Im Untersuchungsausschuss zum EnBW-Deal rückt die Rolle der Kanzlei Gleiss Lutz in den Mittelpunkt des Interesses. Foto: dapd

Der Versuch, den milliardenschweren EnBW-Deal aufzuklären, soll in dieser Woche im Untersuchungsausschuss fortgesetzt werden. Der Blick richtet sich verstärkt auf die Kanzlei Gleiss Lutz.

Stuttgart - Der EnBW-Deal des ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus (CDU) gleicht immer mehr einem (unlösbaren) Rätsel. Das wurde in der jüngsten Sitzung des Untersuchungsausschusses deutlich. Die Abgeordneten hatten schon rund acht Stunden Zeugenbefragung hinter sich, da nahm der ehemalige EnBW-Vorstandschef Gerhard Goll auf dem Zeugenstuhl Platz. Der 70-Jährige schilderte, wie er damals im Jahr 2010 gebetsmühlenartig auf Mappus eingeredet habe, den Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW nicht zu machen, sondern lieber dafür zu sorgen, dass die Hauptanteilseigner – die Electricité de France (EdF) und die Oberschwäbischen Elektrizitätswerke (OEW) – an einer gemeinsamen Strategie für die Zukunft arbeiten. Vor allem aber, so Goll, habe er „mehrfach gesagt“, dass ein solcher Aktiendeal, wie ihn Mappus dann vollzog, niemals am Landtag vorbei stattfinden dürfe und „das Notbewilligungsrecht nicht zieht“. Es ist jene Klausel, die außergewöhnliche Ausgaben ohne Beteiligung des Parlaments nur für Katastrophen vorsieht und die der damalige Finanzminister Willi Stächele in der Nacht vom 5. auf den 6. Dezember 2010 auf Drängen von Mappus unterschrieb. Es war der Freibrief für den Aktienkauf am nächsten Morgen.

Was Goll vor allem wunderte, dass die beratende Stuttgarter Anwaltskanzlei Gleiss Lutz diesen Weg damals genehmigte: „Das hat mich sehr geärgert“, sagte Goll vor dem Untersuchungsausschuss und fügte einen bemerkenswerten Satz hinzu: „Für mich bleibt die Frage, ob die Kanzlei dem Ministerpräsidenten klar gesagt hat, was die Landeshaushaltsordnung erwartet, wenn das Land ein Unternehmen erwirbt.“

Genau diese Frage könnte den Untersuchungsausschuss nun alsbald beschäftigen – womöglich schon an diesem Freitag, wenn gleich mehrere Rechtsgutachter vor dem Ausschuss ihre Einschätzungen zu dem Deal darlegen sollen. Zur Erinnerung: Die Experten von Gleiss Lutz um ihren Vormann Martin Schockenhoff waren seinerzeit die juristischen Berater in dem Milliardengeschäft und gaben Mappus sowie Dirk Notheis, Deutschland-Chef der Investmentbank Morgan Stanley, grünes Licht, die Anteile an der EnBW ohne Beteiligung des Landtags zu kaufen. Eine folgenschwere Fehlentscheidung, wie sich später zeigte, als der Staatsgerichtshof des Landes den Vorgang als verfassungswidrig einstufte.

Politik und Bank haben sich auf den Rat der Anwälte verlassen – und waren verlassen

Golls Auftritt vor dem Untersuchungsausschuss hat nun hinter den Kulissen eine neue Debatte um die Rolle der Kanzlei ausgelöst – zumal er ebenso offen zu Protokoll gab, er habe „keine Zweifel, dass Morgan Stanley ordentlich gearbeitet“ habe. War es also die Kanzlei Gleiss Lutz, die letztendlich die Hauptschuld an dem verpatzten Geschäft trägt? „Das Ding ist noch nicht am Ende“, sagt ein erfahrener Jurist. Sollte die grün-rote Regierung, wie angekündigt, Schadenersatz gegen Morgan Stanley geltend machen, sei davon auszugehen, dass die Bank wiederum alles versuchen werde, die Kanzlei in die Mithaftung zu nehmen. Nach dem Motto: Politik und Bank haben sich auf den Rat der Anwälte verlassen – und waren verlassen. Es sei nicht nachvollziehbar, heißt es aus dem Untersuchungsausschuss, dass die erfahrenen Juristen von Gleiss Lutz offenbar nicht beachtet hätten, dass ein solches Milliardengeschäft nicht mit der Landeshaushaltsordnung vereinbar sei.

Die Kanzlei selbst schweigt zu alledem. Zwar verfolgen deren Anwälte jede Sitzung des Untersuchungsausschusses und damit auch jede Zeugenbefragung, zu möglichen Konsequenzen sagte eine Sprecherin auf Anfrage unserer Zeitung aber nur: „Kein Kommentar.“ Die Staatsanwaltschaft Stuttgart ist in diesem Fall derzeit auch (noch) in der Beobachterrolle. Während gegen Mappus, Notheis sowie die Ex-Minister Stächele und Helmut Rau (alle CDU) wegen des Verdachts der Untreue ermittelt wird und sich „die Ermittlungen hinziehen werden“, so eine Sprecherin, gebe es gegen Gleiss Lutz bisher „keinen Anfangsverdacht“. Der Kreis der Beschuldigten könne aber „jederzeit erweitert werden“.