Der Gaskessel ist ein markantes Industriedenkmal, er diente einst dazu, Stadtgas aus Kohle zu erzeugen. Foto: Archiv Lichtgut/Leif Piechowski

Klimaschützer engagieren sich für Solarmodule auf dem stillgelegten Gaskessel in Stuttgart-Ost. Das Industriedenkmal könnte rund 700 Haushalte versorgen. Ist das rentabel? Und was sagt der Denkmalschutz dazu?

Den Gaskessel in Stuttgart-Gaisburg wieder zur Energiegewinnung zu nutzen ist für Frank Schweizer eine Herzensangelegenheit. Vielen Stuttgartern dürfte der frühere Ingenieur, der 2013 als unabhängiger Kandidat für die Bundestagswahl antrat, als vehementer Gegner von Stuttgart 21 in Erinnerung geblieben sein. Seit vielen Jahren engagiert er sich beim Verein Solar e.V., der sich für den Ausbau der Photovoltaik in Stuttgart einsetzt. Derzeit kämpft Schweizer dafür, dass der Gaskessel mit einer Solaranlage bestückt wird.

„Großstädte haben ein enormes Potenzial und genügend Raum für die Erzeugung erneuerbarer Energien. Stuttgart kann da viel mehr tun“, sagt der studierte Ingenieur. Die Landeshauptstadt sollte seiner Meinung nach viel mehr Dächer von öffentlichen Gebäuden mit Photovoltaik ausstatten. Um der Stadtverwaltung Beine zu machen, hat er mit Unterstützung von Solar e.V. selbst die Initiative ergriffen. „Wir prüfen alle möglichen öffentlichen Flächen, ob sie für Photovoltaikanlagen geeignet sind“, sagt Schweizer. Schnell wurde er auf den Flüssiggas-Speicher im Stuttgarter Osten aufmerksam, der seit 2021 stillgelegt ist.

Der Gaskessel als starkes Symbol für erneuerbare Energien

Der Gaskessel ist ein markantes Industriedenkmal. Er diente einst dazu, Stadtgas aus Kohle zu erzeugen. Nach der Inbetriebnahme im Jahr 1899 wurde die Gasanlage stetig ausgebaut, bis sie in den 1920er Jahren zum zentralen Versorger des Mittleren Neckarraums wurde. Höhepunkt der Entwicklung war 1928 der Bau des großen MAN-Gasbehälters, eines Scheibenbehälters mit einem Durchmesser von 69 Metern, einer Höhe von mehr als 100 Metern und einem Fassungsvermögen von 300 000 Kubikmetern. Als nach dem Krieg die Stadtgas-Produktion vom Erdgas abgelöst wurde, diente die Anlage als Speicher- und Verteilungszentrum. Heute ist sie weitgehend abgebaut, nur der denkmalgeschützte MAN-Gasbehälter ist übrig geblieben.

Für Frank Schweizer wäre es ein starkes Signal, wenn das Gebäude, das hauptsächlich als Ausflugsziel für Touristen dient, wieder für die Stromgewinnung genutzt werden würde. Um die Stadt und den Eigentümer EnBW von der Idee zu überzeugen, ließ Solar e.V. ein Ingenieurbüro prüfen, inwieweit das Bauwerk wieder als Teil der Stuttgarter Energieinfrastruktur genutzt werden könnte. Nun hat Bastian Zinßer, der sich auf PV spezialisiert hat, seinen Bericht vorgelegt. Das Fazit: Würde man das Dach und die Seitenflächen mit Solaranlagen ausstatten, könnte ein Jahresertrag von 1781 Megawattstunden erzeugt werden. Das entspricht in etwa dem Verbrauch von 712 durchschnittlichen Stuttgarter Haushalten.

Solaranlage auf Gaskessel weniger wirtschaftlich als herkömmliche Anlage

„Die Installation einer PV-Anlage auf dem Gaskessel wäre ein sichtbares Symbol für die Gewinnung erneuerbaren Stroms“, sagt Zinßer. Wie wirtschaftlich das Projekt ist, könne er jedoch nicht genau abschätzen. Eine Solaranlage auf einer Wiese oder an der Autobahn sei sicherlich weitaus ertragreicher. „Wenn man den Strom zu 100 Prozent ins Stromnetz einspeist, wird die Anlage nicht wirtschaftlich zu betreiben sein.“ Trotzdem könne sich das Projekt bei den derzeit sehr hohen Strompreisen finanziell für den Betreiber lohnen, wenn der Strom direkt vor Ort verbraucht würde.

Bleibt die Frage, welchen Aufwand die EnBW bereit ist zu betreiben, um ein Symbol für erneuerbaren Strom zu schaffen. Die erste Reaktion auf den Bericht fällt positiv aus: „Generell ist uns die Idee von Solarpaneelen auf dem Gaskessel vor dem Hintergrund unseres eigenen Engagements für die Energiewende natürlich sehr sympathisch. Die Studie zeichnet nach einer ersten Durchsicht durch unsere Fachleute ein realistisches Bild der Möglichkeiten und Herausforderungen“, teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Es blieben jedoch Fragen der Statik und der Wirtschaftlichkeit zu klären. Man werde das Projekt allerdings weiterverfolgen.

Die Stadt zeigt sich grundsätzlich offen für das Projekt

Schließlich hat der Denkmalschutz noch ein Wort mitzureden. Bis vergangenes Jahr galt er als Hemmschuh beim Klimaschutz. Inzwischen sieht eine Änderung der grün-schwarzen Landesregierung im Denkmalschutzgesetz jedoch einen Vorrang für Klimaschutzmaßnahmen vor. Ob der Stadt Stuttgart deshalb nichts anderes übrig bleibt, als der Verkleidung des Gaskessels mit PV-Anlagen grünes Licht zu geben, bleibt abzuwarten. „Der Ansatz ist natürlich interessant, und die Studie bietet einen guten Anlass, das Thema aufzugreifen,“ ließ der Sprecher der Stadt, Harald Knitter, verlauten. Eine genauere Einschätzung des Berichts sei derzeit krankheitsbedingt nicht möglich.