Die Ultras: Sie sind perfekt vorbereitet – auch auf das bisschen Schnee in der Stadt. Und packen auf der Rodelpiste ihr Nudelsuppe im Camping-Thermobecher aus. Foto: Maike Hettinger

Von den Ultras bis zu den Nachwuchs-Narzissten – auch auf der Rodelpiste trifft man immer wieder dieselben Typen. Eine nicht ganz ernst gemeinte Typologie live von der Schlittenabfahrt.

Stuttgart - Kaum ist der Schnee da, drehen alle Kinder durch. Und erst die Eltern! Wenn der Stadtpark zur großen Après-Ski-Mutter-Kind-Party wird, lässt sich das wunderbar beobachten. Hier lungern Typen herum, die sich blitzschnell in Schubladen stecken lassen.

Die Ultras

Sie sind daran zu erkennen, dass sie perfekt ausgestattet sind: Mama, Papa und die Kinder sind von Kopf bis Fuß in Ski-Anzüge gepackt, inklusive protziger Skibrillen. Die Eltern haben Glühwein in Thermoskannen dabei und warmen Kakao für die Kinder. Außerdem selbst gebackene Kekse, wenn der kleine Hunger kommt. Und warme Nudelsuppe im Camping-Thermobecher, wenn der große Hunger kommt. Sie fahren mit dem Auto (inklusive Schneeketten!) vor, laden Schneeschieber aus, um sich erst einmal ein fettes Iglu zu errichten. Und dann bauen sie davor ihren Fuhrpark mit Kinder-Snowboard, Davos-Schlitten und Plastik-Rodel-Woks auf. Es ist alles so furchtbar perfekt inszeniert, dass man wie bei einem Unfall einfach hinschauen muss.

Die Schnorrer

Sie haben ihren Kindern nicht mal Handschuhe angezogen. Haben weder einen Eimer noch einen Schlitten dabei. Also reißen sie alles an sich, was zwischen Schneemann und Iglu so im Schnee liegt. Sie schnappen sich, ohne zu fragen, fremde Schaufeln, Mützen, frisch gesammelte Stöcke, die eigentlich als Schneemann-Arme ein neues Leben führen sollten, Keksdosen – und stecken all das nachher auch gern mal ein . . . Gern greifen die Kinder der Schnorrer auch zu, wenn andere Mütter eine Obstdose aus dem Rucksack zaubern. Und die Schnorrer-Mamas betteln, ob sie nicht auch mal kurz den batteriebetriebenen Handwärmer für Fridas rot gefrorene Frostfingerchen bekommen könnten. Immerhin habe sie dieser winterliche Ausflug ja eiskalt erwischt und überrumpelt. Ist klar.

Die Oma-Eltern

Sie sind eindeutig zu identifizieren. Nicht, weil sie uralt wären. Meist sind sie genauso alt wie alle anderen Eltern im Park. Aber sie benehmen sich, als wären sie aus der Steinzeit. Sie sind hypervorsichtig und leiden an einer Überdosis fanatischen Hypochondertums. Schnee ohne Handschuhe anfassen? Um Himmels willen, da sind doch Keime drin. Rodeln? Halt dich aber gut fest, Schatz! Immer schön mit den Füßen bremsen! Und nicht von ganz oben fahren, Paulchen, das ist zu gefährlich! Schlittschuhfahren? Nicht wieder so schnell, Mathilda! Schneeballschlacht? Aber nie ins Gesicht werfen, das kann böse ins Auge gehen! Der Jargon von Oma-Eltern besteht zu 96 Prozent aus den Vokabeln „gefährlich“, „Achtung“, „nein“, „nicht“ und „Vorsicht“! Bei anderen Eltern sind sie mit ihren Verboten schnell untendurch. Bei ihren eigenen Kindern übrigens auch.

Die Ewigjunggebliebenen

Sie haben das Kind sowieso nur als Alibi, um im Sommer die auf deutschen Spielplätzen übliche Altersbeschränkung „bis 12“ ignorieren zu können. Und im Winter eben auf den städtischen Skipisten das aufzuholen, was sie in ihrer Kindheit nicht wild genug ausgelebt haben. Scheißegal, ob Lucy-Odile nun die Piste herunterrodeln will oder nicht: Mama will! Die Ewigjunggebliebenen zerren ihre kreischend protestierenden Kinder auf Rennschlitten. Sie johlen und grölen überschwänglich gestikulierend und turbulent lenkend den Hang hinunter. „Und, war’s jetzt so schlimm?“, fragen sie dann die Kinder. Und klopfen sich nach dem obligatorischen Schlitten-Unfall am Fuße des Berges wie ein verschämter Teenie den Schnee vom kalten Jeanspopo, um gleich wieder mit Schlitten nach oben zu sprinten. Natürlich trällern sie dabei den Megamix der schlimmsten Après-Ski-Hits. Jugendfrei? Nein, wieso auch . . .?!

Die Nachwuchs-Narzissten

An ihrem makellos gebauten Schneemann lehnt ein großer Spiegel, daneben steht ein Stativ und im winterlichen Weiß auf dem Boden liegt bäuchlings keine Eisbärenkuh, sondern . . . Nanu, das ist ja eine Mutter?! Nicht wundern, die macht gerade 378 Knallerfotos aus der Froschperspektive. Schließlich muss für die Welt ja festgehalten werden, dass Frederik-Leonhard gerade zum allerersten Mal einen Schneeball auf Brittany-Sofie geworfen hat. Nachwuchs-Narzissten verraten sich auch dadurch, dass sie sogar während der Schlittenfahrt ihr Smartphone in der Handschuh-Hand halten: um einen Selfie-Film von der Abfahrt zu drehen. Wenn sie nicht gleich die Go-Pro-Cam an den Kufen installiert haben. Oder die familieneigene Drohne zwischen den weißen Baumwipfeln manövriert wird. Nicht, dass Mami und Papi diesen einzigartigen Moment verpassen! Obwohl: Sie sind ja live dabei . . .