Regula Ried mit ihrer zweijährigen Tochter im Garten der Kita „Die Wilde 13“ Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Kitaplätze für Unter-Dreijährige fehlen in Stuttgart, dennoch wird eine Einrichtung des Studierendenwerks Stuttgart an der Staatlichen Akademie der schönen Künste geschlossen. Der Grund: Das Land will die Finanzhilfe für die Studierendenwerke ab 2020 deutlich reduzieren.

Stuttgart - Lichte Räume, viel Grün drumherum, eine Vogelnestschaukel und ein großer Sandkasten im Garten: Es ist alles da, was das Kinderherz begehrt. Doch in der Wilden 13 hat es sich bald ausgespielt. Die Kita am Weißenhof in Stuttgart-Nord, eine Einrichtung des Studierendenwerks Stuttgart, die vor allem Studierenden der Staatlichen Akademie der bildenden Künste Plätze für ihre 0- bis dreijährigen Kinder bietet, wird im Sommer 2020 ersatzlos geschlossen.

Derzeit toben noch zehn Kinder durch die Räume und den Garten, fünf Erzieher kümmern sich um sie. Die Eltern haben frühzeitig von der Schließung erfahren, zudem hat das Studierendenwerk darauf geachtet, dass für alle Kinder, die „Die Wilde 13“ zum Zeitpunkt der Bekanntgabe über die Schließung besuchten, kein Krippenwechsel ansteht. Dennoch sind die Mütter und Väter entsetzt. Die Elternbeiratsvorsitzende Regula Ried, deren zweijährige Tochter zum Zeitpunkt der Schließung „Die Wilde 13“ auch nicht mehr besuchen wird, findet es „generell traurig, dass in Zeiten, in der Kitaplätze rar sind, eine Einrichtung geschlossen wird“.

Der Versorgungsgrad in Stuttgart mit Plätzen für Unter-Dreijährige liegt bei 44,9 Prozent

Dass Kitaplätze für 0-bis Dreijährige in der Landeshauptstadt nach wie vor fehlen, das belegen auch die jüngsten Zahlen aus dem Jahresbericht 2018 über die Entwicklung der Kindertagesbetreuung in Stuttgart , die am Montag im Jugendhilfeausschuss vorgestellt werden. Am 1. März 2018 betrug die Zahl der Plätze für 0- bis unter-Dreijährige insgesamt 8239. Dies sind 404 Plätze mehr als im Vorjahr und rund 2870 Plätze mehr als 2012. Der statistische Versorgungsgrad liegt damit insgesamt bei 44,9 Prozent und bei den Ganztages-Angeboten bei 38,2 Prozent (Vorjahr: 43,2 Prozent; Ganztagesangebote 36,6 Prozent).

Die Stuttgarter Jugendamtsleiterin Susanne Heynen sagt denn auch, dass „ grundsätzlich die Schließung einer Kindertageseinrichtung immer einen Verlust bedeutet“. Das Jugendamt habe hier allerdings keine Einflussmöglichkeiten.

Die Finanzhilfe des Landes für die Studierendenwerke soll ab 2020 deutlich reduziert werden

Das Studierendenwerk Stuttgart bezieht sich in seiner Stellungnahme zur Schließung auf die aktuelle Denkschrift des Landesrechnungshofs Baden-Württemberg. Da die Finanzhilfe des Landes für die Studierendenwerke ab 2020 deutlich reduziert werden soll, spricht dieser darin Empfehlungen für Einsparmöglichkeiten aus: „Unter anderem wird gefordert, dass sich der Umfang unseres Kinderbetreuungsangebots nur am spezifischen studentischen Bedarf orientieren soll und dass das Angebot an Kinderbetreuungseinrichtungen optimiert wird“, erläutert Anita Bauer, Pressesprecherin des Studierendenwerks.

Die prozentuale Belegung der Plätze mit Kindern von Studierenden liegt bei den acht Kitas des Studierendenwerks bei rund 60 Prozent, in der Stuttgarter Innenstadt (drei Kitas) hingegen nur bei knapp 50 Prozent – obwohl die studentische Belegung in der Kita „Die Wilde 13“ überdurchschnittlich ist. Das Problem: „Für nicht-studentische Plätze sind die Elternbeiträge in unseren Kitas entsprechend höher, dadurch wird aber leider nicht gewährleistet, dass die Kosten damit auch voll gedeckt sind“, so Bauer. „Wir mussten daher prüfen, wo wir in der Innenstadt optimieren können und haben uns dazu entschieden, die Kita ‚Die Wilde 13’ im Sommer 2020 zu schließen“. Die Kinder des Standorts Kunstakademie sollen dann künftig einen Platz in einer innenstädtischen Kita – entweder in der Kita Villa MiO oder der Kita Abenteuerbande – bekommen – und somit die dortige studentische Belegung erhöhen.

Sind kleinere Kita unwirtschaftlicher – und werden deshalb geschlossen?

Doch warum trifft es gerade „Die Wilde 13“, wenn es doch dort bereits eine überdurchschnittliche studentische Belegung gibt? Das läge an den zeitlich begrenzten projektbezogenen Förderungs-Zuschüssen, die die Studierendenwerke erhalten. „In unseren innerstädtischen Kitas läuft als nächstes der Zuschuss für die Kita ‚Die Wilde 13’ aus, weshalb wir aktuell lediglich am Standort Kunstakademie die Möglichkeit haben, auf die Forderungen des Landesrechnungshofs zu reagieren“, so Bauer.

Regula Ried ist überzeugt, dass auch eine andere Überlegung eine Rolle spielt: „Ich finde es schade, dass es die Tendenz gibt, kleinere Kitas zu schließen, weil sie unwirtschaftlicher sind als große. Das dient aber nicht dem Wohle der Kinder, die in größeren Häusern wesentlich mehr Stress ausgesetzt sind“. Laut Bauer sei es in größeren Kindertagesstätten einfacher, die Randzeiten personell abzudecken, zudem könnten Ausfallzeiten besser aufgefangen werden.

200 Unterschriften gegen die Schließung der Kita gesammelt

Für Stuttgart bedeutet die Schließung der Kita „Die Wilde 13“ also, dass es zehn Plätze für 0-Dreijährige weniger gibt, für künftige Studenten mit Kleinkind, die die Kunstakademie besuchen, bedeutet das weitere Wege in Kauf nehmen zu müssen, und für die Kinder bedeutet es, in größeren Einrichtungen mit mehreren Gruppen betreut zu werden. Dagegen haben sich an einer Veranstaltung der Kunstakademie, bei der Ried zusammen mit anderen Eltern einen Informationsstand aufgebaut hatten, 200 Menschen ausgesprochen, indem sie ihren Namen auf eine Unterschriftenliste setzen. Diese wurde der Staatlichen Akademie der bildenden Künste überreicht. „So sehr wir bedauern, als kleine Hochschule dieses Vor-Ort-Angebot zu verlieren – so sehr sehen wir die schwerwiegenden Rahmenbedingungen, die Entscheidungen des Studierendenwerks einschränken“, schrieb daraufhin Martin Böhnke, Kanzler der Akademie.

„Wir sind einfach vor beschlossene Tatsachen gestellt worden“, sagt Ried ein wenig hilflos. Sie lässt den Blick über den „schönen großen Garten“ gleiten und sagt: „Unsere letzte Hoffnung ist derzeit, dass sich ein anderer freier Träger findet oder sich die Stadt meldet und die Kita übernimmt – damit sie erhalten bleibt.“