Die österreichische Nationalmannschaft musste während des Turniers viel reisen. Foto: dpa/Robert Jaeger

In der K.o.-Phase der EM fliegen nun fast alle Teams für ihre Partien kreuz und quer durch Europa. Das sorgt für Kritik am Spielplan und den ungleichen Bedingungen. Aber auch Politiker und Experten sehen das Turnierformat aus unterschiedlichen Gründen kritisch.

London - Für die Spieler belastend, für die Fans ein Ärgernis - und aus Klima- und Pandemie-Sicht ohnehin eine ganz schlechte Idee: Mit der steigenden Zahl an Reisen kreuz und quer über den Kontinent in der K.o.-Phase der Fußball-EM wächst auch die Kritik am Spielplan mit Partien in elf Städten in ganz Europa. „Das ist eine Tragödie, diese Flüge, es ist verrückt“, sagte der tschechische Nationalspieler Patrik Schick. Für den Leverkusener und seine Teamkollegen ging es nach dem Viertelfinal-Einzug in Budapest über 500 Kilometer zurück nach Prag, um dann ins rund 3500 Kilometer entfernte Baku zu fliegen.

 

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„Ich finde das Signal vor allem mit Blick auf die Pandemie verheerend, aber auch mit Blick auf die Klima-Belastung“, sagte Jens Hilgenberg, Leiter Verkehrspolitik beim BUND, der Deutschen Presse-Agentur am Montag. „Ganz davon abgesehen, dass wir die Delta-Variante quer durch Europa tragen, ist es natürlich auch mit Blick auf die CO2-Emissionen nicht besonders sinnvoll, eine Europameisterschaft auf den ganzen Kontinent zu verteilen.“

Sorge um Ansteckungen

Vor allem die Reisen der Fans kreuz und quer durch Europa seien ein Problem. „Das ist natürlich ein fatales Zeichen“, sagte Hilgenberg. Tausende Kilometer im Flugzeug für ein Fußball-Spiel zurückzulegen, sei „einfach nicht mehr zeitgemäß“. Dazu kommt in Pandemie-Zeiten die Sorge vor Ansteckungen bei Spielen vor Zehntausenden Fans etwa im Virusvariantengebiet London. „Es ist ein Stück aus dem Tollhaus (...), dass nun ausgerechnet im Corona-Sommer eine EM quer über den Kontinent mit Reiseverkehr von Fans, Mannschaften und dem ganzen Tross drumherum stattfindet“, sagte SPD-Vize Kevin Kühnert RTL/ntv.

Auch aus den Teams wächst die Kritik am Spielplan der EM. „Diese Turnierform ist nicht die beste Idee. Eine Gruppenphase mit allen Teams an einem Ort wäre besser gewesen“, sagte Dänemarks Trainer Kasper Hjulmand, der mit seinem Team nun für das Viertelfinale über 4000 Kilometer nach Baku reisen muss. „Wenn du bei so einem Turnier das Beste von den Spielern sehen willst, dann darfst du sie nicht so herumreisen lassen, nicht durch zwei Zeitzonen für ein Spiel.“

Kritik von Kramaric

Auch der kroatische Nationalspieler Andrej Kramaric sieht die Idee der EM in ganz Europa kritisch. „Um ehrlich zu sein, bin ich nicht der Fan von so einer Art Turnier mit vielen Reisen in viele verschiedene Länder“, sagte er. „Zum einen spielt Corona eine Rolle, zum anderen fühlt es sich besser an, wenn das Turnier in einem oder zwei Ländern stattfindet, weil es für die Fans auch schöner ist.“

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Einige Teams fühlen sich durch den Spielplan, bei dem Teams wie Dänemark, Italien oder Deutschland ihre drei Vorrunden-Spiele zu Hause austragen durften, benachteiligt. „Ihr und wir haben mehr verdient als diesen Witz einer Turnierorganisation. Aber wer sagt schon, das Leben sei fair“, schrieb der walisische Nationalspieler Chris Gunter auf Instagram. Wales war durch ein 0:4 gegen Dänemark in Amsterdam ausgeschieden. Wegen der strikten Einreisebeschränkungen waren nur einige wenige Fans aus Wales im Stadion. Schon in der Vorrunde musste das Team zweimal in Baku und in Rom antreten.

Uefa will Flüge kompensieren

Auch Kroatiens Trainer Zlatko Dalic, dessen Team zwischen den Spielen stets ins EM-Quartier in der Heimat zurückgereist war, beklagte: „Wir reisen alle drei Tage, das sind keine guten Bedingungen.“ Österreichs Rekord-Nationalspieler Andreas Herzog kritisierte den Spielplan mit dem Heimvorteil für einige Teams als „total ungerecht“. Österreich hatte in der Vorrunde in Bukarest und Amsterdam gespielt und war im Achtelfinale an den ausgeruhteren Italienern gescheitert.

Die Europäische Fußball-Union hatte erklärt, die CO2-Emissionen durch die Reisen während der EM mit mehreren Projekten kompensieren und unter anderem 600 000 Bäume in den Gastgeber-Städten pflanzen zu wollen. Am Montag teilte die UEFA auf Anfrage mit, wegen der Pandemie hätten bislang erst 100 000 Bäume in Amsterdam und Baku gepflanzt werden können. „Diese Bäume zu pflanzen, ist sicherlich nicht schlecht, aber das wird die CO2-Emissionen nicht ungeschehen machen und bestenfalls langfristig wirken“, sagte Experte Hilgenberg.