Aus Deutschland fließt Gas nach Polen. Foto: dpa/Stefan Sauer

Obwohl die Speicher hierzulande noch sehr viel Platz haben, wird Gas zu den Nachbarn geschickt. Das hat allerdings gute Gründe.

Die Welt der sogenannten sozialen Netzwerke ist empört. Deutschland füllt polnische Gasspeicher – aber nicht die eigenen, heißt es da. Entsprechende Beiträge werden tausendfach geteilt. Was ist dran an der Behauptung?

Gas fließt in der Regel durch Pipelines. Und das europäische Röhrennetz ist gewaltig. Insgesamt 225 000 Kilometer – vom Norden in Deutschland bis in den Süden Portugals. Wenn nun russisches Gas durch eine Pipeline nach Deutschland fließt, dann bedeutet das nicht automatisch, dass das Gas auch in Deutschland bleiben muss. Dort liegt lediglich das Zwischenlager, bevor der Transport weitergeht.

Polnische Speicher sind fast voll

Das ist vergleichbar mit Lebensmitteln: Die werden in der Regel auch nicht vom Feld an den Endkunden geliefert, sondern kommen erst in die Lager von Groß- und Zwischenhändlern – bevor sie dann an den eigentlichen Konsumenten übergeben werden. Dass Gas zunächst nach Deutschland kommt, aber nie dauerhaft für Deutschland bestimmt gewesen ist, das ist daher absolut nicht ungewöhnlich.

Auf dem freien Markt der Europäischen Union wird Gas von privaten Firmen gehandelt, denen auch die Fernleitungen und Gasspeicher gehören, schreibt das Bundeswirtschaftsministerium auf seiner Internetseite. Entsprechend ihrer Vertragsbeziehungen wird Gas geliefert – auch nach Polen. Wie lange diese Lieferungen noch anhalten werden, ist offen: Die polnischen Speicher sind derzeit mit nahezu 99 Prozent gefüllt. Im Vergleich dazu haben die deutschen Speicher noch Luft: Hier sind erst 67 Prozent des Platzes belegt. Allerdings sind die deutschen Speicher auch rund sechsmal größer.

Wie Deutschland profitieren könnte

Anders als in den sozialen Medien unterschwellig suggeriert, stammt das polnische Gas nicht ausschließlich aus Deutschland. Das polnische Klima- und Umweltministerium erklärt gegenüber der Rechercheplattform „Correctiv“, man beziehe Gas aus „unterschiedlichen Quellen“. Ein Großteil stamme aus LNG-Terminals. Ebendiese Terminals zum Anlanden von Flüssiggas per Schiff könnten in nicht allzu ferner Zukunft für Deutschland wichtig werden. Bei einem völligen Lieferstopp von russischem Pipelinegas wären sie eine verbleibende Möglichkeit, wie die Bundesrepublik weiter Gas beziehen könnte. Eigene LNG-Terminals hat Deutschland derzeit noch nicht – man müsste dann Gas aus Polen importieren.