Jamal Muisala (rechts) und Kapitän Ilkay Gündogan gehören zu den Säulen der deutschen Nationalmannschaft. Gegen Spanien braucht es vermutlich noch einmal eine Steigerung. Foto: dpa/Tom Weller

Acht Mannschaften sind noch bei der Fußball-Europameisterschaft dabei. Wie sind sie bislang aufgetreten. Ein Ranking von Favoriten bis Wundertüten:

Nach 44 von 51 EM-Spielen ist nur noch ein Drittel der Teams übrig. Und Deutschland trifft ausgerechnet auf Spanien – den Angstgegner, wenn man so will. Der letzte Sieg über die Iberer liegt schon ganze 36 Jahre zurück. 1988, die EM fand ebenfalls in Deutschland statt, schlug der Gastgeber Spanien mit 2:0. Vielleicht auch dieses Mal?

Das Duell mit dem Team um Mittelfeld-Regisseur Rodri findet an diesem Freitag, 5. Juli, in Stuttgart statt. Anpfiff der Partie ist um 18 Uhr. Übertragen wird das Duell Spanien gegen Deutschland in der ARD und bei MagentaTV. Anschließend spielt Portugal gegen Frankreich (21 Uhr/ZDF und MagentaTV). Auf der anderen Seite des Turnierbaums treten einen Tag später England und die Schweiz (18 Uhr/ZDF und MagentaTV) sowie die Niederlande und die Türkei (21 Uhr/RTL und Magenta TV) gegeneinander an.

Wie haben die Teams bislang performt? Ein „Power-Ranking“ der verbleibenden acht Nationen:

Die Favoriten

  • Spanien: Dominanz. Spielfreude. Spektakel. Für all das stehen die Spanier bisher bei dieser EM. Keiner spielt bislang so gut wie sie - und keiner so erfolgreich. Der Weltmeister von 2010 hat alle Spiele hochverdient gewonnen und erst ein Gegentor kassiert. Vorn zaubern die Supertalente Lamine Yamal und Nico Williams, dahinter führt Mittelfelddirigent Rodri die Defensivreihe an. Die große Frage lautet nun: Wie soll Deutschland diese Mannschaft stoppen? Die Spanier jedenfalls sind so selbstbewusst, dass sie selbst nicht daran glauben, dass irgendwer sie aufhalten kann. Auch nicht der Gastgeber.
  • Deutschland: Ungeschlagen im Viertelfinale - und gegen Spanien auf dem Weg zum Titel jetzt keineswegs chancenlos. Das hätte im tristen November nach dem 0:2 in Österreich kaum jemand für möglich gehalten. Doch Julian Nagelsmann hat mit seiner klaren Personalstrategie den Turnaround geschafft. Eine solide Abwehr mit Chef Antonio Rüdiger. Zauber-Jungstar Jamal Musiala auf dem Weg zum Torschützenkönig und natürlich Toni Kroos als Stabilisator. Die Fans feiern in pink und weiß das schwarz-rot-goldene Fußball-Märchen. Gelingt gegen Spanien der große Coup, dann ist alles möglich Richtung Finale am 14. Juli in Berlin.

Die Formstarken

  • Schweiz: Mit einem dominanten Sieg gegen Titelverteidiger Italien im Achtelfinale ließen die Eidgenossen aufhorchen. Auch wenn die Azzuri schwach waren, die Schweizer kontrollierten die Partie mit einer reifen Leistung ohne jegliche Probleme. Schon in der Vorrunde hatte das Team auch der DFB-Elf einiges abverlangt. Besonders der Leverkusener Granit Xhaka und der Augsburger Ruben Vargas stachen heraus. Trainer Murat Yakin ließ die Spieler mit Döner feiern, längst liegt der Fokus auf den bisher enttäuschenden Three Lions. Der erste Einzug ins EM-Halbfinale scheint greifbar wie nie zuvor.

