Jeremy Irvine (re.) und Jonny Beauchamp als schwule Vorkämpfer in Roland Emmerichs Drama „Stonewall“. Foto: Warner

Für seine frühen Genre-Filme wie „Das Arche Noah Prinzip“ wurde Roland Emmerich als „schwäbisches Spiel­bergle“ belächelt. Doch der „Master of Desaster“, so ein anderes Etikett, machte seinen Weg in Hollywood. Er lebt schon lange offen schwul – und hat nun einen Film zum Thema gemacht.

Los Angeles -

Herr Emmerich, nachträglich alles Gute zum Geburtstag. Was hat sich für Sie geändert, seitdem Sie 60 sind?
Vielen Dank. Ein bisschen erschrocken war ich schon, als ich an diesem Tag aufgewacht bin und als Erstes dachte: Der nächste große Geburtstag wird dann dein 70. sein! Andererseits ist meine Mutter gerade 88 geworden, und die springt herum wie das blühende Leben. Ein bisschen macht man sich bei so einem Jubiläum schon Gedanken, wie viel Zeit man noch hat. Ich habe mir jedenfalls vorgenommen, ab jetzt jedes Jahr einen Film zu drehen.
Wie halten Sie sich fit?
Ich gehe regelmäßig ins Fitnessstudio, denn Regieführen ist Hochleistungssport. Es gibt Regisseure, die sitzen nur in ihrem Stuhl, aber ich renne den ganzen Tag am Set herum. Das habe ich schmerzhaft bemerkt, als beim Dreh des neuen „Independence Day“ meine Knie plötzlich nicht mehr mitgemacht haben. Zum Glück ging das nach zwei Wochen vorbei, nichtsdestotrotz war das für mich ein Schock. Vielleicht sollten wir den Titel ändern in „Independence Day 2 – The Downfall Of The Knees“ (lacht).
Ihr aktueller Film „Stonewall“ handelt von den Tumulten in der Christopher Street, aus denen die Gay-Paraden hervorgingen. Wann haben Sie selbst zum ersten Mal an solchen Demos teilgenommen?
Erst spät, mit 28 Jahren bin ich in Amerika bei meiner ersten CSD-Parade mitgelaufen. Mittlerweile gehe ich da meist auch nur kurz hin, um es mir anzuschauen und zu winken. Eine Zeit lang habe ich gemeinsam mit meinem Regie-Kollegen Bryan Singer große Pride-Partys geschmissen – als beim letzten Mal dann 1200 Besucher auf mein Grundstück kamen, haben wir damit aufgehört.
In Ihrem Film zeigen Sie junge Obdachlose, die wegen Ihrer sexuellen Orientierung von den Familien aus dem Haus geworfen wurden. Wie ist heute die Lage?
Die Lage ist heute vielleicht noch dramatischer als damals. Im Internet wird eine falsche Offenheit dargestellt, die in der Gesellschaft so noch gar nicht vorhanden ist. Speziell auf dem Land haben es Kids, die sich outen, sehr schwer, weil die Kirche dort großen Einfluss hat. Die Zahlen der jungen Obdachlosen in den Großstädten steigen, in Los Angeles sind 40 Prozent dieser Jugendlichen Lesben, Schwule oder Transgender. Das war für mich der ursprüngliche Grund, „Stonewall“ zu drehen.
Sie sind Kritik in Ihrer Karriere gewohnt. Doch wie ergeht es Ihnen, wenn ein Herzensprojekt wie „Stonewall“ derart verrissen wird, wie es in den USA der Fall war?
So viel Häme hat mich schon getroffen, für ein, zwei Wochen war ich da total im Loch. Wobei ich derzeit viel zu beschäftigt bin, um mich lange dem Kummer zu ergeben. Allerdings gibt es eine enorme Diskrepanz zwischen Kritikern und dem Publikum. Auf der Filmseite „Internet Movie Database“ gibt es von den Usern 92 Prozent positive Stimmen, bei den Kritikern sind es nur acht Prozent. Da passiert etwas, was ich nicht ganz verstehe. Die meisten der Kritiker sind selbst schwul, und da weiß eben jeder gerne alles besser. Viele haben ihre Texte nur aufgrund des Trailers geschrieben – und als der Film dann erschien, wurde das einfach so beibehalten. Da gibt es niemanden, der seine Meinung widerruft.
Können Sie sich vorstellen, auch bei Ihren Mega-Produktionen schwule Themen zu behandeln?
Im neuen „Independence Day“ gibt es ein schwules Paar, das erscheint dort als völlig selbstverständlich und wird von niemandem kommentiert. Für das Studio war das überhaupt kein Problem – was schon zeigt, wie offen Hollywood mittlerweile ist.
Wäre das beim ersten Teil von „Independence Day“, der im Jahr 1996 erscheinen ist, noch undenkbar gewesen?
Absolut, da haben sich ja noch alle aufgeregt, weil der Pilot ein Afroamerikaner ist.
Selbst in Texas dürfen Homosexuelle mittlerweile heiraten, in Deutschland ist nur die eingetragene Partnerschaft möglich. Wie sehen Sie das?
Das ist ein absolutes Armutszeugnis. Auf der anderen Seite muss ich sagen, dass sich Deutschland in der Frage der syrischen Flüchtlinge sehr gut verhalten hat – da habe ich mich geschämt für die Amerikaner.
Wie feiert ein Star-Regisseur in Hollywood den runden Geburtstag?
Statt großer Party habe ich in diesem Jahr nur ein Essen gemacht für all die Leute, die mir wichtig sind. Mit den Freunden aus Deutschland habe ich mich vorgestern hier in Berlin getroffen. Und einen Tag später folgt die Feier mit der Familie, zu der auch meine Mutter anreist.