FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann, Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Dirk Wiese stellen ihren Beschluss vor. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Die Corona-Notlage wird beendet, alle damit verbundenen Maßnahmen laufen bis zum Frühjahr aus: Wir stellen die Beschlüsse von SPD, Grüne und FDP im Überblick vor.

Berlin - SPD, Grüne und FDP haben am Mittwoch in 22 Arbeitsgruppen ihre Koalitionsverhandlungen zur Bildung der ersten Ampel-Regierung auf Bundesebene begonnen. Zugleich legten die Parteien zum Thema Corona einen ersten gemeinsamen Beschluss im Bundestag vor: die epidemische Lage nationaler Tragweite soll auslaufen.

Und auch ein Ende aller Corona-Maßnahmen steht demnach in Aussicht. Spätestens am 20. März 2022 sollen alle Pandemie-Beschränkungen fallen, teilten SPD, Grüne und FDP mit. Ein Überblick.

Was planen SPD, Grüne und FDP?

Die epidemische Lage von nationaler Tragweite soll nach Willen der drei Parteien mit dem 24. November 2021 enden. Das bedeutet konkret: „Schulschließungen, Lockdowns und Ausgangssperren wird es mit uns nicht mehr geben“, sagte Dirk Wiese, stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag. Das heißt allerdings nicht, dass nach dem 24. November alle Corona-Regeln wegfallen.

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Man wolle vor allem die Rechtsgrundlage für sehr schwere Grundrechtseingriffe „stilllegen“, betonte Marco Buschmann, FDP-Fraktionsgeschäftsführer. Konkret gehe es um den Paragrafen 28a, Absatz 1 im Infektionsschutzgesetz. Dieser Regel-Katalog werde mit dem 25. November gestrichen.

Was beinhaltet der Paragraf?

Seit März 2020 gilt in Deutschland die epidemische Lage von nationaler Tragweite. Sie gibt der Bundesregierung und den Ländern weitreichende Befugnisse, um Corona- Verordnungen zu erlassen. Dazu zählen etwa die Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen oder die Impfstoffbeschaffung.

Der Paragraf 28a, Absatz 1 ist dabei von zentraler Bedeutung und wurde deshalb in der Vergangenheit immer wieder scharf kritisiert. Er dient als Rechtsgrundlage, zum Beispiel für coronabedingte Betriebsschließungen, Reise- oder Veranstaltungsverbote. Kritiker sind der Ansicht, dass der Paragraf der Bundesregierung zu viel Macht einräumt. Das direkt vom Bürger gewählte Parlament werde damit zu sehr übergangen.

Wie geht es danach weiter?

Ab dem 25. November wollen SPD, Grüne und FDP auf Übergangsregeln setzen. Dabei gehe es um „alltagstaugliche Schutzmaßnahmen, wie beispielsweise die Maskenpflicht aber auch Hygienekonzepte in Einrichtungen“, so Wiese. Die einzelnen Bundesländer könnten damit auf das Infektionsgeschehen vor Ort reagieren. Das bedeutet unter anderem: Ob es eine Pflicht für 2G- oder 3G-Regeln gibt oder welche Auflagen für Schulen in der Pandemie gelten, ist Sache der Landesregierungen.

Weiterlaufen sollen außerdem soziale Hilfen vom Bund. „Zum Beispiel der erleichterte Zugang zu Grundsicherungsleistungen“, führte Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, an. Das betreffe vor allem Künstlerinnen und Künstler oder Solo-Selbstständige. Auch die Absicherung von Kinderkrankentagen, sodass es Geld für 30 statt 10 Kinderkrankentage gibt, bleibe erhalten.

Enden sollen alle Übergangsregeln bis „spätestens zum Frühlingsanfang am 20. März 2022“, heißt es im Beschlusspapier der drei Parteien. Das allerdings unter der Voraussetzung, dass bis dahin keine neuen Krankheitserreger oder Mutationen auftauchten, die eventuell sogar eine Impfung unwirksam machten, sagte Buschmann. Die Entscheidung, alle Corona-Regeln bis zum 20. März fallen zu lassen, beruhe auf dem „heutigen Wissensstand“.

Wie verläuft die Pandemie gerade?

In vielen Bundesländern steigt die Zahl der Corona-Infektionen derzeit an. Lag die Sieben-Tage-Inzidenz in Deutschland im Juli 2021 noch bei 5,3, steht sie Stand Mittwoch bei 118. Auch die Intensivstationen verzeichnen bundesweit wieder mehr Coronapatienten (rund 1700), sind aber noch weit vom bisherigen Höchststand von 5772 Infizierten in Intensivbehandlung Anfang des Jahres entfernt.

Es drohe „ keine systemische Überlastung des Gesundheitssystemes mehr“, sagte Buschmann. Das sei zusammen mit dem wachsenden Impffortschritt ein entscheidendes Argument für eine lockerere Corona-Politik. Gleichsam gehe noch immer eine Gefahr vom Coronavirus aus – und auch beim Impfen gebe es noch viel Luft nach oben. In mehreren Bundesländern, etwa in Baden-Württemberg oder Thüringen, werden demnächst wieder schärfere Einschränkungen erwartet.

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Welche Reaktionen gibt es auf den Beschluss?

Der noch geschäftsführend amtierende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat den Ampelparteien Unterstützung angeboten. „Dies gilt auch für die Erarbeitung eines entsprechenden Gesetzentwurfes“, teilte ein Sprecher mit. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach verwies auf Twitter darauf, dass man sich noch immer in einer vierten Corona-Welle befinde. „Die Feststellung der epidemischen Lage hat vielen Menschen das Leben gerettet“, so Lauterbach. „Sie wird jetzt ersetzt durch eine Rechtsgrundlage, die den gleichen Schutz erlaubt. Alles andere wäre ein Fehler gewesen.“

Und auch der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha (Grüne) begrüßte den Beschluss. Im Land werde man „ deshalb am Modell aus Basis-, Warn- und Alarmstufe festhalten.“

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Caren Lay, äußerte Kritik. Mit dem neuen Fahrplan würden nur bestimmte Corona-Maßnahmen verlängert. „Es fehlt: Schutz vor Kündigungen von Mieterinnen und Mietern und vor Strom- und Gassperren.“ Bereits im Vorfeld hatte sich auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann gegen ein Ende der epidemischen Lage ausgesprochen. Auch seine Amtskollegen seien von dem Vorschlag nicht begeistert. Befürchtet wird ein bundesweiter „Flickenteppich“ an verschiedenen Regeln.

Warum dürfen das SPD, Grüne und FDP entscheiden?

Am Dienstag ist erstmals der neu gewählte Bundestag zusammengetreten. Seitdem haben SPD, FDP und Grüne eine Mehrheit im Parlament. Auch deshalb verhandeln die drei Parteien derzeit eine Ampel-Koalition. Der Beschluss zum Ende der Corona-Notlage ist die erste große politische Tat der neuen Mehrheit im Bundestag.