Heiße Angelegenheit: Die von Spiegeln gebündelte Solarstrahlung produziert in einem Reaktor in Südspanien Wasserstoff. Foto: DLR/Ernsting

Ein kleines Versuchskraftwerk in Südspanien produziert Wasserstoff direkt aus Sonnenstrahlen und Wasser. Der Wasserstoff könnte als Grundlage für die Produktion klimafreundlicher synthetischer Kraftstoffe dienen.

Stuttgart - In Andalusien lenken riesige Spiegel die Strahlen der südspanischen Sonne auf einen Turm, der helfen könnte, eines der großen Probleme der Energiewende zu lösen – nämlich die Speicherung überschüssigen Ökostroms. In dem Projekt geht es um die Frage, wie sich aus Solarenergie nachhaltiger Sprit herstellen lässt. Denn Hochseeschiffe oder Langstreckenflugzeuge werden sich in absehbarer Zukunft kaum auf Elektroantrieb umstellen lassen.

Für die Produktion solcher synthetischen Treibstoffe benötigen die Ingenieure Wasserstoff, der heute meist aus Erdgas hergestellt wird. Genau diesen Wasserstoff wollen Forscher des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und deren Partner mit der im Turm gebündelten Solarenergie bei höllischen Temperaturen bis zu 1400 Grad Celsius erzeugen.

Natürlich könnte man aus Wasser auch mit elektrischem Strom aus Sonnen- oder Windenergie Wasserstoff herstellen. Allerdings landen bei diesem Elektrolyse genannten Verfahren nur 30 Prozent der eingefangenen Sonnenenergie im Wasserstoff. Mithilfe des in Südspanien untersuchten solarchemischen Verfahrens könnte der Wirkungsgrad theoretisch auf 40 Prozent verbessert werden, wodurch die Produktion zugleich wirtschaftlicher würde. „Weil die gebündelten Sonnenstrahlen den Umweg über den elektrischen Strom vermeiden, könnte dieser Weg in Zukunft billiger sein“, erklärt DLR-Physiker Thomas Fend den Vorteil der Methode, die er und seine Kollegen in der spanischen Provinz Almeria untersuchen.

Langer Weg zur Praxisreife

In der Praxis steckt das Verfahren allerdings noch in den Kinderschuhen und die Forscher sind aktuell mit höchstens vier Prozent Wirkungsgrad weit vom theoretisch erreichbaren Wert entfernt. Das erinnert an die Anfangszeit der Fotovoltaik: Damals kämpften Solarzellen ebenfalls mit viel schlechteren Wirkungsgraden und erheblich höheren Kosten als heute. Genau wie der Sonnenstrom ist auch Wasserstoff ein Tausendsassa, der für die Herstellung von Dünger genauso wichtig ist wie für die Produktion von synthetischen Treibstoffen. Zudem kann er in Gaskraftwerken oder Brennstoffzellen auch direkt zur Stromproduktion eingesetzt werden. Die DLR-Ingenieure haben also gute Gründe, die solarchemische Herstellung von Wasserstoff im Hydrosol-Projekt der Europäischen Union weiterzuentwickeln.

Dabei treffen die von 200 jeweils sechs Meter langen und ebenso hohen Spiegeln gebündelten Sonnenstrahlen in der Kuppel eines Turms auf einen Reaktor, der einen Durchmesser von fast einem Meter hat. Dort konzentriert ein verspiegelter Trichter die Strahlung weiter und heizt damit den Reaktor und den Keramik-Schaum, der seinen Innenraum auskleidet, auf Temperaturen bis zu 1400 Grad Celsius auf. Diese Höllenglut entreißt der aus Nickel-Ferrit oder Cer-oxid bestehenden Keramik einige der dort gebundenen Sauerstoffatome, die aus dem Reaktor herausströmen.

Ein Zyklus dauert eine halbe Stunde

In einem zweiten Schritt werden die Sonnenstrahlen nicht mehr in den Reaktor geleitet, der so rasch auf 1000 bis 800 Grad abkühlt. Jetzt lassen die Forscher Wasserdampf in den Reaktor strömen, dem die abgekühlte Keramik Sauerstoff entreißt und so den im ersten Schritt abgegebenen Sauerstoff wieder ersetzt. Dadurch bleibt vom Wasserdampf nur Wasserstoff übrig, der jetzt aus dem Reaktor strömt und dort für eine weitere Verwendung gespeichert werden kann.

