wahrscheinlich tatsächlich vorbei. Dafür sind die Anlagen heute viel zu teuer geworden. In den Anfängen der Windkraft sprach man von Windrädern mit einer Leistung von 250 Kilowatt. Heutige Anlagen haben 2,5, sogar drei oder vier Megawatt Leistung. Eine Einzelanlage ist kaum unter fünf Millionen Euro zu haben. Außerdem werden die Räder immer seltener einzeln, sondern verstärkt in Parks von mehreren Anlagen errichtet. Da kommen leicht zweistellige Millionensummen als Investitionen zusammen. Das nötige Geld bekommen sie im Umkreis von ein paar Dörfern einfach nicht mehr zusammen.
Was bedeutet das?
Das bedeutet, dass Projekte in Zukunft zusehends von mehreren Investoren getragen werden müssen. Beispielsweise gehen dann Stadtwerke mit an Bord oder mehrere Stadtwerke kooperieren. Kooperationen werden im Bereich der erneuerbaren Energien grundsätzlich wichtiger – übrigens auch für die großen Spieler im Markt. Die Energieversorger haben selbst teils nicht mehr die Mittel, Projekte alleine zu finanzieren, da ihnen die Umwälzungen im Energiegeschäft wirtschaftlich zusetzen. Denken Sie nur an die Hunderte Millionen Euro schweren Off-Shore-Projekte. Die Szene wird bunter.
Viele Windräder stehen im Norden, ihr Strom muss aber in den Süden. Die dafür nötigen Trassen gibt es noch nicht. Laufen wir da nicht zwangsläufig in Probleme hinein?
Der Ausbau der großen Nord-Süd-Verbindungen ist in der Tat ein neuralgischer Punkt der Energiewende. Wir brauchen diese Trassen dringend. Spätestens, wenn die Kernkraftwerke in Süddeutschland vom Netz gehen, müssen sie realisiert sein. Sonst haben wir ein massives Problem.
Ist es nicht möglich, die Winderzeugung im Südwesten stärker auszubauen und die Abhängigkeit von den Leitungen zu vermindern?
Die anfänglichen Pläne der Landesregierung beruhten grob gesagt auf dieser Idee: durch einen starken Ausbau der Solar- und Windkraft, ergänzt durch flexible, saubere Gaskraftwerke, die in Dunkelheit und Flaute einspringen, die Energieversorgung zu sichern. Das hat aber nicht geklappt. Der Windausbau geht noch zu schleppend voran, und in Gaskraftwerke wird nicht investiert, weil sich die Anlagen nicht mehr amortisieren. Durch den Boom von Ökoenergie haben wir sehr oft zu viel Strom im Markt. Die Börsenpreise sind auch aus diesem Grund so niedrig, dass sich der Bau von neuen konventionellen Kraftwerken nicht mehr lohnt. Sie produzieren schlicht zu teuer. Sogar bestehende Meiler sollen abgeschaltet werden, weil sie Verluste einfahren. Darum brauchen wir die Leitungen aus dem Norden.
Und wir brauchen eine Notreserve, wenn tatsächlich die Sonne nicht scheint und der Wind nicht weht?
Wir brauchen Kraftwerke, die sozusagen die meiste Zeit des Jahres im Stand-by-Modus sind und nur hin und wieder anfahren. Das zu organisieren ist aber schwer. Viele Konzepte, etwa Kapazitätsmärkte oder eine strategische Reserve, liegen hier vor. Im Herbst soll das auch politisch auf die Tagesordnung kommen.
Mehr Ökoenergie, kostspieliger Neubau von Netzen, Kraftwerke, die in Lauerstellung gehalten werden müssen. Wie teuer wird das alles noch?
Im Moment geht selbst die Politik nicht mehr davon aus, dass die EEG-Umlage sinken wird. Sie sollte ja mal bei 3,5 Cent je Kilowattstunde gehalten werden. Jetzt liegt sie bei 6,24 Cent. In dieser Region wird sie bestenfalls bleiben. Für den Strompreis bedeutet alles zusammengenommen, dass er eher steigen wird. Sinkende Strompreise sehe ich nicht.
Der VfEW selbst hat unruhige Zeiten hinter sich. Zu Beginn des Jahres hat sich der Verband vom bisherigen Geschäftsführer Matthias Wambach getrennt. Ein ungewöhnlicher Vorgang in einem Verband, es war von massiven Unstimmigkeiten die Rede.
Ich würde das nicht so hoch hängen. Es war wie in einem normalen Unternehmen auch. Hin und wieder trennt man sich von seinem Geschäftsführer, wenn die Basis der Zusammenarbeit nicht mehr stimmt. Das war Anfang des Jahres der Fall bei uns. Die Sache ist aber jetzt abgeschlossen.
Wie geht es jetzt weiter?
Mit Torsten Höck haben wir vor kurzem einen Nachfolger als VfEW-Geschäftsführer gefunden, der die politischen Kontakte, etwa mit dem Land, intensivieren soll. Er hat bisher schon hinter den Kulissen viel gute Arbeit geleistet. Für die Zukunft sind wir sehr zuversichtlich.