EnBW-Aufsichtsratschef Claus-Dieter Hoffmann und Firmenchef Frank Mastiaux: Um Hoffmanns Nachfolge ist Streit entbrannt. Foto: dpa

Die anstehende Neubesetzung des Aufsichtsrats beim Energieversorger EnBW birgt Zündstoff. Die Arbeitnehmerseite fühlt sich bei wichtigen Weichenstellungen übergangen.

Stuttgart - Wer wird den Vorstand von Deutschlands drittgrößtem Energieversorger, EnBW, in Zukunft kontrollieren? Alle fünf Jahre stellt sich diese Frage aufs Neue, und dieses Jahr deutet sich an, dass die Wahl des 20-köpfigen Gremiums nicht ohne Konflikte vonstattengehen könnte.

Die Arbeitnehmerseite im EnBW-Aufsichtsrat hat sich am Dienstag nach Bekanntwerden einer erster personellen Vorentscheidung jedenfalls vehement zu Wort gemeldet. Die Informationspolitik der beiden EnBW-Hauptaktionäre – der kommunale Zweckverband OEW und das Land Baden-Württemberg – sei „irritierend“, sagte EnBW-Aufsichtsratsmitglied Stefan Hamm unserer Zeitung. Dass die zehnköpfige Arbeitnehmerbank im Aufsichtsrat von der jüngsten Personalie „erst aus der Presse erfahren“ habe, sei „kein guter Stil“. Von einem „unglaublichen Vorgang“ spricht eine andere arbeitnehmernahe Quelle in dem EnBW-Gremium.

Am vergangenen Donnerstag war bekanntgeworden, dass mit Lutz Feldmann ein früherer Eon-Manager ab Mai an die Spitze des obersten EnBW-Kontrollgremiums rücken soll. Er würde auf Claus-Dieter Hoffmann (72) folgen, der nach zehn Jahren auf der Hauptversammlung des Karlsruher Versorgers am 10. Mai seinen Posten altersbedingt räumt. Feldmann, der bislang gewöhnliches Mitglied in dem Aufsichtsgremium ist, soll auf Vorschlag des Zweckverbands OEW nach ganz oben rücken. Das Land Baden-Württemberg, das über seine Beteiligungsgesellschaft Neckarpri genau wie die OEW knapp 47 Prozent am EnBW-Konzern hält, unterstützt die Kandidatur des 59-Jährigen.

Ist der neue Kandidat wirklich unabhängig?

Die Arbeitnehmerseite meldet nun aber Einwände an. Bislang sei es bei der EnBW Teil der guten Unternehmenskultur gewesen, dass die Kapitalseite die Arbeitnehmervertreter über ihren Kandidaten informiert, heißt es. Seit mehreren Jahrzehnten sei dies gängige Praxis. Entsprechend sei man sowohl beim Übergang des Ulmer Landrats Wolfgang Schürle auf seinen Biberacher Kollegen und heutigen Sparkassenpräsidenten Peter Schneider als auch von diesem auf den derzeitigen EnBW-Chefkontrolleur Claus-Dieter Hoffmann vorgegangen.

Viele vergangene Umwälzungen habe die EnBW deswegen „so gut hinbekommen, weil Arbeitgeber und Arbeitnehmer vertrauensvoll zusammengearbeitet“ hätten, sagte Arbeitnehmer-Aufsichtsrat Hamm, der zugleich Verdi-Landeschef für die private Energiewirtschaft ist. „Von dieser Tradition haben alle profitiert“, sagte er. Sie habe sich bewährt. Regeln der guten Unternehmensführung, denen sich die EnBW verpflichtet sehe, legten zudem ein entsprechendes Vorgehen nahe.

Und ein Weiteres stößt den Arbeitnehmer-Aufsichtsräten auf. Hinter die Unabhängigkeit des möglichen Aufsichtsratschefs Lutz Feldmann machen sie ein Fragezeichen. Dieser gilt als Vertrauter des amtierenden Firmenchefs Frank Mastiaux. Beide haben früher für den Düsseldorfer Energieversorger Eon gearbeitet. Feldmann wird sogar nachgesagt, den deutlich jüngeren Mastiaux gefördert zu haben. „Diese Nähe sehen wir kritisch“, sagte Hamm unserer Zeitung. Immerhin sei es die wichtigste Aufgabe eines Aufsichtsrats, die Tätigkeit des Vorstands zu kontrollieren – eine Prämisse, die der amtierende Chefkontrolleur Hoffmann dem Vernehmen nach bislang vorbildlich erfüllt hat.

Aber wird das bei Feldmann auch so sein? Die Arbeitnehmervertreter jedenfalls wollen den Ex-Eon-Mann in den kommenden Wochen zu einem Gespräch einladen, um mögliche Zweifel auszuräumen. Ein gehöriges Druckmittel haben sie: Sollten die Arbeitnehmer Feldmann die Zustimmung verweigern, wäre das ein Vorgang mit Seltenheitswert, der für Unruhe im ganzen EnBW-Konzern sorgen könnte.

Wer folgt Heinz Seiffert im EnBW-Aufsichtsrat nach?

Zumal sich neue Rochaden im Aufsichtsrat schon andeuten. Am Montag hat Heinz Seiffert seinen Rückzug als Landrat des Alb-Donau-Kreises zum 30. September 2016 angekündigt. Damit steht ab Herbst auch sein Amt als Verbandschef beim EnBW-Hauptaktionär OEW zur Disposition – und als solcher sitzt Seiffert auch im EnBW-Aufsichtsrat. Mit seinem Rückzug von der OEW-Spitze würde auch sein Job im Aufsichtsrat des Energiekonzerns frei – zumindest sei das „gängige Praxis“, sagte eine Sprecherin der OEW unserer Zeitung.

Ein Ersatzkandidat für Seiffert steht noch nicht fest. Am vergangenen Mittwoch legte die OEW auf einer Verbandsversammlung ihre neuen Kandidaten für den EnBW-Aufsichtsrat fest. Auch Seiffert ließ sich damals erneut aufstellen. Seine Entscheidung zum Rückzug als Landrat letzten Montag dürfte also recht spontan gefallen sein.