Scarlett Johansson als Black Widow: 20 Millionen Dollar Grundgage waren nur der Anfang für den Star. Foto: D/s

Im Streit um die Streamingauswertung von „Black Widow“ hat Scarlett Johansson die Disney Studios in die Knie gezwungen. Hat da wirklich ein Underdog das Management besiegt?

Stuttgart - Happy Ends zu verkaufen gehört zum Kerngeschäft von Hollywood. Im echten Leben kann so ein Ende aber auch in der Traumfabrik Gefrierpunkttemperatur haben – wie bei der kleinlaut verkündeten Lösung des Zwists zwischen der Schauspielerin Scarlett Johansson und den Disney Studios. Man sei glücklich, sich geeinigt zu haben, lässt man wissen, und freue sich auf die weitere Zusammenarbeit. Der knappe Ton wirkt, als bräuchten beide Seiten zum Lächeln ein Stemmeisen.

 

Johansson war im Juli gegen Disney vor Gericht gezogen, weil sie sich um viele Millionen Dollar betrogen fühlte. An „Black Widow“ standen dem Star nämlich über die Grundgage von 20 Millionen Dollar hinaus auch Anteile an den Kinoeinnahmen zu. Disney gab „Black Widow“ aber nicht exklusiv an die Kinos, sondern mit Hinweis auf die Kinolähmung durch Corona gleich auch an den konzerneigenen Streamingdienst. Damit, so Johansson, habe Disney den eigenen Profit auf ihre Kosten erhöht.

Underdogs und Ausbeuter

In einer ersten Reaktion hatte Disney diesen Vorwurf als unsensiblen Unfug abgewiesen. Johansson, suggerierte der Unterhaltungskonzern, nehme die Coronakrise nicht ernst und erhebe Ansprüche, die vertraglich nicht abgesichert seien. Der Konflikt hatte das Potenzial zu einer langen Grundsatzauseinandersetzung, aber schnell musste Disney lernen, dass die Sympathien vieler Filmfreunde und Journalisten bei Johansson lagen. Der Zwist wurde als David-gegen-Goliath-Geschichte ausgeleuchtet, als Kampf der Kreativen in Hollywood gegen die Trickser und Rempler im Management. Dass Disney nun überraschend schnell eingeknickt ist und Johansson eine nicht näher bezifferte Entschädigung bezahlt hat, wird von manchen Kommentatoren so gedeutet, als hätten Underdogs über Ausbeuter gesiegt.

Aber Johansson, die da als schwarze Witwe zugebissen hat, ist eben nicht die Stellvertreterin all der vielen Talente, ohne die es weder Filme noch Serien gäbe. Sie ist Teil einer kleinen Elite fabulös bezahlter Megastars, die von einem Trend profitieren, den sie zugleich vorantreiben: vom Boom weniger Gigantofilmen mit Fantastilliarden-Budget, zu deren Gunsten Hollywood die Mittelgewichtsriege an Filmprojekten weitgehend gestrichen hat. Solche Projekte, erzählerisch ruhigere, gar riskantere, kommen entweder gar nicht mehr zustande oder als Exklusivproduktion der Streamingdienste – oder als Kleinstprojekte mit extrem zusammengestrichenen Budgets, ruinösem Produktionsstress und kargen Gagen.

Die US-Gewerkschaft IATSE (International Alliance of Theatrical Stage Employees), in der viele Gewerke der Filmproduktion organisiert sind, schlägt denn auch Alarm. Die schon vor der Pandemie miesen Arbeitsbedingungen hätten sich noch einmal dramatisch verschärft. Sechs-Tage-Wochen mit Zwölf-Stunden-Tagen bei Mindestlohn seien eher die Norm als die Ausnahme, der Druck sei unmenschlich, alt werden könne in der Branche kaum noch jemand. Gerade hat sich die IATSE für die laufenden Verhandlungen mit dem Produzentenverband von ihren Mitgliedern das Streikmandat geholt – mit 98 Prozent Zustimmung.

Zeit der Blockade

Kinonostalgiker stellen die Lage gerne so dar, dass eine gleichmacherische Streamingwelt eine vielfältig blühende Filmkultur zerstöre. Das ist in vielerlei Hinsicht Quatsch, vor allem blendet es aus, dass die auf wenige Franchises eingeengte Blockbuster-Strategie lange vor Streaming die Filmkultur schädigte. Johanssons Triumph über Disney, der auch andere Topstars stärkt, blockiert nötige Umstrukturierungen und hält zum langfristigen Nachteil aller ein überlebtes, schon wankendes System der exklusiven Kinoauswertung aufrecht, von dem die Spitzenverdiener eine Weile noch mehr haben werden als von Streamingauswertungen.

Im Moment ist die weitere Entwicklung in Hollywood schwer einschätzbar. Es gibt Bestrebungen bei linken Demokraten, ein Anti-Kartell-Verfahren gegen die großen Unterhaltungskonzerne in Gang zu bringen, denen Filmstudios, Kinoverleihe, Streamingdienste und TV-Sender gehören. Produktion, Vertrieb und Auswertung sollten demnach wieder getrennt werden. Es gibt gute Argumente für und gegen diese Lösung. Aber mit dieser Drohung am Horizont und dem Signal des Johansson-Streits, dass Strategien sich nicht durchsetzen lassen, wird eines zuerst leiden: die Bereitschaft, künstlerische Risiken zu unterstützen.

Zankapfel „Black Widow“

Film
„Black Widow“ spielt im kommerziell enorm erfolgreichen Universum der Marvel-Superhelden. Eigentlich war man bei Disney sehr stolz auf die Produktion. Die Superheldenwelt ist männerlastig, Johansson als Kampfkünstlerin Black Widow soll ein zeitgemäßes Frauenpower-Angebot sein.

Auswertung
Als „Black Widow“ auch beim Streamingdienst Disney+ startete, fiel er nicht unter den Abopreis. Nutzer mussten separat bezahlen. Von diesen Tickets aber gingen keine Prozente an Johansson. Seit Neuestem aber ist „Black Widow“ Teil des Flatrate-Angebots von Disney+.