Das Haus auf dem Killesberg soll Energie an Nachbarn abgeben Foto: Werner Sobek, Stuttgart

Von Mai an erfährt die Weißenhofsiedlung auf dem Killesberg eine moderne Ergänzung. Der Stuttgarter Uniprofessor Werner Sobek und weitere Projektträger bauen ein Zukunftshaus auf. Es soll das Doppelte der selbst benötigten Energie erzeugen.

Stuttgart - 18 Monate nach der ersten Vorstellung im Gemeinderat will der Bauingenieur und Architekt Werner Sobek das E-Lab betitelte Haus am Bruckmannweg 10 bezugsfertig haben. Das 85 Quadratmeter große Wohnhaus werde 200 Prozent des eigenen Energiebedarfs erzeugen und damit das benachbarte Haus von Le Corbusier mit versorgen können, sagte Sobek am Dienstag bei der Vorstellung im Technischen Ausschuss des Gemeinderates.

„Das ist ein wegweisender Ansatz: Neue Häuser sollen alte mit versorgen“, sagte der international tätige Hochschullehrer. Nur auf diese Weise könne die Energiewende noch geschafft und womöglich auf teure Leitungstrassen für abgelegene Windparks verzichtet werden.

Auf dem städtischen Grundstück stand bis zur Kriegszerstörung ein Haus von Richard Döcker. Der Schüler des Architekten Paul Bonatz war 1927 Bauleiter der Weißenhofsiedlung. Die tragende Struktur von Döckers Haus bestand, wie jetzt beim E-Lab, aus Holzbalken.

Damit enden die Gemeinsamkeiten aber bereits, denn das dreiteilige, von der Fertigbaufirma Schwörer mit konzipierte Gebäude wird Komponenten erhalten, die nicht von der Stange sind. So soll sich um die Holzständer auf einem Metallrahmen eine textile Membran als Außenhaut spannen. Gedämmt wird mit Zellulose und Vakuum-Isolierpaneelen. Die zur Straße gelegene Hausseite wird voll verglast sein. Das Vakuumglas kommt aus China, die Rahmen aus der Schweiz. „Der Wärmedämmwert ist doppelt so hoch wie beim besten Fenster, das sie heute bekommen können“, sagte Sobek.

Auf dem Dach erzeugen Fotovoltaikzellen und Kollektoren Strom und Warmwasser, im Garten dient ein zwölf Kubikmeter großer Eistank als Pufferspeicher. Weitere Eingriffe in das Gelände sind nicht vorgesehenen. Das 15 auf sechs Meter große Gebäude wird auf Gabionen, mit Schotter gefüllten Drahtkörben, gegründet. Als weitere Besonderheit kann abends die Terrasse als Blickschutz vor die Fassade geklappt werden.

2,1 Millionen Euro kosten Planung, Bau, Betrieb und Abbau des Hauses. Das Geld wird von der Industrie aufgebracht, die Stadt stellt kostenfrei das Grundstück. 1,77 Millionen Euro werden aus Bundesmittel im Rahmen der Elektromobilität fließen. Das Gebäude soll neben dem Nachbargebäude auch ein Elektroauto (E-Smart) und ein Elektrofahrrad versorgen. Das E-Lab sei natürlich komplett recycelbar, sagte Sobek, „ich bin mir aber sicher, dass es jemand kaufen wird“. Der Aufbau soll bis Mai abgeschlossen sein. Ein Jahr lang soll das Gebäude für Demonstrationszwecke öffentlich zugänglich, dann, um weitere Erfahrung mit der Technik zu sammeln, von Juli 2015 bis Juni 2016 privat bewohnt werden. Dafür werden noch Aspiranten gesucht.

Die Fraktionen im Gemeinderat begrüßten das Projekt grundsätzlich. Peter Pätzold von den Grünen gab aber zu bedenken, dass es die Probleme der Stadt mit ihrem Bestand an Altbauten nicht lösen könne. Auch Tom Adler (Linke) fragte nach der Übertragbarkeit auf den in Städten vorherrschenden Geschosswohnungsbau.

Das Konzept sei ausbaubar, so Sobek, mit Holz könnten bis zu neun Geschosse erstellt werden. Heute klebe man „Sondermüll“ in Form von Fassadenplatten an Häuser, um sich gegen die absehbare Endlichkeit von Ressourcen wie Erdöl zu stemmen. Sobek dagegen setzt auf nachwachsende und wiederverwertbare Materialien und Technik: „Wir haben einen grundlegend anderen Ansatz.“

Der konnte aber nicht alle überzeugen. „Der charmante Gedanke bei dem Gebäude ist, das es 2016 wieder weg ist“, sagte Gangolf Stocker (SÖS).