Ex-Ministerpräsident Mappus bei seiner Aussage vor dem EnBW-Ausschuss Foto: dpa

Offiziell ist der parlamentarische Betrieb in der Osterpause. Für den EnBW-Deal gilt das nicht.

Stuttgart - Von Stuttgart nach Paris sind es mit dem TGV nur dreieinhalb Stunden. Es wäre also relativ einfach, von dort nach hier zu kommen, um den umstrittenen EnBW-Deal vom Dezember 2010 aufzuklären. Damals hatten bekanntlich der seinerzeit amtierende Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) und der Chef des französischen Konzerns Electricite´ de France (EdF), Henri Proglio, in einem Geheim-Deal den Wiedereinstieg des Landes bei der EnBW besiegelt. Das Land kaufte der EdF den EnBW-Anteil für rund fünf Milliarden Euro ab. In zwei langen Sitzungen hat der Untersuchungsausschuss des Landtags zuletzt versucht, Licht in die Operation „Olympia“ zu bringen. Vieles ist dabei aber im Dunkeln geblieben, und so wäre es vor allem die Chefetage der EdF, die für Aufklärung sorgen könnte.

Doch Proglio und seine engsten Mitarbeiter mögen sich in Paris weder ein Zugticket kaufen noch ins Flugzeug steigen, um vor dem Untersuchungsausschuss in Stuttgart auszusagen, wie der Deal damals zustande kam. Das geht aus einem Schreiben hervor, das die Anwälte der EdF jetzt an den Untersuchungsausschuss geschickt haben und das unserer Zeitung vorliegt. Der Brief ist aber nicht nur eine Absage, er ist eine verbale Ohrfeige für Grün-Rot. Denn die EdF-Spitze begründet ihr Nichtkommen unmissverständlich mit der Verärgerung darüber, dass man von der neuen Landesregierung Mitte Februar vor der Internationalen Handelskammer in Paris verklagt worden sei. Baden-Württembergs Finanz- und Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) hatte diesen überraschenden Schritt mit möglichen Schadenersatzklagen gegen die EdF und damit verbundenen Fristen begründet. Mit der Schiedsgerichtsklage solle geprüft werden, wie es damals zum Kaufpreis von 41,50 Euro pro Aktie kam und ob Mappus bei dem Deal einen überhöhten Preis an die EdF bezahlt habe. Wenn ja, sei dies ein Verstoß gegen europäisches Beihilferecht, das Land habe dann Anspruch auf Rückzahlungen. Die Rede ist von rund 100 Millionen Euro.

Vergiftete Atmosphäre

Bei der EdF hatte dieser Schritt erboste Reaktionen hervorgerufen. In einem ersten Brief Ende Februar an die Anwälte der Landesregierung fiel die Reaktion noch relativ harmlos aus. Die EdF werde der Verteidigung ihrer Rechte „höchste Aufmerksamkeit“ schenken. Nun gibt es das zweite Schreiben, das an Ulrich Müller (CDU), den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses, gegangen ist und inzwischen auch allen vier Landtagsfraktionen vorliegt.

Aus dem Brief der EdF ist die vergiftete Atmosphäre herauszulesen. Das Land verlange „exorbitante Schadenersatzzahlungen oder die Rückabwicklung der Transaktion“. Diese Klage, so die EdF-Anwälte, sei „sowohl schlecht durchdacht als auch unbegründet“. Was folgt, ist die unverhohlene Drohung von rechtlichen Maßnahmen gegen Baden-Württemberg. Die EdF werde sich gegen die Klage „mit aller Kraft verteidigen und das Land für alle Schäden, die der EdF aus dieser rechtsmissbräuchlichen Klage entstehen könnten, zur Verantwortung ziehen.“ Selbst Insider sind verwundert über die Schärfe der Reaktion aus Paris. Experten in der Energiebranche bestätigten, dass die EdF derzeit alles unternehme, einen Imageschaden aus dem EnBW-Deal zu verhindern. Die Franzosen jedenfalls schalten nun auf stur. Mit Blick auf das Verhalten des Landes sei es „nicht denkbar, dass die EdF sowie ihre Vertreter und Rechtsberater vor dem Untersuchungsausschuss eine Zeugenaussage machen“.

Ausschusschef Müller fasste am Mittwoch gegenüber unserer Zeitung die Botschaft des Schreibens so zusammen: „Man merkt, dass die Franzosen stocksauer sind.“ Trotz der Verärgerung will Müller nach Rücksprache mit den vier Landtagsfraktionen aber nicht locker lassen, von den Franzosen zumindest eine schriftliche Stellungnahme zu den damaligen Vertragsverhandlungen zu erhalten. Die EdF hat ein solches Papier inzwischen angekündigt, der Ausschuss möchte aber selbst „noch Fragen stellen“, so Müller. Ob die Franzosen darauf antworten werden, gilt freilich als ungewiss. Die alles entscheidende Frage, ob und warum die EdF zum damaligen Zeitpunkt sich weigerte, den so genannten Parlamentsvorbehalt – also die Zustimmung des Deals durch den Landtag – zu akzeptieren, könnte also vorerst weiter ein Geheimnis bleiben.