War der Preis für den EnBW-Deal gerechtfertigt? Die Staatsanwaltschaft ermittelt seit Juli 2012. Foto: dpa

Die einen gehen in die Offensive, die anderen halten sich noch auffällig zurück: In der Affäre um das neue Gutachten zum EnBW-Deal erhöhen CDU und FDP den Druck auf Grün-Rot.

Die einen gehen in die Offensive, die anderen halten sich noch auffällig zurück: In der Affäre um das neue Gutachten zum EnBW-Deal erhöhen CDU und FDP den Druck auf Grün-Rot.

Stuttgart - Die erste Reaktion war unmissverständlich – und eher abfällig. Als kurz nach Jahresbeginn der Schweizer Wirtschaftswissenschaftler Henner Schierenbeck erhebliche Zweifel an der grün-roten These äußerte, der fünf Milliarden Euro schwere EnBW-Deal des ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) sei gar nicht zu teuer gewesen, mochten die Vertreter der Regierungskoalition das erst mal nicht wahrhaben. Hans-Ulrich Sckerl (Grüne) und Sascha Binder (SPD) sprachen von einem „Parteigutachten“ und mutmaßten, Schierenbeck wolle mit seiner Analyse wohl Mappus und die anderen Hauptbeteiligten des Milliardengeschäfts vom Dezember 2010 aus der Schusslinie nehmen.

War dieses Urteil verfrüht? Hinter den Kulissen herrscht jedenfalls hektische Betriebsamkeit. Nicht nur, dass die Aussagen aus Schierenbecks Gutachten inzwischen bundesweit in der Expertenszene die Runde machen. Auch die Staatsanwaltschaft Stuttgart „prüft“ die Analyse nach Angaben einer Sprecherin intensiv. Schierenbeck war bekanntlich nicht nur zu dem Ergebnis gekommen, dass Mappus im Dezember 2010 mit 41,50 Euro je Aktie einen „angemessenen Preis“ an den französischen Energiekonzern EdF für das EnBW-Aktienpaket bezahlt hatte. Er hatte vor allem herausgefunden, dass sich der Münchner Finanzwissenschaftler Wolfgang Ballwieser in seinem Gutachten für die Staatsanwaltschaft um eine Milliarde Euro verrechnet haben soll. Ballwieser war zu dem Ergebnis gekommen, dass der EnBW-Aktienwert seinerzeit nur bei 34,58 Euro gelegen und Mappus somit 780 Millionen Euro zu viel nach Paris überwiesen habe. Grün-Rot fühlte sich damit bestätigt. Mappus habe Steuergeld verschwendet, und es sei richtig, das zu viel bezahlte Geld von der EdF ab 20. Januar vor dem Schiedsgericht der Internationalen Handelskammer in Zürich zurückzuklagen.

Finanzminister Schmid bleibt (noch) gelassen

Wer aber hat recht: Schierenbeck oder Ballwieser? Und welche Folgen hat das für den Prozess in Zürich? Finanzminister Nils Schmid (SPD) sieht das (noch) gelassen. Es sei jetzt „die Sache der Staatsanwaltschaft“, die Gutachten auszuwerten, sagte er, im Übrigen habe die Arbeit der Staatsanwaltschaft „nichts mit dem Prozess gegen die EdF zu tun“. Andere sehen das skeptischer. Immerhin wird die Rechtfertigung der Klage für Grün-Rot schwieriger, sollte es keinen Schaden gegeben haben. CDU und FDP jedenfalls erhöhen nun den Druck auf die Regierungskoalition und beschlossen am Mittwoch bei ihren Fraktionsklausuren, am 31. Januar nicht nur Ballwieser vor dem EnBW-Untersuchungsausschuss des Landtags als Zeugen zu hören, sondern auch Schierenbeck. „Die aktuelle Berichterstattung zum Schierenbeck-Gutachten hat Fragen aufgeworfen, die aus unserer Sicht geklärt werden müssen. Wir wollen Transparenz“, sagte Alexander Throm, CDU-Obmann im Untersuchungsausschuss.

Kurz zuvor hatte auch die FDP diesen Schritt beschlossen. „Offensichtlich wollen Grüne und SPD nur diejenigen hören, die ganz sicher nur das sagen, was im eigenen politischen Interesse liegt. Aber auch die CDU sitzt wie das Kaninchen vor der Schlange und ist offensichtlich unschlüssig, ob mit der Anhörung Schierenbecks ein weiterer Schritt in Richtung Aufklärung gemacht werden soll“, sagte Andreas Glück (FDP). Man habe deshalb einen Beweisantrag beschlossen, Schierenbeck zu laden.

Schon kurz nach Bekanntwerden der Schierenbeck-Analyse hatte Glück diese Forderung erhoben – und war damit auf Schweigen gestoßen. Grüne und SPD hätten dessen Analyse abgetan – „dies geschah offensichtlich, ohne es zu lesen oder sich mit den kritischen Punkten auseinanderzusetzen“, so Glück. Dies könne aber nicht im Sinn der Sache sein. „Wir werden ja sehen, wie groß ein echtes Interesse an Aufklärung zum Thema Kaufpreis ist. Die Regierungsfraktionen scheuen offensichtlich schon allein die Möglichkeit, dass der Kaufpreis korrekt gewesen sein könnte, denn dies ließe auch die Schiedsklage vor der Internationalen Handelskammer in einem kritischeren Licht erscheinen“, so Glück, der hinzufügte: „Finanzminister Schmid fährt womöglich die teure Klage ohne Aussicht auf Erfolg, dies aber mit vollem Risiko.“