Ohne Michael Ballack will Löw die Vorentscheidung in der Qualifikation zur EM 2012 erreichen.

Berlin - Kein klärendes Wort zum schleichenden Abschied von Michael Ballack: Ohne den weiterhin offiziellen Kapitän, aber mit Debütant Marco Reus will Joachim Löw die Vorentscheidung in der Qualifikation zur Fußball-Europameisterschaft 2012 erreichen.

21-jähriger Reus zum dritten Mal dabei

Der Bundestrainer berief zum dritten Mal den 21-jährigen Reus in den Kader der deutschen Nationalmannschaft; zweimal hatte der Gladbacher in der Vergangenheit wegen Verletzungen absagen müssen. Nun steht das Talent vor seinem Debüt.

Löw holt für die Test-Partie am 29. Mai in Sinsheim gegen Uruguay sowie für die EM-Ausscheidungsspiele am 3. Juni in Österreich und vier Tage später in Aserbaidschan statt Ballack dessen Leverkusener Kollegen Simon Rolfes zurück. Auch Sami Khedira steht im 23-köpfigen Aufgebot; der Einsatz des Real-Madrid-Profis ist nach einem Muskelriss äußerst fraglich. Per Mertesacker und Jérome Boateng fehlen verletzt. Der Hamburger Heiko Westermann und der Dortmunder Kevin Großkreuz bekamen wie schon bei den jüngsten Spielen im März keine Einladung.

Was ist mit Michael Ballack?

Dass der 98-malige Nationalspieler Ballack überhaupt noch einmal eine Chance im DFB-Team bekommt, wird immer unwahrscheinlicher. Von Löw gab es zum erneuten Verzicht auf den langjährigen "Capitano" keine Details. In einer schriftlichen Erklärung teilte Löw lediglich mit: "Michael wird für die kommenden drei Länderspiele nicht nominiert. Die Entscheidung ist mit ihm besprochen." Zuletzt hatte Ballack im März 2010 gegen Argentinien (0:1) für Deutschland gespielt. Erstmals seit seinem Debüt 1999 wird der gebürtige Sachse in einer Saison ohne eine einzige Länderspiel-Minute bleiben.

Seite 2: Geheimes Gespräch zwischen Ballack und Löw

Nach Ballacks schweren Verletzungen vor und nach der WM 2010 hatte Löw den Verzicht auf den Kapitän zunächst noch mit mangelnder Fitness und danach fehlender Spielpraxis erläutert. Nun verzichtete er auf eine sportliche Begründung für Ballacks Fehlen. "Wir standen in den vergangenen Wochen in ständigem Kontakt, unter anderem haben wir uns Ende März persönlich getroffen", informierte der DFB-Chefcoach.

Das Gespräch war bisher geheim gehalten worden - und über die Inhalte darf nun spekuliert werden. Zuletzt hatte Ballack bei Bayer Leverkusen zwar wieder regelmäßig gespielt, seine frühere Topform aber hat der 34-Jährige in dieser Saison nicht wieder erreicht.

Mertesacker soll sich noch schonen

Westermann, dem Löw ein Comeback in Aussicht gestellt hatte, und der angeschlagene Bremer Mertesacker sollen eine längere Pause einlegen. "Wir haben gemeinsam beschlossen, dass er diesmal nicht dabei ist. Er soll die Zeit nutzen, um seine Verletzungen auszukurieren und für die neue Saison zu regenerieren", sagte Löw zu seiner Stammkraft Mertesacker. Manchester-City-Profi Boateng ist nach einer Meniskus-Operation noch nicht wieder fit.

Rolfes bekommt eine Chance

Dafür bekommt Rolfes nach längerer Nationalmannschaftspause wieder eine Chance. Der 29 Jahre alte Mittelfeldspieler hatte das bisher letzte seiner 21 DFB-Spiele im Oktober 2009 gegen Russland (1:0) bestritten - übrigens an der Seite von Ballack. "Nach langer Verletzungspause ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen, Simon wieder eine Chance zu geben. Wir hatten ihn nie abgeschrieben. Er hat sich in diesem Jahr hart herangearbeitet und war oft in guter Verfassung", bemerkte der Bundestrainer. Rolfes kann wieder hoffen, auf den deutschen EM-Zug aufspringen, der ohne Ballack unterwegs ist.

Seite 3: Deutschland führt mit 15 Punkten aus fünf Spielen

Als 46. Debütant unter Löw könnte Talent Reus in Richtung EM-Endrunde 2012 zumindest eine erste Bewerbung abgeben. "Natürlich freut es mich sehr und es macht mich stolz, dass ich endlich dabei sein kann", kommentierte der Offensivmann seine erneute Berufung. "Marco hat eine interessante Entwicklung gemacht und gute Perspektiven. In den vergangenen Wochen hat er in der Bundesliga sehr stark gespielt und war auch enorm torgefährlich", bemerkte Löw.

Löw muss Terminprobleme klären

Deutschland führt die Qualifikationsgruppe A mit 15 Punkten aus fünf Spielen unangefochten vor Belgien (10), der Türkei (9), Österreich (7), Aserbaidschan (3) und Kasachstan (0) an. Mit weiteren zwei Siegen in Wien und Baku könnte das deutsche Team möglicherweise schon das EM-Ticket vorzeitig lösen.

Davor jedoch muss Löw, der sein Aufgebot am 27. Mai in Frankfurt versammelt, vor allem das Terminproblem lösen. Das wichtige Spiel in Wien wird 20 Tage nach Bundesliga-Ende angepfiffen. "Das wissen wir schon ein ganzes Jahr. Darauf muss man sich einstellen und damit auseinandersetzen", sagte Stürmer Mario Gomez zu dem Problem. "Wir haben dieses Jahr länger Urlaub als sonst. Also dürfen wir uns auch da nicht beschweren", ergänzte der Münchner.