Die Allgaier-Zentrale in Uhingen. Die Tage des Traditionsbetriebs sind gezählt, Ende des Jahres gehen die Lichter für immer aus. Foto: Giacinto Carlucci

Die letzten drei Monate des insolventen Autozulieferers sind angebrochen, der Betrieb läuft deutlich reduziert. Die Abwicklung geht wie geplant vonstatten.

„Auch wenn wir es wussten, jetzt, wo das letzte Viertel angebrochen ist, liegt man schon manchmal nachts im Bett und denkt sich: Das ist alles unglaublich.“ Betriebsratschef Stilianos Barembas wird emotional, wenn er über das nahende Ende von Allgaier Automotive spricht. Zum 31. Dezember werden in dem Uhinger Traditionsbetrieb für immer die Lichter ausgehen. „Wir fahren im reduzierten Betrieb, es gibt kaum noch drei Schichten“, gibt Barembas einen Einblick. Die Belegschaft arbeite auch nur noch sieben Stunden laut Tarifvertrag, „das wird beinahe täglich dünner“. Noch müsse keiner der rund 550 Mitarbeitenden zu Hause bleiben. „Doch man merkt, dass es dem Ende zugeht. Und das macht mir massiv zu schaffen“, sagt der Betriebsratsvorsitzende. „Das ist ein unbeschreibliches Gefühl. Ich arbeite seit 27 Jahren hier, die Hallen waren immer voll. Und jetzt gibt es welche, die sind besenrein. Die Anlagen sind abgebaut.“

 

Nur die „Abwicklungsmannschaft“ bleibt noch an Bord

Diese Endzeitstimmung belastet nicht nur ihn, sondern alle Beschäftigten, die bis zum Schluss gehofft, gekämpft und durchgehalten haben. In der vergangenen Woche gab es eine Betriebsversammlung, „da wurde noch über Kleinigkeiten gesprochen“, berichtet Insolvenzverwalter Michael Pluta. Die Stimmung sei „sehr ruhig und gefasst gewesen“, sagt er, die Abwicklung laufe wie geplant. An den Standorten Mühlhausen und Laichingen werde in absehbarer Zeit Schluss sein, die Autohersteller (OEMs) hätten dort alle Gerätschaften abgebaut. In Uhingen laufe der Betrieb bis Ende des Jahres weiter. „Die Leute kriegen ihr Geld, den Verlust zahlen die OEMs“, schildert der Sanierungsexperte die Lage. Nach dem offiziellen Ende werde bis Mitte kommenden Jahres noch eine kleine „Abwicklungsmannschaft“ in der Verwaltung an Bord sein, die sich beispielsweise um Buchhaltung und die Sicherheit der Immobilie kümmert. „Da muss ja alles geräumt werden, Maschinen werden versteigert“, nennt der Insolvenzverwalter Beispiele für die Nacharbeiten. Ganz zu schweigen von der Vermarktung des etwa einen Kilometer langen Firmengeländes, für das es bereits Interessenten gebe.

Bis auf 30 Beschäftigte hätten sich alle dazu entschieden, in die Transfergesellschaft zu wechseln. Jene 30 hätten geklagt – in dem Glauben, dass Allgaier doch eine Zukunft habe, sagt Pluta. Doch vor Weihnachten vergangenes Jahres hatte sich die Hoffnung auf einen Investor endgültig zerschlagen, nachdem ein potenzieller Interessent abgesprungen war. Zeitgleich begannen die Verhandlungen von Interessenausgleich und Sozialplan, die meisten Mitarbeiter stellten sich gedanklich darauf ein, dass die Tage von Allgaier Automotive gezählt sind. Hauptbotschaft Mitte Mai 2025: Nach langem Ringen stand die Transfergesellschaft, die der Belegschaft einerseits bis Mitte 2026 finanzielle Sicherheit gibt und andererseits in diesen sechs Monaten die Mitarbeiter weiterqualifiziert beziehungsweise in neue Jobs vermittelt.

„Die Krise ist einfach zu groß“

„Wir haben aus der schlechten Situation das Maximum herausgeholt“, fasste der Betriebsratsvorsitzende damals zusammen. Eine Aussage, der sich Michael Pluta anschließen konnte: „Dass Kunden einen Sozialplan und Interessenausgleich bezahlen, ist ja nicht normal“, sagte er damals. Und wie blickt er auf diese Zeit als Insolvenzverwalter zurück? „Das war eine sehr spannende, aber auch sehr bedrückende Zeit“, meint Pluta. Die anfängliche Hoffnung, ohne Druck in besseren Zeiten einen passenden Investor zu finden, habe sich zerschlagen. „Es ist ja genau das Gegenteil eingetreten, der Automobilindustrie ging es immer schlechter. Und es wird noch weitere Zulieferer treffen, die Krise ist einfach zu groß“, ist der Insolvenzverwalter überzeugt und spricht die E-Autos aus China und die Trump’sche Zollpolitik an.

Den Betriebsratschef plagen gerade in diesen Tagen wieder diese quälenden Fragen: Wieso, weshalb, warum? Hätte es nicht doch eine Chance gegeben, Allgaier am Leben zu halten? „Aber es nützt nichts. Wir erfüllen unsere Pflicht, mehr können wir nicht tun“, sagt Stilianos Barembas, dem es ein Bedürfnis ist, nach aufreibenden, anstrengenden Jahren seinem Betriebsrat und hier vor allem den engsten Kollegen Thomas Fink, Antonio Licata und Gerline Lim zu danken. „Ohne diese Teamleistung wäre das alles nicht machbar.“ Dann wird er wieder emotional: „Wir können alle erhobenen Hauptes die Firma verlassen.“