Stromleitungen bringen dem Eigentümer Geld aus den Durchleitungsgebühren. Künftig gehört die Mehrheit des Netzes den Stadtwerken Stuttgart (SWS) . Foto: Max Kovalenko

Am 13. März entscheidet der Gemeinderat über die Konzession für die Strom- und Gasnetze in der Stadt. Nach einem komplizierten Vergabeverfahren sollen die 2011 neu gegründeten Stadtwerke Stuttgart (SWS) die Mehrheit erhalten. Der Endverbraucher soll vom günstigeren Durchleitungsentgelt profitieren.

Am 13. März entscheidet der Gemeinderat über die Konzession für die Strom- und Gasnetze in der Stadt. Nach einem komplizierten Vergabeverfahren sollen die 2011 neu gegründeten Stadtwerke Stuttgart (SWS) die Mehrheit erhalten. Der Endverbraucher soll vom günstigeren Durchleitungsentgelt profitieren.

Stuttgart - Die Entscheidung über die Konzessionsvergabe für die Strom- und Gasnetze dürfte am 13. März im Gemeinderat fast einstimmig fallen. Nur Hannes Rockenbauch, Fraktionschef von SÖS/Linke, spricht sich gegen eine Beteiligung des bisherigen Konzessionärs, Energie Baden-Württemberg (EnBW, in Stuttgart: Netze BW GmbH) aus. Die neuen Konzessionen laufen vom Januar 2014 bis 2034. Die Stadt erhält für das Wegenutzungsrecht jährlich insgesamt rund 50 Millionen Euro.

„Der Gemeinderat hätte genügend Gründe, die Konzession den Stadtwerken allein zu geben“, sagt Rockenbauch. Die höchste Punktzahl im Vergabeverfahren für das Kooperationsmodell Stadtwerke Stuttgart (SWS) und EnBW zu geben sei „nicht sachgerecht“. Bei den wichtigen Kriterien Preisgünstigkeit und Effizienz liege die EnBW jeweils vorn. Rockenbauch sieht hier aber die Stadtwerke allein besser aufgestellt.

Die betroffenen Unternehmen wollten am Montag kein Scharmützel zu dieser Frage beginnen. „Die Partnerschaft mit der Stadt liegt uns sehr am Herzen. Deshalb haben wir unser Beteiligungsangebot in jeder Hinsicht auf Kooperation zugeschnitten“, ließ EnBW-Vorstandschef Frank Mastiaux mitteilen. Der Konzern verliert in Stuttgart einen Gewinnbringer. EnBW wird rückwirkend zum 1. Januar 74,9 Prozent der Netze und 25,1 Prozent an der Betriebsgesellschaft abgeben. Zum 1. Januar 2019 wächst der SWS-Anteil am Betrieb auf 74,9 Prozent.

„Wir hatten ein sehr gutes, leistungsfähiges Angebot abgegeben und hätten gerne die Konzession allein übernommen“, sagte SWS-Geschäftsführer Michael Maxelon bei einem Pressegespräch. „Trotzdem sind wir auch mit dem Kooperationsmodell zufrieden.“ Mit der 74,9-Prozent-Beteiligung übernimmt das bisher rund 30 Köpfe zählende Stadtwerk Verantwortung für etwa 400 Mitarbeiter der BW Netze GmbH. „Sie sind willkommen, wir brauchen ihr Fachwissen“, sagte Maxelon. Die SWS haben heute rund 6000 Kunden.

Im Punkteranking landete laut OB Fritz Kuhn (Grüne) nach dem Kooperationsangebot der EnBW das Angebot der SWS auf alleinigen Besitz und Betrieb auf Platz zwei, gefolgt vom Angebot der EnBW (alleiniger Besitz und Betrieb). Beworben hatten sich auch die Stadtwerke Schönau-Schwäbisch Hall und eine Bietergemeinschaft aus Veolia Wasser, Braunschweiger Versorgungs-AG & Co und LHI Leasing GmbH. Alle könnten gegen die Entscheidung des Gemeinderats klagen.

Warum ein Stadtwerk?
Stuttgart hatte bis 2001 eine Beteiligung an den Neckarwerken (NWS) und zuvor mit den Technischen Werken (TWS) ein eigenes Stadtwerk. OB Wolfgang Schuster (CDU) plädierte wegen der Atomkraftwerke und der Marktöffnung für den Ausstieg. Die Stadt erlöste Milliarden. Inzwischen spielen eigene Stadtwerke wieder eine Rolle, weil mit ihnen über Anlagenbau (Windkraft/Solar) die Energiewende mitgestaltet werden kann. SWS hat hier bereits investiert.
Warum die Konzession für SWS?
Wer Strom- und Gasleitungen besitzt, kann die Energiewende mit steuern. „Ein intelligentes Stromnetz kann Geräte genau dann versorgen, wenn viel regenerativer Strom vorhanden ist“, sagt OB Kuhn. Dann könnten zum Beispiel Elektroautos geladen werden. Dazu muss aber erst in die Netze investiert werden.
Was kostet SWS der Einstieg?
Die Konzession bringt rückwirkend zum 1. Januar 2014 eine Beteiligung von 74,9 Prozent am Strom- und Gasnetz. Diese kostet rund 230 Millionen. Kuhn sagt, die Stadt wolle rund 40 Prozent oder 96 Millionen Euro Eigenkapital bringen. Dafür gibt es Rücklagen. Das Stromnetz soll bis 2016, das Gasnetz bis 2019 „entflochten“ werden, was weitere 31 Millionen Euro kosten soll.
Was erhält SWS?
SWS erhält 74,9 Prozent an insgesamt 26 Umspannwerken und 5182 Kilometer Stromkabeln sowie an 109 Gas-Regelstationen und rund 1600 Kilometer Gasleitungen.
Was erhält die Stadt von SWS?
Rendite, und zwar rund fünf Prozent. Diese liegt damit erheblich höher als die heutige Verzinsung der Rücklagen.
Vorteil für den Kunden?
In Stuttgart gibt es rund 90.000 Stromanschlüsse, gegenüber dem flachen Land für SWS/EnBW ein Strukturvorteil, der sich in einem künftig niedrigeren Durchleitungsentgelt bemerkbar machen soll. SWS spricht von rund einem Cent pro Kilowattstunde Ersparnis, der ab 2016 von allen Energieversorgern an die Stuttgarter Kunden weitergegeben werden muss.
Was sagen die Fraktionen?
SPD und Grüne waren vor Jahren mit der Forderung gestartet, dass die Stadtwerke 100 Prozent an den Netzen halten sollen. „Das ist jetzt ein Kompromiss, klar“, sagt Manfred Kanzleiter (SPD). Er zeigt sich dennoch zufrieden, denn schon nach fünf Jahren hätten die Stadtwerke das Sagen, bei Investitionen ins Netz sogar sofort.

„Wir hätten es lieber gesehen, wenn die Beteiligung der EnBW ausliefe“, sagt Grünen-Fraktionssprecher Peter Pätzold. Das Ranking sei aber nachvollziehbar.

„Die EnBW hat sich bewegt, durch den sofortigen Eigentumsübergang hat das Stadtwerk gleich Erträge, und in den Betrieb der Netze kann es sich fünf Jahre hineinfinden“, sagt CDU-Fraktionschef Alexander Kotz. Die Kooperation sei daher ein „guter Weg“.