Emil Nolde: „Hohe Sturzwelle“ (1948). Foto: Nolde Stiftung Seebüll

Das Museum Frieder Burda präsentiert in Baden-Baden eine umfassende Schau zum Werk von Emil Nolde.

Baden-Baden - Im Dezember 1986 stauen sich die Besucherschlangen vor dem Stuttgarter Kunstgebäude am Schlossplatz. Tilman Osterwolds Emil-Nolde-Schau im Württembergischen Kunstverein lockt vor allem mit der Glut der Farbe. Doch die eigentlichen Entdeckungen kann man in einem eigens eingerichteten Grafik-Kabinett machen. Frisch und unverbraucht wirken selbst kleinste Blätter.

Die Gegensätze in Noldes Schaffen greift auch die Ausstellung „Emil Nolde – Die Pracht der Farben“ auf, die von diesem Samstag an im Museum Sammlung Frieder Burda in Baden-Baden zu sehen ist. Dabei wirken nicht etwa die druckgrafischen Blätter als Experimentierfeld, das die Gemälde kontrastiert, sondern die Aquarelle.

Wer eine Nolde-Schau plant, kommt an der Nolde Stiftung Seebüll nicht vorbei. Manfred Reuther, ehemaliger Direktor der Nolde Stiftung, erarbeitet die Sommerausstellung des Museums Frieder Burda – und ist angesichts der drohenden Gegenrede nur scheinbar zu beneiden.

Im Farbenglück

60 Arbeiten auf Leinwand, 20 Werke auf Papier hat Reuther für die Schau in Baden-Baden ausgewählt, „von den Anfängen bis zum Spätwerk“, wie er betont. Und Reuther schreibt: „Das Phänomen Farbe wurde in Emil Noldes künstlerischer Entwicklung nicht von außen an ihn herangetragen, nicht durch theoretische Lehrmeinungen vorbereitet oder wegweisend übernommen, vielmehr war ihm die ausgeprägte Neigung zur Farbe schon früh als natürliche, untergründige Gabe und qualitative Anlage eigen, die zur Entfaltung drängte.“ Ein wenig Pathos liegt in diesen Worten – warum aber auch nicht. Immerhin schreibt Nolde in seinen Erinnerungen selbst: „In der Schule übermalte ich alle Bilder meiner Bibelgeschichte und lebte ständig damals schon im Farbenglück.“

Das Verständnis für die Farbakzentuierungen entwickelt sich, wird ein anderes, was bleibt, ist das Interesse an biblischen Motiven. Und so belegt in Baden-Baden nun unter anderem das Ölbild „Josephs Versuchung“ von 1921, was Nolde so anhaltend fesselt: Die Erzählkraft der biblischen Szenen verlangt keine weitere Zuspitzung – und so kann der Maler die Protagonisten in das in der Naturbeobachtung gewonnene Farbgewitter schicken.

Auch die Naturfreude Emil Noldes provoziert kritische Fragen. Etwa jene, ob eine Ausstellung, die dieser Thematik folgt , den Blick nicht verengt. Tatsächlich aber lässt sich an den Werken „Trollhois Garten“ von 1907 und „Großer Mohn (rot rot rot)“ von 1942 jene Befreiung vom Gegenstand selbst beobachten, wie sie Nolde im ersten und zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts bereits in seinen nordischen Küstenlandschaften vorangetrieben hatte. „Das Meer III“ von 1913 belegt die ganz aus der Farbformation erzeugte Intensität. „Eine Farbe“, schreibt der Maler seinerzeit, „bestimmt durch ihre Nähe das Ausstrahlen der Nachbarfarbe, genau so wie in der Musik der Ton im Akkord von seinem Nachbarton seine Klangwirkung erhält.“ Ist aber der Maler Nolde überhaupt zu verstehen ohne eine Konfrontation mit dem grafischen Experimentator Nolde? Die Schau in Baden-Baden setzt mit gutem Grund auf Arbeiten auf Leinwand und Papier. Und doch darf man insbesondere den Radierer Nolde nicht vergessen. Enttäuscht von der Ablehnung, auf die er mit seinen Blättern stößt, schreibt Nolde 1907: „Das ist doch merkwürdig. Gerade da, was ich will und woran ich Freude finde, und was ganz und gar von mir ist. das erregt am meisten Anstoß“ Ganz und gar von Nolde ist vor allem der Versuch, der Radierung durch Mehrfach-Ätzung en und Einarbeitungen mit der Hand die Klarheit der Linie, die Härte der Umrissform zu nehmen.

Ungemalte Bilder

Immer wieder überraschend ist, mit welchem Nachdruck Nolde die Würde seiner Motive wahrt. Ob Menschen, ob Dinge, ob Pflanzen oder Landschaften – man wird auf Distanz gehalten. In Baden-Baden ist dies ebenso vor „Tänzerin und Harlekin“ von 1920 wie auch vor der „Großen Sturzwelle“ von 1948 zu erleben. So erleben wir wohl auch in Noldes Szenerien ungeachtet ihrer keineswegs großen Formate eine eigene Weite. Das Fremde bleibt bei Nolde zudem das Fremde, eine falsche Eingliederung seiner Südsee-Erfahrungen gibt es nicht. Rotgrün leuchtet denn auch 1914 wohl die „Tropensonne“, das Meer seines geliebten Nordens aber behält stets das harte Blau und das schon das nächste Brausen ankündigende kalte Grün.

Seine künstlerischen „Urgründe“ sieht Nolde „zutiefst im Boden engster Heimat verwurzelt. Wenn auch mein Wissen und Verlangen nach künstlerischer Weitung und Darstellungsmöglichkeiten bis in die entferntesten Urgebiete reichen, sei es in Wirklichkeit, sei es in Vorstellung oder Traum – die Heimat bleibt der Urboden.“ Eine Position, die Nolde für Hitler-Deutschland unverdächtig machen sollte. Der Künstler Nolde aber nimmt die Verwurzelung ernst, wie ihm zugleich alle Behauptung ein Gräuel ist. „Wurzeln heißt auch Wanderschaft, bleibe Achalm“, wird in den 1950er Jahren der Maler und Holzschneider HAP Grieshaber notieren – ein Satz, den man in seiner umfassenden Bedeutung auch Emil Nolde zuschreiben könnte.

Mal- und Ausstellungsverbot drängen Nolde von 1940 an zu „Ungemalten Bildern“, zu einem künstlerischen Dennoch. Wenn Emil Nolde auch hier die Farbe forciert, kann man erahnen, was ihm deren Kraft bedeutet. Farbe als Notwendigkeit – das ist die eigentliche Botschaft der Bildwelt von Emil Nolde.

Info

Die Ausstellung „Emil Nolde – Die Pracht der Farben“ ist von diesem Samstag an bis zum 13. Oktober im Museum Frieder Burda in Baden-Baden zu sehen. Die Öffnungszeiten sind Di bis So 10 bis 18 Uhr. Der Eintritt kostet 12 Euro (ermäßigt 10 Euro). Familienkarte 26 Euro.

www.museum-frieder-burda.de