Rettungsring für den Euro: die EZB will Europas Wirtschaft vor dem Untergang bewahren. Foto: Fotolia

Versiegt der Geldstrom aus den Rohren der EZB? Im April jedenfalls werden die Anleihenkäufe gedrosselt.

Frankfurt - Die Zinsen runter und den Geldhahn immer weiter aufdrehen: Die Politik der Europäischen Zentralbank (EZB) kennt seit Jahren nur eine Richtung. Im April schaltet sie jedoch einen Gang zurück: Statt 80 Milliarden Euro pumpt sie dann monatlich 60 Milliarden Euro in den Markt. Wir erklären die Hintergründe.

Warum drosselt die EZB die Geldflut?
Im Dezember 2016 beschloss die EZB, ihre umstrittenen Wertpapierkäufe bis Ende 2017 zu verlängern, die monatlichen Ausgaben aber ab April zu senken. Vereinzelt wurde dieser Beschluss als Einstieg in den Ausstieg aus der lockeren Geldpolitik gewertet, tatsächlich war er aber wohl vor allem praktischen Motiven geschuldet: Würde die EZB die Käufe im bisherigen Tempo fortsetzen, so bekäme sie Schwierigkeiten mit ihren eigenen Auflagen für das Programm.
Was sind das für Auflagen?
Die Notenbank kauft vor allem Staatsanleihen. Das ist umstritten, weil der EU-Vertrag die monetäre Staatsfinanzierung – also eine finanzielle Unterstützung der Euroländer durch die EZB – verbietet. Laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) darf die Notenbank gleichwohl Staatsanleihen erwerben, wenn sie sie nicht direkt bei den Regierungen, sondern bei Banken und anderen Investoren kauft. Diese Sekundärmarkt-Käufe dürfen laut EuGH aber nicht so weit gehen, dass die Erstkäufer die Gewissheit haben, beim Finanzministerium erworbene Staatsanleihen bei der EZB wieder loszuwerden. Die Notenbank hat sich deshalb zwei Grenzen gesetzt: Begibt ein Staat eine Anleihe, so darf die EZB maximal ein Drittel der bei dieser Emission ausgegebenen Schuldtitel kaufen. Außerdem darf von allen umlaufenden Staatsanleihen eines einzelnen Landes höchstens ein Drittel in den Besitz der EZB übergehen. Bei Bundesanleihen ist diese Grenze nicht mehr weit entfernt: Insgesamt sind Bundeswertpapiere im Volumen von rund 1,1 Billionen Euro im Umlauf. Die EZB-Bilanz wies Ende Februar 339 Milliarden Euro an Anleihen der öffentlichen Hand in Deutschland aus. Darunter sind allerdings nicht nur Schuldtitel des Bundes, sondern auch von den Ländern und anderen Gebietskörperschaften.
Wozu dient das Ganze?
Begründet wurde das im März 2015 gestartete Kaufprogramm mit den damals sehr niedrigen Inflationsraten. In einigen Euro-Krisenstaaten waren die Preise sogar rückläufig. Der EZB-Rat sah die Gefahr einer Deflation, der Abwärtsspirale aus sinkenden Preisen und Unternehmensgewinnen. Er beschloss deshalb, Geld zu drucken: Indem die EZB den Geschäftsbanken Wertpapiere abkauft, erhalten diese Milliardeneinnahmen, die sie in Form von Krediten an Unternehmen und Verbraucher weitergeben oder anderweitig anlegen können – beispielsweise in Aktien. Außerdem drückt die Notenbank mit dem Kauf von Anleihen deren Verzinsung. Da die Renditen besonders von Staatsanleihen auch Zinsen für andere langfristige Kredite beeinflussen – etwa für Baugeld –, sank das allgemeine Zinsniveau.
Welche Papiere kauft die EZB genau?
Die Notenbank hat in den vergangenen zwei Jahren bis zum Stichtag 24. März Wertpapiere im Volumen von fast 1,8 Billionen Euro erworben. Davon entfallen rund 330 Milliarden Euro auf Unternehmensanleihen, Pfandbriefe und Kreditverbriefungen. Mehr als 1,4 Billionen Euro wurden für Anleihen der Eurostaaten und internationaler Organisationen ausgegeben. Auf Bundeswertpapiere und Anleihen anderer öffentlicher Schuldner in Deutschland entfällt der größte Batzen, weil sich die Aufteilung nach dem Kapitalschlüssel der EZB richtet. Die Bundesbank stellt ein Viertel des von den Euroländern eingezahlten Grundkapitals. Eine genaue Aufschlüsselung der Wertpapierkäufe nach Ländern wird monatlich auf der EZB-Homepage veröffentlicht.
Was passiert bei etwaigen Verlusten?
Jede nationale Notenbank des Eurosystems erwirbt Staatsanleihen ihres Sitzlandes und muss auch nur für diese haften. Sollte ein anderer Eurostaat zahlungsunfähig werden, wäre die Bundesbank also nicht automatisch betroffen. Dieses Prinzip haben Bundesbankchef Jens Weidmann und andere Kritiker im EZB-Rat durchgesetzt. Griechische Staatsanleihen sind von dem Kaufprogramm ausgeschlossen, unter anderem wegen ihres schlechten Ratings. Allerdings hatte die EZB während der Eurokrise von 2010 bis 2012 gezielt Staatsanleihen hochverschuldeter Länder erworben, darunter auch griechische. Aus diesem Kaufprogramm hat sie noch Staatsanleihen im Volumen von knapp 100 Milliarden Euro in ihren Büchern. Etwaige Verluste mit diesen Papieren würden nach dem Kapitalschlüssel aufgeteilt, die Bundesbank hätte hier also die größte Last zu schultern.
Welche Risiken gibt es noch?
Die Sparer leiden zunehmend unter den niedrigen Zinsen, zumal die Inflationsrate seit 2015 wieder zugelegt hat. Auf der Suche nach höheren Renditen gehen Anleger außerdem wachsende Risiken ein. Hochbrisant sind zudem die sogenannten Target-Salden: Im von der EZB betriebenen Zahlungsverkehrssystem Target haben sich in der Krise massive Ungleichgewichte aufgebaut, mit der Folge, dass das Eurosystem der Bundesbank über 800 Milliarden Euro schuldet. Sollte die Eurozone zerbrechen – etwa im Falle eines Wahlsiegs der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen –, müsste die Bundesbank wohl einen Teil dieser Forderungen abschreiben.