Das gewählt Fitness-Studio sollte Erfahrung mit Elektromuskelstimulation haben - dann klappt das EMS-Training durch Reizstrom ohne Verletzungen. Foto: TOC

Fit bleiben, ohne sich zu bewegen – ­EMS-Training soll es möglich machen. Mit der Elektromuskelstimulation, kurz EMS, verspricht die Fitnessindustrie viel. Allerdings gab es bei dem Training unter Strom auch so manche Unfälle. Wie viel Nutzen steckt hinter dem Konzept?

Berlin/Stuttgart - Mit Herzrasen, starken Schmerzen im Brustbereich und im Kopf wurde eine junge Frau ins Krankenhaus eingeliefert. Die Diagnose: Muskelfasern haben sich abgelöst infolge eines zu hohen Reizstroms, der durch den Körper der 19-Jährigen gejagt wurde. Sie hatte an einem Elektrostimulations-Muskeltraining, kurz EMS-Training, teilgenommen. Doch der Reizstrom war viel zu hoch eingestellt. Der Trainingseffekt wäre dann höher, hieß es. Die junge Frau hat nun das Fitnessstudio verklagt. Der Unfall ist offenbar kein Einzelfall: Im Internet und in sozialen Netzwerken kursieren mehrere solcher Geschichten, in denen sich Sportbegeisterte beim EMS-Training verletzen.

Ursprünglich war das Training eine Reha-Maßnahme etwa bei Patienten mit Kreuzbandoperationen als Ergänzung zur klassischen Physiotherapie. Dabei wird durch die Muskeln des Körpers Strom geleitet, die sich anspannen und somit gekräftigt werden sollen. Inzwischen setzen auch viele Spitzentrainer EMS zum Muskelaufbau ein. Schließlich belegte eine Studie der Deutschen Sporthochschule Köln mit Profifußballern den Nutzen der Stromtherapie für die Muskulatur. Die Sportler konnten ihre Leistung durch das EMS Training effektiv steigern, vor allem im Hinblick auf Schnelligkeit. Kein Wunder also, dass auch viele Hobbysportler von dieser Methode Muskulatur aufzubauen profitieren wollen.

Mit Epilepsie, Diabetes oder Durchblutungsstörungen ist EMS tabu

Anbieter des Ganzkörper-EMS sind zum Beispiel die Fitness-Ketten Fitbox und Bodystreet. Aber auch viele Fitnessstudios geben Kurse. „Wenn man gut betreut wird, ist das Verletzungsrisiko durch die Muskelstimulation gleich null“, sagt Lukas von Kirchbach, der als Trainer in dem Stuttgarter Studio Bodystreet arbeitet.

So wird vor dem Training erst einmal der Gesundheitszustand das Klienten mit Hilfe eines Fragebogens überprüft: Krankheiten wie Epilepsie, Diabetes oder Durchblutungsstörungen dürfen nicht vorliegen. Auch Schwangere sollten nicht mit dieser Methode trainieren. In manchen Studios sind sogar Erkältungen ein Ausschlusskriterium. „Das Training könnte sonst dem Herz schaden“, sagt Romina Cariglino, Trainerin im Stuttgarter Sportstudio Johnny M Woman.

Das Training selbst erfolgt in spezieller Kleidung, die aus einem Baumwollmix besteht. Unterwäsche ist tabu, dafür gibt es eine mit Elektroden bestückte, angefeuchtete Weste, die den Strom gut leiten soll. Um Arme und Beine kommen Klettbänder, an die ebenfalls Elektroden angeschlossen sind. Eine Leitung verbindet den Trainierenden mit dem EMS-Gerät.

Wie stark der Niedrigstrom dann tatsächlich ist, wird von den Trainern zu Beginn anhand einfacher Übungen ausgetestet: Dazu muss der Sportler leicht in die Knie gehen, die Hände vor dem Körper zusammenpressen und versuchen, alle Muskeln des Körpers anzuspannen. Mit dem Strom durchfährt den Sportler ein Kribbeln.

EMS-Training soll körperstraffende Wirkung haben

Der Ablauf des Trainings ist von Studio zu Studio unterschiedlich. Meist folgt das Training einem festen Plan, bei dem sämtliche Muskeln des Körpers angesprochen werden – so auch in der EMS-Kette Bodystreet. Die Fitnesstrainerin Romina Cariglioni dagegen fragt ab, welche Muskeln besonders bearbeitet werden sollen. Dann muss der Sportler einfache Kraftübungen absolvieren, die aber durch Reizstrom den Körper mehr anstrengen, als er glaubt. So werden beim herkömmlichen Gewichtestemmen nur 40 bis 60 Prozent der Muskelfasern angeregt, beim EMS-Training sind es durch die Muskelstimulation 90 Prozent.

Anhänger dieser Fitnessmethode schwärmen von der körperstraffenden Wirkung. So auch die Stuttgarterin Saskia Straub, die seit einem Jahr unter Strom trainiert. „Ich habe nicht viel abgenommen, aber alles ist fester geworden.“ Ihr Körper hat dennoch an Umfang verloren. Alle drei Monate werden die Erfolge des Muskelaufbaus an Schenkel, Bauch und Armen gemessen.

Sind die Schreckensmeldungen über Muskelablösungen also alles nur übertriebene Panikmache? Tatsächlich beurteilen selbst Kritiker dieses Fitnesstrends EMS als nicht grundsätzlich gesundheitsgefährdend. In der Sportmedizin seien nur wenige Unfälle mit EMS bekannt, sagt auch der Mediziner Simeon Geronikolakis vom Stuttgarter Sportzentrum SpOrt. Dennoch: Aus medizinischer Sicht würde er das Training unter Strom nicht empfehlen. Denn Ausdauer und Koordination werden durch EMS nicht trainiert. Außerdem: „Sportliche Betätigung an der frischen Luft kann entspannter und abwechslungsreicher sein, womit auch ein positiver psychischer Effekt erzielt wird.“

Darauf sollten Sie beim EMS-Training achten

Trainer: „Achten Sie genau darauf, dass ausgebildete Trainer im Studio sind und keine studentischen Hilfskräfte“, sagt der Rechtsanwalt Thomas Nippold aus Berlin, der den Fall der jungen Sportlerin betreut, die beim EMS-Training verunglückte.

Studio: Nur Einrichtungen mit Personal Trainer wählen, der sich mit EMS auskennen, sagt Lukas von Kirchbach von der EMS-Kette Bodystreet. Zertifikate gibt es allerdings keine.

Training: Anfänger sollten nur einmal pro Woche trainieren. „Der Körper braucht fünf Tage, um sich zu erholen“, sagt der Trainer Lukas von Kirchbach. Auch die richtige Ernährung ist wichtig: So sollte vor dem Training nichts gegessen werden, sonst droht Übelkeit. Dagegen ist es wichtig, während und nach dem Training viel zu trinken, damit sich die Muskeln regenerieren.

Alter: „Man sollte mindestens 20 Jahre alt sein“, sagt Romina Cariglino, Trainerin im Jonny M Woman in Stuttgart. Das Training muss intensiv sein, darf aber keinesfalls schmerzen.

Kosten: Bei der EMS-Kette Bodystreet kostet das Training rund 20 Euro pro Einheit. In Fitnessstudios wie Jonny M können bis zu 70 Euro pro Monat mit je vier Einheiten zusätzlich zum Mitgliedsbeitrag dazukommen.