Das Ehepaar Martina und Andreas Sieber in Amsterdam Foto: privat

Besondere Schokofahrt: Martina und Andreas Sieber nehmen lange Radstrecken in Kauf, um an emissionsfrei gelieferte Schokolade zu kommen. Jetzt waren sie wieder auf Tour.

Ihre Stammkundschaft liebt sie genau so, wie sie sich alltäglich in ihrem Reformkostladen zeigt: quirlig und zugewandt, die Philosophie der Reformkost engagiert auslebend und obendrein mit kessem Zungenschlag. Martina Sieber lebt mit vollem Herzen ihren Beruf aus. Der Clou dabei ist, dass nicht nur sie, sondern auch ihr Ehemann Andreas – von Beruf Rettungssanitäter – diese Überzeugung teilen und sie deshalb das Reformhaus in Marbach betreiben.

 

Ihr Engagement treibt mitunter besondere Blüten. Das zeigt sich etwa am Beispiel der mittlerweile achten Schokofahrt, die das Paar jüngst unternommen hat. Ziel dabei ist die Niederlande, wo es die Siebers seit 2019 regelmäßig hinzieht, meist zweimal pro Jahr: nämlich im Frühjahr und im Herbst, wenn die Amsterdamer Schokoladenfirma Chocolatemakers ihre speziellen Kunden mit einer kleinen Feier empfängt. Die Eheleute achten nämlich nicht allein auf gesunde, vollwertige Nahrungsmittel; ihren Vorstellungen nach soll auch möglichst viel Ware emissionsfrei in den Laden kommen. Am besten mit dem Rad.

Das Ehepaar Sieber auf der Fahrt in die Niederlande Foto: privat

Sechs Tage Urlaub für die Schockofahrt

Das Fahrrad nimmt in dem Marbacher Reformhaus eine große Rolle ein: Bei der Entsorgung von Kartonagen, beim Lieferservice oder auch beim Warentransport von Kaffee, Nüssen, Wein oder Honig. All dies wird aus der Umgebung mit dem Lastenrad transportiert. Für diese Philosophie investieren die beiden Radbegeisterten viel: allein sechs Tage Urlaub für die Schokofahrt und jede Menge Kalorien, die beim Strampeln verloren gehen. Denn für die Reise von Amsterdam zurück nach Deutschland – hinzu fahren die Siebers mit den Rädern in der Bahn – müssen sie rund 640 Kilometer zurücklegen. Doch der Einsatz lohnt sich offensichtlich. „Allein der Duft, wenn man der Rohware direkt gegenüber steht, ist fantastisch“, sagen die Eheleute zu dem olfaktorisch entzückenden Erlebnis, bei dem sie die emissionsfrei transportierte Schokolade direkt beim Hersteller abholen. Dieses Mal haben sie dabei sogar das Segelschiff gesehen, dass die schmackhaften Rohstoffe per Windkraft liefert - und haben es fotografiert.

Die Tatsache, dass auch die Rohware emissionsfrei ankommt, komplettiert das ehrgeizige Velo-Projekt, auf das vier junge, ebenfalls radbegeisterte Leute in Münster, im Jahr 2017 gestoßen waren. Die vier erstellten einen Verteilerplan, indem sie Händler in Deutschland anfragten, die bereit seien, per Rad die Ware in Amsterdam abzuholen. „Das Engagement erlebte im Jahr 2019 seine Hochzeit. Da sind auch wir dazu gekommen“, erklärt Andreas Sieber, der jedoch erfahren musste, wie Corona auch hier den Hebel angesetzt hat: „Während der Pandemie wurde uns die Schokolade an die holländische Grenze geliefert, wo ein Biohof die Zwischenstation bildete“.

1350 Kilogramm Schokolade per Rad transportiert

Inzwischen aber ist Normalstand eingekehrt und die Siebers reisen wieder direkt nach Amsterdam. Heuer mit weiteren insgesamt 96 Radlern, die von überall herkommend, dasselbe Ziel hatten: die Firma Chocolatemakers. Deren Statistik weist aus, dass immerhin 1350 Kilogramm der Segelschiff-Schokolade bei der Frühlings-Velo-Schokofahrt nach Deutschland transportiert wurden. Am 4. Oktober ist es dann erneut soweit. Doch bis dahin müssen die Siebers ihre kostbare Fracht an die Liebhaber der edlen Süßigkeit gebracht haben. „Das geht meist schneller, als wir Nachschub holen können“, sagt Martina Sieber, die dadurch aber die besondere Wertigkeit garantiert sieht, die über dem Ganzen schwebe. „Es soll ja etwas Besonderes bleiben. Da darf ruhig ein wenig Wartezeit vergehen, bis es wieder zu haben ist“. Allein 180 der kostbaren Bio-Schoko-Tafeln mit dem Segelschiff-Logo hat das Paar diesmal per Rad transportiert: oder exakter, Andreas Sieber mit dem Rad-Anhänger. „Das sind mit Verpackung knapp 16 Kilo“, rechnet seine Ehefrau Martina aus. Ein Großteil dieser Tafeln steht jetzt im Laden und wartet auf Abnehmer. 40 Tafeln aber gehen einen anderen Weg.

Denn Andreas Sieber hat gewissermaßen auch einen Fahrdienst übernommen: Bereits zum dritten Mal hat nämlich das Stuttgarter Staatsorchester Bedarf an der speziellen Schokolade angemeldet. Es verkauft sie hochpreisig bei seinen Konzerten. Der Erlös fließt dann in Spendenprojekte für die Wiederaufforstung der Regenwälder. „Damit es kein purer Hol- und Bringservice ist, werden die Tafeln von einem Orchestermitglied bei uns abgeholt und nach Stuttgart gefahren: natürlich mit dem Rad“, betont Andreas Sieber lächelnd.