Die Wundertüten

  • Niederlande: Nach der durchwachsenen Vorrunde mit Gruppenplatz drei machte der dominante Auftritt beim 3:0 gegen Rumänien große Hoffnung. „Solche Leistungen brauchen wir, um eine Chance zu haben, weiterzukommen“, sagte Cheftrainer Ronald Koeman, dessen Elf die Kritik in der Heimat eindrucksvoll beantwortete. Ein Viertelfinale gegen die Türkei, ein mögliches Halbfinale gegen die Schweiz oder England: der Weg ins erste EM-Finale seit 1988 scheint offen. Die flexible Offensive um den schnellen Cody Gakpo, Leipzigs Edeltechniker Xavi Simons und den mitspielenden Mittelstürmer Memphis Depay macht Lust auf mehr. Die Chancenverwertung bleibt trotzdem ein Knackpunkt.
  • Portugal: Nach perfektem Start ließen die beiden vergangenen Auftritte des Europameisters von 2016 einige Fragen offen. Ist das Team mit oder ohne Kapitän Cristiano Ronaldo besser? Beim glücklichen Sieg im Elfmeterschießen gegen Slowenien trug sich ein Drama um den Superstar zu. Erst verfehlte er vom Punkt und weinte, dann traf er und jubelte. Offensiv hat Trainer Roberto Martinez jede Menge Hochkaräter. Das Viertelfinale gegen Frankreich wird auch für die teils anfällige Defensive ein Gradmesser. Der Weg zum möglichen zweiten Titel hat den maximalen Schwierigkeitsgrad.
  • Türkei: Mit Schwung aus dem überraschenden 2:1 über Österreich fiebert die Türkei auf den Stimmungskracher gegen die Niederlande in Berlin hin. Am Samstag wird auch der im Achtelfinale noch gelbgesperrte Kapitän Hakan Calhanoglu wieder zur Verfügung stehen und freut sich auf erneut große Unterstützung der Fans. „In jedem Stadion ist es das Gleiche. Klar ist es aber in Berlin noch eine Nummer höher“, sagte der frühere Bundesligaprofi. Beim Achtelfinalerfolg zeigte das Team seine taktische Flexibilität, setzte sich mit einer Dreier-Abwehrkette durch. Die Hoffnung auf das erste EM-Halbfinale seit 2008 ist auch deshalb groß.

Die Enttäuschungen

  • England: Die Experten attackieren, die Medien schimpfen: England ist das wohl am meisten kritisierte Team dieser EM. Die Mannschaft um Bayern-Star Harry Kane und Champions-League-Sieger Jude Bellingham enttäuschte bislang in allen vier Spielen. Erst ein Geniestreich von Bellingham in der fünften Minute der Nachspielzeit rettete das Achtelfinale gegen die Slowakei. Trainer Gareth Southgate wird Mutlosigkeit und Ratlosigkeit vorgeworfen. Weil der Turnierbaum günstig ist und das Potenzial riesig erscheint, werden die Three Lions trotz mieser Vorleistungen weiter als Titelfavorit gehandelt.
  • Frankreich: Keine Frage, das ist einfach zu wenig für eine Offensive wie sie die Franzosen haben. Vier Spiele, drei Tore - davon waren zwei Eigentore und eines ein Elfmeter. Was ist los mit Les Bleus? Kylian Mbappé kommt nach seinem Nasenbeinbruch im Auftaktspiel gegen Österreich weiter nicht mit seinem Gesichtsschutz zurecht, obwohl er nun schon reichlich Maskenmodelle probierte. Antoine Griezmann sucht seine Rolle, Spieler wie die ehemaligen Bundesliga-Profis Marcus Thuram oder Ousmane Dembélé treffen das Tor auch nicht. Zumindest die Defensive, die vor dem Turnier eher als Unsicherheitsfaktor angesehen worden war, macht ihren Job weitgehend gut. Was die Mannschaft von Didier Deschamps, der seit 2012 das Team trainiert, aber braucht: Einen überzeugenden Sieg mit Toren aus dem Spiel heraus und nicht vom Gegner in dessen eigenes Tor.