Matthias Wiedemann und seine Tochter Lia üben das Busfahren. Foto:  

Der Verkehrsverbund Stuttgart hat ein kostenloses Eltern-Kind-Ticket zum Training für die Fahrt mit Bus und Bahn aufgelegt. Erhofft wird ein Lerneffekt für die ganze Familie – wenn der Test reibungslos klappt.

Vom Papa an die Hand genommen zu werden, hätte Lia vermutlich gar nicht mehr nötig. Schließlich ist sie schon zehn Jahre alt und kommt nach den Sommerferien in die fünfte Klasse. Da ist man ja kein kleines Kind mehr, sondern schon eine kleine Persönlichkeit. Und doch tut es ganz gut, sich beim Schritt in die große weite Welt des Nahverkehrs ein wenig festhalten zu können. Den Weg ins Gymnasium soll Lia künftig nämlich mit Bus und Bahn absolvieren – mit Abfahrtsplan und Wartezeit und Umsteigen und Fahrkartenkontrolle und allem, was vom Busverpassen bis zum Turnbeutelvergessen noch dazugehört.

 

Weil das auch für aufgeweckte Kinder ein großes Programm ist, hat Matthias Wiedemann mit seiner Tochter dieser Tage eine Probefahrt gemacht. „Statt ihr nur gute Ratschläge zu geben, konnte ich direkt vor Ort ihre Fragen beantworten – und ihr auch ihre Sorgen nehmen, indem ich ihr gezeigt habe, worauf sie achten muss“, sagt der Vater, der selbst mit dem öffentlichen Nahverkehr seine Brötchen verdient. Früher bei den Stuttgarter Straßenbahnen beschäftigt, leitet er inzwischen für den Mobilitätsdienstleister Transdev die beiden Standorte Waiblingen und Backnang – und hat beruflich bedingt deshalb bei der Frage nach dem Sicherheitsaspekt eine eigene Sicht der Dinge.

Das Elterntaxi hält der Nahverkehrsmann schlicht für gefährlich

„Ich halte es für eine gute Sache, auch die kleinsten Fahrgäste früh an den öffentlichen Nahverkehr heranzuführen und ihnen beizubringen, bei der Einfahrt eines Busses auch immer genug Abstand zu halten und beim Einstieg nicht zu drängeln“, sagt er über sein ÖPNV-Training mit der Tochter. Wer die Verhaltensregeln beherzige, komme mit Bus und Bahn deutlich sicherer in die Schule als mit dem Elterntaxi. „Was sich in der Drop-and-Kiss-Zone vor den Schulen abspielt, ist teilweise haarsträubend – und oft auch echt gefährlich“, sagt Wiedemann.

Beim Verkehrsverbund Stuttgart rennt der Standortleiter mit der Vorbereitung auf den Schulweg offene Türen ein. Der VVS hat nicht nur Broschüren mit Verhaltensregeln für den Schülerverkehr auf Lager, er bietet auch ein Schulbustraining für die Klassenstufen 3 bis 6 an, bei der ein Nahverkehrsfahrzeug zum fahrenden Klassenzimmer wird. „Da sehen die Kinder dann auch mal, wie ein nicht sicher verstauter Schulranzen bei einer Notbremsung durch den Bus geschleudert wird. Das macht immer Eindruck“, heißt es beim Verkehrsverbund.

20 000 Gratis-Tickets für die Erprobung des neuen Schulwegs

Für die Vorbereitung von Schülern auf den künftigen Schulweg hat der Verkehrsverbund außerdem ein kostenloses Eltern-Kind-Ticket ins Leben gerufen. Gedruckt und an die Grundschulen der Region verschickt wurden 20 000 Flyer, mit der enthaltenen Fahrkarte können Familien die Fahrt mit Bus und Bahn zur neuen Bildungseinrichtung in aller Ruhe testen. „Wir wollen den Übergang in die weiterführende Schule erleichtern und den Kindern die nötige Sicherheit bei der Nutzung des Nahverkehrs geben“, sagt VVS-Geschäftsführerin Cornelia Christian.

Noch bis 8. September können die Tickets einmalig für die Fahrt zwischen Wohnort und Schule genutzt werden – theoretisch im ganzen VVS-Netz. Aus Sicht von Cornelia Christian dürften sich mit den Gratis-Tickets nicht nur die Sorgen der Kinder über den neuen Schulweg nehmen lassen. Die VVS-Geschäftsführerin ist sich auch sicher, dass es sich auch für das Unternehmen auszahlt, wenn Papa und Mama mit dem Nachwuchs den Nahverkehr nutzen. „Das hat oft einen Lerneffekt für die ganze Familie – und ist ein ganz anderes Erlebnis, als im Auto zu sitzen.“ Wer kein Eltern-Kind-Ticket für eine Probefahrt über die Grundschule erhalten hat, kann sich an den VVS-Kundenservice wenden. Das Jugendticket wird im Verkehrsverbund Stuttgart von um die 200 000 Kindern und Jugendlichen für den Schulweg genutzt.