Die Noch-Punk-Kneipe: Wenn es in der Traube ein Konzept gibt, dann das Konzept, dass es keinerlei Konzept gibt. Foto: factum/Simon Granville

Die Sanierungspläne für das historische Gasthaus Traube sind fertig. Die Livemusik-Pinte von Andreas Ankele wird im runderneuerten Haus keinen Platz haben. Gedacht ist an gehobene Speisegastronomie. Spott dafür ist garantiert.

Sindelfingen - Mancher Rettungsversuch dürfte die zu Rettenden zumindest im Stillen amüsiert haben. Die Traube biete „niederschwellige Auftrittsmöglichkeiten“ und leiste „einen Beitrag zur musikalischen Subkultur“. So hatte der Grünen-Stadtrat Tobias Bacherle für die Erhaltung der Kneipe argumentiert. Solche Formulierungen benutzt der gemeine Punk allenfalls ironisch. Andreas Ankele ist ein Punk, was bemerkenswert genug ist im Alter von mehr als 60 Jahren und – nebenbei – nach schwerer Krankheit. Ankele ist auch Wirt der Traube, der aktuellen Traube, eines speziellen Lokals.

Der historische Bau an der Langen Straße ist seit Jahrhunderten ein Gasthaus. Vor fast 20 Jahren schon war Ankele dort eingezogen. Alsbald wurde die wohnzimmergroße Pinte Punkern in ganz Süddeutschland ein Begriff. Dies formal gesehen, weil dort Punkbands tatsächlich aus aller Welt spielen. Die letzte Live-Party ist erst ein paar Tage her. Herrengedeck Royal, Kassengipht und die Backstreet Ois krawallbrüderten.

Das Konzept der Kneipe ist, dass es keinerlei Konzept gibt

Überdies ist die Traube schlicht die letzte ihrer Art. Wenn es in dieser Pinte ein Konzept gibt, dann das Konzept, dass es keinerlei Konzept gibt. Fragen Unwissende den Wirt nach seiner Empfehlung, empfiehlt er eine andere Kneipe. „Unerfreulicher Barkeeper, versiffter Laden.“ So urteilte ein Fremder online. Offenbar eine Stammgästin preist hingegen „die außergewöhnliche Hygiene und das Trüffelbier“. Solche Scherze gelten in Onlineforen als gelungen. Die erste Bewertung dürfte dem Allgemeinempfinden entsprechen. Dem würde Ankele selbst als letzter widersprechen. Eben deswegen lieben die Stammgäste die Pinte.

In der künftigen Traube werden sie garantiert nicht mehr sitzen. Das denkmalgeschützte Haus, erbaut im Jahr 1460, wird saniert. So haben es die Wohnstätten Sindelfingen bekannt gegeben, die städtische Immobilientochter, zum ersten Mal schon vor drei Jahren. Etliche Gutachten, denkmalschützerische Bedenken und einen Architektenwettbewerb später ist es nun amtlich und dokumentiert mit einem Foto des Oberbürgermeisters Bernd Vöhringer, des Wohnstätten-Geschäftsführers Georgios Tsomidis und des Architekten Martin Ritz vor den Plänen.

Der neue Pächter wird den Trüffelbier näher stehen als dem Siff

Vermutlich Ende des kommenden Jahres wird die Runderneuerung beginnen. Die Bauzeit „lässt sich nicht seriös einschätzen“, sagt der Projektleiter Hans-Andreas Schwarz. Häuser solchen Alters bergen stets Überraschungen – genauso wie der Umgang mit dem Denkmalamt. Fest steht, dass der künftige Pächter dem Trüffelbier näherstehen wird als dem Siff. Gedacht ist an gehobene Speisegastronomie. Bissige Kommentare der Traube-Fans begleiten diese Botschaft. Das sind nicht wenige. Schon im Herbst 2016 war bekannt geworden, dass der Punk in der Kneipe keine Zukunft haben soll. Damals zeugte eine Unterschriftenliste davon, dass 450 Sindelfinger sich gegen das Aus erheben wollten. Vöhringer nahm sie entgegen. Seitdem bekam die Kneipe eine Gnadenfrist nach der anderen. Die erste begann am 1. April 2017 und währte theoretisch drei Monate. Die nunmehr letzte ist bis zum Sanierungsbeginn befristet, vermutlich bis Ende 2020. Ankele hatte über die Gnadenjahre hinweg immer wieder Ideen, wo in Sindelfingen der Punk und seine Fans eine neue Heimat finden könnten. Gleichsam standesgemäß hat er keine davon ernsthaft verfolgt.

Dabei ist es geblieben. „Einen konkreten Plan wohin, habe ich nicht“, sagt er, „es wird schon was weitergehen für die linke Punkszene.“ Sogar die Baubürgermeisterin Corinna Clemens bemühe sich um ein neues Obdach für die Pinte. Was die städtische Pressesprecherin Nadine Izquierdo bestätigt, wenn auch recht nüchtern: „Wir unterstützen Herrn Ankele im Rahmen unserer Möglichkeiten, traditionsreiche Einrichtungen der Gastronomielandschaft sind uns wichtig.“