Das Logo des Energieversorgers an einem Umspannwerk in Karlsruhe Foto: dpa

Landtagsfraktionen haben sich auf einen Fragenkatalog geeinigt, der an die EdF gehen soll.

Stuttgart - Die Umstände, die zum Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW geführt haben, sind noch immer rätselhaft. Der Untersuchungsausschuss greift jetzt quasi nach dem letzten Strohhalm.

Ulrich Müller, ein alter Hase im politischen Betrieb des Landtags, legte die Stirn in tiefe Falten. Auch die jüngste Sitzung des Untersuchungsausschusses zum umstrittenen EnBW-Deal dauerte zwar wieder Stunden, die Beteiligten waren danach aber nicht wirklich schlauer als zuvor. „Es steht weiter Aussage gegen Aussage“, bilanzierte der Ausschussvorsitzende Müller. Wie also soll der Geheim-Deal je aufgeklärt werden, bei dem im Dezember 2010 der damalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) in einer Geheimaktion dem französischen Energiekonzern EdF die Anteile an der EnBW für rund fünf Milliarden Euro abkaufte und dafür später vom Staatsgerichtshof die Quittung „Verfassungsbruch“ erhielt, weil er den Landtag umgangen hatte?

Fakt ist: Die Versuche des Untersuchungsausschusses, die Entstehung des Geschäfts und die merkwürdige Festsetzung des Kaufpreises zu durchleuchten, waren bisher wenig ergiebig. Auf der einen Seite stehen Ex-Regierungschef Stefan Mappus und Ex-Staatsminister Helmut Rau. Sie behaupten, sie hätten das Geschäft völlig legal abgewickelt und es gleichfalls nie getan, wenn man ihnen vorher gesagt hätte, sie würden einen Verfassungsbruch begehen. Auf der anderen Seite steht die Kanzlei Gleiss Lutz, die das Land rechtlich beriet und behauptet, man habe die Regierung sehr wohl auf die Risiken hingewiesen. Irgendwo dazwischen bewegt sich Dirk Notheis, Chef der Investmentbank Morgan Stanley, der solche Geheim-Deals tagein, tagaus eintütet und auch in diesem Fall alle Fäden in der Hand hielt.

„Wer hat mit wem, wann und wo welche Gespräche geführt?“

Die einzige Chance, das Milliardengeschäft aufzuklären, das dem Land wie ein Klotz am Bein hängt, ist also die Electricité de France (EdF). Denn nur in der Chefetage um EdF-Boss Henri Proglio weiß man, wie es damals zu den Geheimverhandlungen kam. Das Problem: Das deutsche Recht sieht keine Möglichkeit vor, ausländische Zeugen vor einen Untersuchungsausschuss nach Deutschland verpflichtend zu laden. Was also tun? Schon Ende März signalisierte die EdF, man sei nicht bereit, für eine Aussage nach Stuttgart zu kommen. Die vier Landtagsfraktionen haben sich deshalb jetzt auf einen schriftlichen Fragenkatalog geeinigt, der nach Paris gehen soll und der unserer Zeitung vorliegt.

Eine der zentralen Fragen umreißt das gesamte Problem: „Wer hat mit wem, wann und wo welche Gespräche geführt?“ Die EdF, so heißt es in dem Papier, möge bitte „die genaue Anbahnung der Transaktion schildern“. Was folgt, sind nahezu 100 Fragen, mit denen die Abläufe minutiös aufgeklärt werden sollen. Warum wollte die EdF ihre Anteile an der EnBW verkaufen und sich damit aus einer der größten Volkswirtschaften zurückziehen? Von wem ging die Initiative aus? Wer drang auf die Geheimhaltung bis zum Vertragsabschluss am 6. Dezember 2010: die EdF oder das Land? Wie liefen die Verhandlungen zum Kaufpreis ab? Wer hat wem welchen Preis genannt? Und: Gab es einen weiteren Interessenten an den EnBW-Anteilen der EdF?

Vorwurf: Kauf, um aus dem Tal der schlechten Meinungsumfragen herauszukommen

Vor allem die Beantwortung dieser Frage könnte entscheidend werden für den Erfolg oder Misserfolg des Untersuchungsausschusses. Denn Grüne und SPD werfen der damaligen Regierung vor, ohne Not und in größter Hektik den 46-Prozent-Anteil gekauft zu haben, um drei Monate vor der Landtagswahl aus dem Tal der schlechten Meinungsumfragen herauszukommen und sich als wirtschaftskompetente Regierung zu präsentieren. Mappus seinerseits hatte hingegen betont, er habe die Kaufaktion nur deshalb vollzogen, weil die Gefahr bestanden habe, dass ein ausländischer Investor die EnBW-Anteile wegschnappt und damit ein Energieriese wie Gazprom den Markt in Baden-Württemberg bestimmt. Dafür hatte es im bisherigen Verlauf des Untersuchungsausschusses aber keinerlei Belege gegeben.

Ob die EdF die Fragen beantwortet, ist unklar

Die Parlamentarier wollen von den Franzosen aber auch gerne mehr über das Verhalten von Notheis und die Rolle der Gleiss-Lutz-Anwälte wissen. Und sie wollen den heiklen Punkt des Parlamentsvorbehalts erklärt bekommen. Mappus und Rau hatten in ihren Zeugenaussagen betont, man habe auf die Einschaltung des Landtags vor dem Vertragsabschluss bestanden, die Franzosen hätten einen solchen Parlamentsvorbehalt aber nicht mit sich machen lassen. Warum hat die EdF einen Parlamentsvorbehalt stets strikt abgelehnt?, lautet deshalb eine der vielen Fragen.

Ob überhaupt und wie detailliert die EdF die Fragen beantworten wird, ist unklar. „Wir hoffen auf Antworten, die für uns aufschlussreich sind“, heißt es aus dem Untersuchungsausschuss. Geduld werden die Abgeordneten ohnehin haben müssen. Erst dauerte es mehrere Wochen, bis sich die vier Landtagsfraktionen auf den Katalog einigen konnten. Nun hapert es an der Übersetzung der Fragen ins Französische. Der Grund: Die eigens ausgewählte Spezialistin brachte früher als geplant ein Kind auf die Welt – und fiel erst einmal aus.

Wie lange der Ausschuss in diesem Jahr noch tagen wird, ist derzeit völlig offen. Zahlreiche Zeugen stehen noch aus. Und ein neuer kommt hinzu: Am 22. Juni wird der jetzige Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) geladen. Er traf sich in jenen November-Tagen 2010 zusammen mit dem damaligen Grünen-Fraktionschef und heutigen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann in Stuttgart mit Vertretern der EdF. Um was es ging, ob die Herren womöglich auch Gedanken an eine Übernahme der EnBW-Anteile hegten? Der Minister wollte sich zu dem Inhalt des Gesprächs am Montag nicht äußern.