„Der gesamte Zyklus dauert rund eine halbe Stunde und kann anschließend wiederholt werden“, erklärt Thomas Fend. In jedem Zyklus entstehen so aus Wasser der in der Luft ohnehin reichlich vorhandene Sauerstoff und Wasserstoff, der zum Beispiel zu Methan, Methanol, Benzin oder Kerosin weiterverarbeitet werden kann. Verbrennen die klimaneutral hergestellten Treibstoffe in Flugzeugtriebwerken, Schiffsmaschinen oder anderen Motoren, wird unter dem Strich kein zusätzliches Kohlendioxid freigesetzt. Und bei der Verwendung von reinem Wasserstoff – etwa in einem Kraftwerk oder einer Brennstoffzelle – entsteht ohnehin nur Wasser.

Suche nach besseren Materialien

Noch ist Hydrosol ein reines Forschungsprojekt, bis zur Anwendung in der Industrie müssen noch viele Eigenschaften des Reaktors verbessert werden. „Vielleicht finden wir ja andere Materialien, die Sauerstoff bereits bei niedrigeren Temperaturen abgeben und können so das Verfahren weiter verbessern“, überlegt Thomas Fend. Für eine preiswertere Wasserstoffherstellung sollte die Keramik auch haltbarer als bisher sein. Aber solche und eine Reihe weiterer Probleme scheinen lösbar. Gelingt das, könnte das Verfahren bereits in rund zehn Jahren in der Industrie den ersten nachhaltigen Wasserstoff liefern, hoffen die Forscher.

Allerdings dürften solche Anlagen dann kaum in Mitteleuropa, sondern eher im Süden Spaniens und Italiens, in Griechenland oder in den Wüsten Nordafrikas und Arabiens entstehen. Die Sonne strahlt nämlich in Deutschland jährlich gerade einmal 800 Kilowattstunden Energie auf jeden Quadratmeter. In der Provinz Almeria in Andalusien sind es dagegen bereits 1800 Kilowattstunden, in der Sahara sieht es noch etwas besser aus und in Chile werden mancherorts sogar Werte über 3000 Kilowattstunden erreicht. Die Zukunftsvision der Forscher: Deutschland exportiert solarchemische Wasserstoffanlagen in sonnenreiche Länder – die damit nicht nur ihren eigenen Bedarf decken, sondern auch grünen Wasserstoff oder daraus gewonnene Treibstoffe nach Mitteleuropa exportieren können. Von diesem Tauschhandel könnten beide Seiten profitieren – und natürlich auch die Umwelt.

Wasserstofftanks brauchen viel Platz

Gewicht Der Brennwert von flüssigem Wasserstoff ist bezogen auf das Gewicht sehr hoch: Während ein Kilogramm Superbenzin beim Verbrennen zwölf Kilowattstunden (kWh) Energie liefert, steckt in einem Kilogramm flüssigem Wasserstoff fast die dreifache Menge an Energie: 33,3 kWh. Ein Kilogramm Autogas – ein ebenfalls flüssiges Gemisch aus Propan und Butan – liefert dagegen nur 12,8 kWh.

Volumen Bezogen auf das Volumen hat Wasserstoff allerdings nur eine geringe Energiedichte. Ein Liter flüssiger Wasserstoff wiegt gerade einmal 70 Gramm. Die gleiche Menge Superbenzin bringt dagegen 740 Gramm auf die Waage, beim Autogas sind es immerhin noch 540 Gramm. Für eine ähnliche Reichweite wie bei Superbenzin braucht ein Wasserstofftank daher rund viermal mehr Platz.

Synthetiksprit Flugzeuge und Schiffe bräuchten für große Entfernungen riesige Flüssig-Wasserstoff-Tanks, deren Isolierung weiteren Platz kostet und das Gewicht vergrößert. Als Alternative bieten sich synthetische Kraftstoffe an, die aus regenerativ erzeugtem Wasserstoff hergestellt werden können. Diese können bezogen auf das Volumen mehr Energie speichern, was kleinere Tanks erlaubt.

https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.synthetische-kraftstoffe-neuer-sprit-soll-mensch-und-klima-schuetzen.3dd903c0-cba2-4a8c-ac51-19c529a8f3ea.html