Gutes Wetter, großer Andrang: Auch vor dem letzten Saisonspiel gegen Mönchengladbach sind die VfB-Fans wieder in Scharen zum PSV geströmt. Im Hintergrund ragt das Dach der MHP-Arena hervor. Foto: Pressefoto Baumann/Hansjürgen Britsch

Die ganze Stadt ein Stadion – so lautet das Stuttgarter Motto zur EM 2024. Aber: Welche Orte machen den Fußball in Stuttgart wirklich aus? Wir stellen besondere vor. Folge 3: Der Kult-Treffpunkt vor der MHP-Arena.

Zu einem Stadionbesuch gehören Rituale und feste Abläufe, nicht selten schon Stunden vor Anpfiff. Vor Heimspielen des VfB Stuttgart sind es drei Buchstaben, die immer wieder fallen und für Tausende Fans zur fixen Anlaufstelle geworden sind: Es geht auf einen Abstecher zum PSV. Nun haben zum örtlichen Polizeisport-Verein zwar die wenigsten Anhänger des Fußball-Bundesligisten einen engeren Bezug, die unschlagbare Lage aber lässt sie in Massen strömen: direkt an der MHP-Arena, gegenüber des Stadioneingangs zur Untertürkheimer Kurve, nur einen Steinwurf entfernt auf der anderen Straßenseite des Fritz-Walter-Wegs.

 

Zufällig verirrt sich hierher trotz dieser Nähe aber kaum jemand. Schon weit vor der Stadionöffnung zwei Stunden vor Spielbeginn füllt sich das Gelände – sofern eine entscheidende Grundvoraussetzung gegeben ist: Das Wetter muss mitspielen. Tut es das, sind die rund 60 Bierbänke im Freien in Windeseile belegt. Weitere Besucher stehen nebenan im Grünen, stoßen an, fachsimpeln über die mögliche Aufstellung oder Transfers. Alles in allem ein Hauch von Ruhe und Gelassenheit vor dem großen Stadion-Sturm.

Alle Hände voll zu tun für Pächter Fotios Stavridis und sein Team

Was auffällt: Unter den Tausenden Fans, die über so einen Tag verteilt beim PSV vorbeischauen, finden sich immer wieder auch Anhänger des Gastvereins – zuletzt sorgten am letzten Bundesliga-Spieltag der vergangenen Saison mehrere Trikots von Borussia Mönchengladbach für Farbtupfer. Mindestens genau so sehr fällt dabei aber auf: Pöbeleien oder Wortgefechte bleiben aus, es ist ein freundschaftliches Nebeneinander, nicht selten auch ein Miteinander. Etwa, als ein Gladbach-Fan im Austausch mit Stuttgartern noch vor Anpfiff die Vizemeisterschaft für den VfB prophezeite und dabei in schmunzelnde Gesichter blickte.

Die Harmonie freut auch den PSV. „Wir hatten noch nie Probleme mit Fans, die aneinandergeraten“, berichtet der Vereinsvorsitzende Andreas Stolz: „Es ist fast ein bisschen neutraler Boden, auch wenn die VfB-Fans natürlich immer klar in der Mehrheit sind. Wir haben einfach alle zwei Wochen ein tolles Fest auf unserer Anlage.“

Um dem Andrang gerecht zu werden, herrscht im Hintergrund Hochbetrieb für Vereinsheim-Pächter Fotios Stavridis und sein Team. Zwei Getränkewagen und zwei Wurstbuden laufen unter Volllast – jeweils sieben bis acht Personen schenken darin aus und braten, was das Zeug hält. Für 4,50 Euro gibt es eine Rote oder eine Bratwurst aus einer lokalen Metzgerei. „Die wird immer sehr gelobt“, sagt Stolz. Nicht weniger los ist am Ausschank: Selbst in der Halbzeit kommen einige Fans rüber auf ein Bier, um den stets langen Schlangen und Wartezeiten im Stadion zu entgehen.

Seit den 1930-ern am jetzigen Standort

Der PSV wird dabei am Getränkeumsatz beteiligt, das hat man schriftlich fixiert mit Pächter Stavridis. Dass das Ganze eine finanziell lukrative Sache ist, liegt natürlich auf der Hand. „Es ist eine tolle Einnahmequelle für uns“, sagt Stolz. Der größte Teil fließe wieder in die Sportangebote des Clubs mit seinen zwölf Sparten und mehr als 1000 Mitgliedern.

An seinem jetzigen reizvollen Standort ist der 1929 von Polizisten gegründete PSV schon seit den 1930-er Jahren beheimatet – also lange, bevor die benachbarte Arena zur viel frequentierten Event-Location wurde. Entsprechend wohl fühlt man sich und hat kein gesteigertes Interesse an einem Umzug. Vor fünf Jahren wurde einmal ein Verkauf an den VfB diskutiert, dessen Gelände direkt an jenes des PSV grenzt.

Das Thema verfestigte sich nicht, lose im Raum steht derzeit ein Umzug im Rahmen der weiteren Gestaltung des Neckarpark-Areals. „Wir streben das nicht an, haben da aber auch keine völlige Blockadehaltung“, sagt Stolz. Es müsse eine Win-Win-Situation sein, etwa in Verbindung mit einem neuen Vereinsheim und einem Standort in Stadionnähe zum Beispiel auf der anderen Seite der Mercedesstraße. Immer mal wieder ist man im Austausch mit der Stadt, Konkretes liegt derzeit aber nicht an.

Das alles ist ohnehin Zukunftsmusik. Jetzt stehen erst einmal fünf EM-Partien in Stuttgart auf dem Programm – mit Schotten und Dänen, die das PSV-Gelände bevölkern? Nein, zumindest nicht vor Anpfiff: Die Gaststätte hat an Spieltagen der Europameisterschaft geschlossen, da sie direkt an die Sicherheitszone der Uefa angrenzt und ein Zugang schwer bis unmöglich gewesen wäre. Weiter schlimm ist das nicht: Das nächste VfB-Heimspiel kommt bestimmt. Demnächst sogar in der Champions League.

Ihre speziellen Fußball-Orte

Unsere Reihe
Wir stellen in einer kleinen Reihe ohne Anspruch auf Vollständigkeit spezielle Fußball-Orte in Stuttgart vor. Den Auftakt machte der Bolzplatz an der Fleiner Straße, auf dem einst Hansi Müller das Kicken lernte. Es folgte der B-Block im Gazi-Stadion auf der Waldau. Weitere Folgen veröffentlichen wir in den kommenden Tagen.

Ihre Erfahrungen
Uns interessieren aber natürlich auch Ihre und eure Erfahrungen. Was sind Ihre und eure speziellen Fußball-Orte in Stuttgart – und warum? Schreiben Sie uns gerne unter topsport@stzn.de.